Hannover. Zeitgleich zum Autokorso mit 600 prorussischen Demonstranten versammelten sich in der Hannoveraner Innenstadt etwa 3500 Gegendemonstranten.

Tausende von Menschen haben sich in Hannover unter starkem Polizeiaufgebot zu Demonstrationen und Kundgebungen wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine versammelt. Über 600 Menschen fuhren bei einem prorussischen Autokorso mit rund 350 Fahrzeugen mit, wie die Polizei mitteilte. Sie wandten sich gegen angebliche „Diskriminierung“ und „Russismus“, wie es auf einem Plakat in Anlehnung an einen Rassismusvorwurf heißt. Russische und deutsche Fahnen waren an den Autos angebracht. Im Zentrum Hannovers versammelten sich rund 3500 Menschen zu einer Gegendemonstration, überall wehten ukrainische Flaggen, „Stop War“, „Stop Genocide“ und «Ihr seid alle Mittäter» stand auf den Plakaten.

Der Start des Autokorsos war holprig: In einem Fall musste eine Flagge der nur von Russland anerkannten sogenannten Volksrepublik Donezk entfernt werden. Auch verzögerte sich die Abfahrt - zu den Auflagen zählte, dass auf den Motorhauben keine Flaggen gespannt werden durften. Grund sei die Verkehrssicherheit, man wisse nicht, wie die Fahnen befestigt seien, erklärte ein Polizeisprecher. Daran hätten sich einige Demonstranten nicht gehalten, ein Dutzend Autos sei „rausgezogen“ worden.

Gegendemonstranten stehen mit ukrainischen Flaggen auf dem Friedrichswall.
Gegendemonstranten stehen mit ukrainischen Flaggen auf dem Friedrichswall. © dpa | Michael Matthey

In der Innenstadt hielt eine Sitzblockade von rund 60 Menschen die Autos zwischenzeitlich auf, Eier wurden geworfen. Ein Teil der Autos sei abgeleitet worden, sagte der Sprecher. Der Korso sei daher «etwas zerrissen», die Lage sei aber ohne Auseinandersetzungen geklärt worden.

Prorussische Demonstranten fühlen sich diskriminiert

„Diskriminierung“, sagte eine Frau bei der prorussischen Demonstration kurz auf die Frage, warum sie demonstriert. Auch auf Plakaten an den Autos hieß es: „Keine anti-russische Diskriminierung“ oder “Keine Anfeindungen gegen Russischstämmige“. Ein Redner erklärte, aus seiner Sicht fühlten sich russischstämmige Menschen in Deutschland nicht willkommen. Dabei gehe es nicht um den Krieg in der Ukraine, betonte er - Fragen zum russischen Angriffskrieg und zu Kreml-Chef Wladimir Putin wollte er nicht beantworten.

Gleichzeitig startete der Vespa-Club Hannover mit 50 Motorrollern zu einer Solidaritätsfahrt durch Hannover - bis zur ukrainischen Gemeinde. «Wir haben Möglichkeiten gesucht, wie wir die Ukrainer unterstützen können», sagte Steffen Rowold vom Vespa-Club. “Es geht darum, unsere Solidarität auszudrücken und gegen den Krieg zu demonstrieren.“

3500 Menschen bei Gegendemonstration

Zu der Gegendemonstration mit rund 3500 Menschen hatte der Verein Freundeskreis Hannover aufgerufen. «Hannover zeigt Haltung für eine sofortige Beendigung des Krieges», sagte der Organisator der Gegendemonstration, Matthias Görn. Die prorussische Versammlung hatte eine Privatperson mit dem Motto «Gegen Volksverhetzung, Mobbing und Diskriminierung der russischen Bevölkerung» angemeldet. Schon im Vorfeld betonte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius: „Wir werden nicht dulden, dass der russische Krieg gegen die Ukraine auf unseren Straßen weitergeführt wird.“

Teilnehmer einer Gegendemonstration stehen am Friedrichswall, eine Frau hält ein Schild mit der Aufschrift „Stand with Ukraine“.
Teilnehmer einer Gegendemonstration stehen am Friedrichswall, eine Frau hält ein Schild mit der Aufschrift „Stand with Ukraine“. © dpa | Michael Matthey

Vor einer Woche hatte ein Autokorso durch Berlin, an dem laut Polizei rund 400 Fahrzeuge teilnahmen, Empörung ausgelöst. An zahlreichen Autos waren Fahnen in den russischen Farben Weiß-Blau-Rot zu sehen. Auch ein sogenanntes Z-Symbol zur Unterstützung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine wurde gezeigt. Das Verwenden dieses Symbols könne strafbar sein, ebenso wie andere Äußerungen, mit denen der russische Angriffskrieg gebilligt werde, sagte der SPD-Politiker Pistorius. Auch in Osnabrück demonstrierten rund 220 Menschen, die Polizei beanstandete mehrere pro-russische Schilder, außerdem wurde in Frankfurt demonstriert.

Ukrainischer Botschafter: „Schande für Deutschland“

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, kritisierte die Kundgebung in Frankfurt scharf - er hatte ebenfalls via Twitter von Pistorius, Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) und der Polizei gefordert, den Autokorso zu verbieten. Dass dieser in Hannover geduldet werde, sei eine „Schande für Deutschland“, schrieb er auf Twitter. „Es geht nicht um Meinungsfreiheit.“

Die Tochter des Pfarrers der ukrainisch-griechisch-katholischen Gemeinde St. Wolodymyr, Anna-Julia Maksymtsiv, fand die Solidarität der Gegendemonstranten „toll“. Zu der prorussischen Demonstration sagte sie dagegen, sie sei „beschämend und ein Skandal“.

Demo in Osnabrück - Polizei beanstandet pro-russische Schilder

Bei einer Demonstration in Osnabrück hat die Polizei mehrere pro-russische Schilder beanstandet. Die Teilnahme mit solchen Schildern sei untersagt worden, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Zudem habe man die Personalien der jeweiligen Teilnehmer aufgenommen. Etwa 220 Menschen hatten sich der Polizei zufolge gegen Mittag am Osnabrücker Schlossgarten versammelt und nach einigen Redebeiträgen in Bewegung gesetzt. Die Veranstaltung war als Demonstration gegen Rassismus und Nationalismus angemeldet worden. Genaue Angaben zur Zahl der beanstandeten Schilder machte die Polizei zunächst nicht.

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