Egestorf. Kein Junges soll verloren gehen, Schäfer schlafen in Schichten. Um die harte Arbeit zu erleichtern, arbeitet ein junges Paar mit Musik im Stall.

Josefine Schön und Clemens Lippschuss erzählen gerne von ihrer Arbeit, die Mistgabel legen sie dabei aber nicht aus der Hand. Mitten in der dreimonatigen Lammzeit nutzt das ziemlich übermüdete Schäfer-Paar jede Minute für Ausmisten, Heidschnucken von der Weide holen und die Unterstützung bei zahlreichen Geburten. „Wir sind alle zwei Stunden im Stall und teilen uns das in Schichten ein“, erzählt die 26-jährige, die im vergangenen Jahr mit ihrem Freund in Döhle bei Egestorf den abgeschiedenen Hof in der Lüneburger Heide übernommen hat.

Von Januar bis März halten sie sich rund um die Uhr bereit, um die Schafe zu unterstützen. 200 Lämmer sind Anfang Februar schon geboren, 150 erwarten sie noch. Zudem müssen 400 ausgewachsene Heidschnucken versorgt werden. Oft läuft bei ihnen im offenen, kalten Stall laute Musik im Hintergrund. Der Besuch eines Fitnessstudios ist überflüssig: „Das braucht man nicht und man schläft gut, wenn man denn zum Schlafen kommt“, berichtet Schön und lächelt.

Allein lassen die zwei ungern ein Neugeborenes auf die Welt kommen. Unerfahrene Mutterschafe könnten übersehen, dass ein Junges aus Versehen im Fruchtwasser landet und dort ertrinkt. Manche müssen auch mit der Flasche aufgezogen werden.

Schäferin: „Wir ziehen hier die Elite an Böcken auf“

Zu Ostern geben sie einige Lämmer weg, aber nicht die ganz jungen: „Ein Schaf gilt noch als Lamm, bis es eineinhalb Jahre alt ist“, erklärt Lippschuss. Die Heidschnucken wiegen zwischen 30 und 35 Kilogramm, wenn sie an die Schlachtereien in den Nachbarorten gehen. Der Transport ist kurz, die Tiere haben wenig Stress.

Lammzeit in der Lüneburger Heide

Heidschnuckenlämmer stehen mit ihren Muttertieren auf einer Freifläche.
Heidschnuckenlämmer stehen mit ihren Muttertieren auf einer Freifläche. © dpa | Philipp Schulze
Schäferin Josefine Schön verteilt Stroh im Heidschnuckenstall.
Schäferin Josefine Schön verteilt Stroh im Heidschnuckenstall. © dpa | Philipp Schulze
Ein Heidschnucke frisst im Stall.
Ein Heidschnucke frisst im Stall. © dpa | Philipp Schulze
Heidschnucken gehören zu den Nordischen Kurzschwanzschafen.
Heidschnucken gehören zu den Nordischen Kurzschwanzschafen. © dpa | Philipp Schulze
Josefine Schön hält ein Heidschnuckenlamm im Arm.
Josefine Schön hält ein Heidschnuckenlamm im Arm. © dpa | Philipp Schulze
Drei Monate Lammzeit sind für Schäfer ziemlich stressig. Von Januar bis März halten sie sich rund um die Uhr bereit, um die Schafe zu unterstützen.
Drei Monate Lammzeit sind für Schäfer ziemlich stressig. Von Januar bis März halten sie sich rund um die Uhr bereit, um die Schafe zu unterstützen. © dpa | Philipp Schulze
Wenige Tage alte Lämmer stehen im Stroh.
Wenige Tage alte Lämmer stehen im Stroh. © dpa | Philipp Schulze
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Und mit jedem Lamm hoffen sie auf einen Zuchterfolg, der sich bei der alljährlichen Auktion verkaufen lässt. Von allen ihren Schafen der Rasse graugehörnte Heidschnucken können sie die Abstammung nachweisen. „Wir ziehen hier die Elite an Böcken auf“, sagt Schön, die in der Nähe von Dresden aufgewachsen ist und über das Spinnen der Wolle zur Zucht kam. Auch heute trägt das Paar im Winter noch selbst hergestellte Lammfellsocken.

Gefräßige Bürokratie und die Angst vor dem Wolf – und nicht angeleinten Hunden

Die beiden sind angestellt bei der Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide, haben sogar Anrecht auf 30 Tage Urlaub im Jahr und bekommen Hilfe, wenn einer krank wird. „Wir sind angestellt, arbeiten aber selbstständig“, erzählt Lippschuss. „Es ist ja schwierig, selbstständig zu sein, die Bürokratie frisst die Schäfer auf“, meint der 31-Jährige.

Zudem sei die Angst vor dem Wolf ständig präsent, die offenen Fenster im Stall sind alle mit Draht vergittert. „Wir haben hier einen oder zwei auch schon tagsüber gesehen, wie sie um unseren Stall liefen“, berichtet der Tierwirt über die ständige Angst.

Neben den Wölfen, die in den vergangenen Jahren bei Kollegen schon viele Schafe gerissen haben, machen nicht angeleinte Hunde große Sorgen. Besonders gebeutelt ist Schäferin Andrea Herold aus Inzmühlen im Landkreis Harburg. Sie hat beobachtet, dass sie viele Menschen in der Pandemie Hunde angeschafft haben und diese frei herumlaufen lassen. „Schafe kennen nicht den Unterschied zwischen Wolf und Hund, das ist Stress hoch drei für sie“, berichtet Herold, die deshalb in der Vergangenheit zahlreiche Totgeburten zu beklagen hatte. „Wir haben eine ganzjährige Leinenpflicht“, bestätigt Marc Sander, Geschäftsführer der Naturschutzpark-Stiftung. Trotzdem halten sich nicht immer alle daran.

Viele Spaziergänger parkten ihre Autos im Naturschutzgebiet und liefen kreuz und quer mit ihren Vierbeinern. Zusammen mit der Angst vor Wölfen habe sie in ihrer Herde mit 400 Heidschnucken stressbedingt 30 bis 40 Prozent Einbußen beim Nachwuchs, sagt Schäferin Herold aus Unterfranken, die seit 22 Jahren in der Heide arbeitet. Durch den Stress in der Bockzeit würden weniger Heidschnucken tragend. Der Hof erwartet 200 Lämmer im Frühjahr.

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