Wolfsburg. Im Prozess vor dem Landgericht Braunschweig im Fall der tödlichen Familienfehde in Wolfsburg-Westhagen hat die Kammer das Urteil verkündet.

Der Hauptangeklagte im Westhagen-Prozess, der 46 Jahre alte Familienpatron, hat nach Überzeugung die tödlichen Stiche auf das Opfer ausgeführt, sein Zwillingssohn (24) und sein Schwiegersohn (25) waren Mittäter. Sie werden wegen gemeinschaftlichen Totschlags verurteilt: Der Hauptangeklagte zu 9 Jahren Haft, sein einer Zwillingssohn zu 6 Jahren, sein Schwiegersohn zu 7 Jahren. Der vierte Angeklagte – der andere Sohn – wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 4 Jahren 6 Monaten verurteilt.

Richter bezeichnet den Hauptangeklagten als treibende Kraft der Tat

Der Vorsitzende Richter Ralf Michael Polomski bezeichnet den Hauptangeklagten als treibende Kraft der Tat. Hintergrund der Tat war eine langjährige, teilweise gewalttätige Fehde zwischen Angehörigen eines Familienclans. Den Angeklagten sei ursprünglich nur darum gegangen, dem 25-jährigen Verwandten eine kräftige Abreibung zu verpassen, so Polomski. Als das Opfer aus Notwehr vor den vier Angreifern sein Klappmesser zückte und auf die Zwillingssöhne einstach, eskalierte die Situation. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wollte der Hauptangeklagte, dass das Opfer stirbt. Das mildere Strafmaß für den einen angeklagten Sohn begründete Polomski, dass dieser bei den tödlichen Messerattacke aufgrund seiner eigenen schweren Verletzungen nicht mehr eingreifen konnte.

Die Staatsanwaltschaft hatte für den Hauptangeklagten 12 Jahre Haft gefordert, für seine Söhne jeweils 10 Jahre 6 Monate

„Ein Angriff vier gegen einen hat nichts mit Ehre zu tun. Ehrenvoller wäre es gewesen, Verantwortung zu übernehmen“, erklärte Polomski. „Sie können sich sicher sein, dass die Justiz bei solchen Taten nicht zu milde greifen wird.“ Die Staatsanwaltschaft hatte für den Hauptangeklagten 12 Jahre Haft gefordert, für seine Söhne jeweils 10 Jahre 6 Monate, für den Schwiegersohn 10 Jahre. Die Verteidiger waren in ihren Plädoyers deutlich darunter geblieben. Der Prozess fand auch am Freitag unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Zwischenfälle gab es aber an keinem Verhandlungstag.

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So verlief der elfte Prozesstag

Am elften Prozesstag, der am 21. Juni stattfand, sah der Staatsanwalt die vier Angeklagten (46, 24, 24 und 25) des gemeinschaftlichen Totschlags an ihrem 25-jährigen Verwandten überführt. Er forderte, dass keiner zu einer Haftstrafe unter zehn Jahren verurteilt wird. Die Hauptschuld lastete er dem Hauptangeklagten an. Das Familienoberhaupt soll 12 Jahre im Gefängnis büßen.

Die Verteidiger ordneten die tödlichen Messerstiche am Abend des 24. Septembers 2020 nach den Paragrafen des Strafgesetzbuches an einer ganz anderen Stelle ein.

Hintergrund: 25-Jähriger in Westhagen auf offener Straße erstochen

Ein 25-Jähriger war am 24. September 2020 in Westhagen auf offener Straße attackiert und dabei erstochen worden. Opfer und Tatverdächtige sind Angehörige derselben Großfamilie. Nach der Tat postierten sich Einsatzkräfte offen im Stadtteil, um eine weitere Eskalation zu unterbinden. Unter schärfsten Sicherheitsbestimmungen wird der Fall bereits ab 27. April vor dem Landgericht Braunschweig verhandelt. Die Staatsanwaltschaft klagt vier Männer (46, 25, 24 und 24) wegen gemeinschaftlichen Totschlags an.

Zwischen zwei verwandten, türkischstämmigen Familien gab es spätestens seit 2019 einen ernsten Konflikt, der sich immer weiter hochschaukelte und schließlich offenbar tödlich endete. Die Rekonstruktion der Fehde gestaltete sich für die Ermittler schwierig, auch weil die Angeklagten bislang zu den Vorwürfen schweigen, berichtet der Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig, Christian Wolters.