Zeven. Cord Oerding und Mario und Nicole Klindworth haben einen Bisonhof. Die amerikanischen Wildrinder leben dort in einer kleinen Herde mit ihren Kälbern.

Bisons zählen eigentlich nicht zur Tierwelt des Norddeutschen Tieflands, aber die Herde im Dorf Boitzen im Landkreis Rotenburg fühlt sich wohl auf ihrer niedersächsischen Weide. 24 Tiere sind es, darunter einige Kälber aus diesem Frühjahr, geführt von einem großen Bullen mit dem typischen massigen Schädel voller Zotteln.

Sie leben zwar auf der eingezäunten Weide, aber Bisons sind und bleiben Wildtiere

Auf der Weide in Boitzen leben auch einige Kälber.
Auf der Weide in Boitzen leben auch einige Kälber. © dpa | Sina Schuldt

Zehn Hektar Auslauf haben die Tiere auf dem Bisonhof von Cord Oerding und Mario und Nicole Klindworth. Der Zaun ist extra stark und elektrisch gesichert. „Das sind und bleiben Wildtiere“, sagt Oerding. Im Gehege arbeiten die Züchter nur zu zweit und von einem Fahrzeug aus. Autofahrer bremsen an der Weide und bestaunen die Kolosse, deren natürliche Heimat die weite Prärie in Nordamerika ist. Dort gab es im 19. Jahrhundert Millionen von ihnen, bis sie fast ausgerottet wurden.

In Boitzen bei Zeven leben seit 2013 Bisons. Die Klindworths hatten ihre Milchkühe abgeschafft, die Weiden standen leer, da kam der vom Wilden Westen begeisterte Oerding auf die Idee mit den exotischen Tieren. Die Bisons sind für sie immer noch ein Nebenerwerb und ein Hobby, die Herde soll auch nicht mehr viel wachsen. „Mehr als 30 Tiere sollten es eigentlich nicht werden“, sagt Mario Klindworth.

Exotische Tiere – Bisons, Galloways oder Wasserbüffel – sind selten in Deutschland

So aufwendig der Zaun, so einfach die Haltung: Die Bisons sind rund ums Jahr draußen und grasen. Zugefüttert wird nur etwas Heu. Deshalb bleibt das Bisonfleisch einzigartig mager. „Richtig mästen kann man die nicht“, sagt Oerding. Im Herbst werden zwei Tiere geschossen. Dann gibt es im Hausverkauf Filet – das Kilo zu 120 Euro, außerdem Braten, Gulasch, Hack oder Würste.

Bisons, Galloways, schottische Hochlandrinder, Wasserbüffel – eine Reihe von Haltern in Deutschland setzt auf exotisches Hornvieh. In Niedersachsen gibt es die große Bisonfarm Essel in Schwarmstedt im Allertal mit etwa 100 Tieren – von dort stammt der Grundstock der Boitzener Herde. Auch Western-Freizeitparks wie Pullman City in Hasselfelde im Harz und Eging in Bayern halten Bisons.

Das Bison sieht schon heute, wer übermorgen zu Besuch kommt

Bisons sind widerstandsfähige Tiere. „Die Jungs können ja alles ab – ob sie nun 40 Grad plus oder 30 Grad minus haben“, sagt Cord Oerding.
Bisons sind widerstandsfähige Tiere. „Die Jungs können ja alles ab – ob sie nun 40 Grad plus oder 30 Grad minus haben“, sagt Cord Oerding. © dpa | Sina Schuldt

Etwa 60 Halter mit etwa 1000 Bisons gebe es in Deutschland – Zoos nicht eingerechnet, schätzt Hans-Jürgen Schröder, Vorsitzender des Deutschen Bisonzuchtverbands. „Die Tiere sind pflegeleicht und brauchen wenig Futter“, sagt er. Zudem sähen Bisons gut aus, ein Hauch Abenteuer sei dabei – so erklärt der ehemalige Zooinspektor des Zoos Osnabrück die Faszination der Tiere. „Das Bison ist kein Bulle, der sein Leben an der Kette verbringt und dann zum Schlachthof gefahren wird.“

Warum aber Bisons aus Amerika und nicht das fast identische europäische Wisent? Ihre Präriebisons seien friedlicher, sagen Oerding und Klindworth. Das Wisent lebe im dichten Wald, sei ständig auf die Abwehr unerwarteter Gefahren gepolt, meint Schröder. Anders das Tier im offenen Land: „Das Bison sieht wie ein Ostfriese schon heute, wer übermorgen zu Besuch kommt.“

Der Züchterverband forder, Bisons wieder als Wildtiere einzustufen

Rechtlich gelten Bisons in Deutschland als Rinder, und das macht den Umgang mit ihnen manchmal kompliziert. Das Anbringen von Ohrmarken, die Blutentnahme für Tests auf Rinderseuchen sind bei den Wildlingen schwierig. Oerding und Klindworth haben eine Fanganlage. Doch für die Tiere ist es Stress, zwischen die Bretterwände getrieben und berührt zu werden, berichten die Züchter. Auch Schröder sagt: „Wir als Verband wollen, dass Bisons wieder als Wildtiere eingestuft werden.“

Bei der niedersächsischen Landwirtschaftskammer in Oldenburg werden die Exoten etwas skeptisch gesehen. Natürlich stellten die Bisons und andere Rinderarten in reiner Weidehaltung keine hohen Ansprüche an ihr Futter, sagt Dirk Albers, Fachreferent für Rinderzucht und Rinderhaltung. „Die sind robuster.“

Bisonfleisch ist nach wie vor ein Nischenprodukt

Ein eindrucksvolles Souvenir. Ein gebleichter Bisionschädel verströmt einen Hauch von Wildem Westen.
Ein eindrucksvolles Souvenir. Ein gebleichter Bisionschädel verströmt einen Hauch von Wildem Westen. © dpa | Sina Schuldt

Aber wirtschaftlich sei es mit Bisonfleisch „wie bei jeder Direktvermarktung“: Man müsse sich erst einen Kreis von Kunden erschließen, die bereit seien, die hohen Zuschläge zu bezahlen. „Das wird ein Nischenprodukt bleiben“, sagt Albers.

„Unser Ziel ist es, irgendwann mal ein ganzes Tier zu verkaufen“, sagt Mario Klindworth – zum Beispiel an ein Restaurant, das dann eine Woche lang Bisonfleisch anbietet. Nicht nur das Fleisch verkauft sich, die gebleichten Schädel geben ein eindrucksvolles Souvenir ab, ein Bisonwinterfell ist kuschelig weich. Oerding freut sich beim Blick von der Terrasse über seine wilden Rinder: „Die Jungs können ja alles ab – ob sie nun 40 Grad plus oder 30 Grad minus haben.“

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