Bremervörde. Im Norden Niedersachsens kommt ein neuer Antrieb auf die Schiene: Mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellenzüge lösen Dieseltriebwagen ab.

Nach vielen Testfahrten wird es ernstM In Bremervörde ist am Sonntag die Premiere eines mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellenzuges gefeiert worden. Zwei Prototypen werden dann in den Fahrplan integriert und befördern erstmals Fahrgäste.

Wo sollen die Züge fahren?

Die in Salzgitter gebauten Züge sollen auf der knapp 100 Kilometer langen Strecke zwischen Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude unterwegs sein und die bisherigen Dieseltriebwagen ablösen. Ab Montag werden zwei Züge regulär im öffentlichen Linienverkehr und nach festem Fahrplan eingesetzt. Ab 2021 sollen 14 Wasserstoff-Züge auf der Strecke unterwegs sein. Das Elbe-Weser-Dreieck eignet sich laut Verkehrsministerium in Hannover aufgrund der Größe und des ebenen Geländes für die Erprobungsphase.

Wie funktioniert die Technik?

Die Züge der Firma Alstom haben auf dem Dach einen Wasserstofftank und eine Brennstoffzelle. In der Brennstoffzelle entsteht Energie, indem Wasserstoff und Sauerstoff kontrolliert miteinander reagieren. Dabei entstehen Strom, Wärme und als Abfallprodukt Wasserdampf. Alstom zählt weltweit zu den ersten Herstellern, die einen Personenzug auf Basis dieser Technologie entwickelt haben. Seit Juli 2018 hat das Unternehmen vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) die Zulassung für den Passagierverkehr im öffentlichen Netz in der Tasche.

Wie schnell ist der Zug und welche Strecke schafft er?

Rund 1000 Kilometer kann der "Coradia iLint" mit einer Tankfüllung zurücklegen und so ohne Probleme einen Tag in dem Netz fahren. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 140 Kilometern pro Stunde. Die Versorgung mit Wasserstoff soll über eine eigene Tankstelle sichergestellt werden. Der Zug, der sich äußerlich nicht wesentlich von seinen Vorgängern unterscheidet, soll deutlich leiser sein.

Wird sich die Technik durchsetzen?

Während der Fahrt fallen außer dem Wasserdampf keine Emissionen an. Allerdings bemängeln Kritiker, dass bei der herkömmlichen Gewinnung des Wasserstoffs per Chlor-Alkali-Elektrolyse wegen des hohen Stromeinsatzes große Mengen des klimaschädlichen Kohlendioxids freigesetzt werden. Außerdem muss das Gas in Fahrzeugen wegen der Explosionsgefahr in hochfesten Tanks gelagert werden.

Nach Angaben aus dem Verkehrsministerium ist schon in naher Zukunft Windstrom zur Herstellung von grünem Wasserstoff vorgesehenen. Mittel- und langfristig sei zudem zu erwarten, dass der Wasserstoff auch die wirtschaftlichere Alternative sein werde.

Fährt der Zug bald auch andere Strecken?

Alstom entwickelt die Züge nach eigenen Angaben gezielt für den Einsatz auf nichtelektrifizierten Strecken. Das Ministerium geht davon aus, dass der Einsatz für weitere solcher Netze in Niedersachsen interessant ist. Im April 2018 gab es in Hessen eine Demonstrationsfahrt von Wiesbaden nach Frankfurt. Dort will der Rhein-Main-Verkehrsverbund ab Ende 2022 die Dieseltriebwagen auf mehreren nicht elektrifizierten Nebenstrecken im Taunus durch die neue Technik ersetzen. Andere Bundesländer haben ebenfalls Interesse bekundet.

Was meinen die Fahrgäste?

Die Praxistauglichkeit muss sich für Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn erst noch herausstellen. Für ihn handelt es sich aber um einen interessanten und richtigen Versuch. "Wir brauchen elektrische Antriebe auf der Schiene", sagt er. Eine Entscheidung sollte aus seiner Sicht frühestens in zwei bis drei Jahren erfolgen, damit es Erfahrungen bei möglichst vielen unterschiedlichen Witterungsbedingungen gibt. dpa