Braunschweig. „Ich dachte, ich kann nie mehr Basketball spielen.“ Der Löwen-Center erzählt vor dem Spiel in Berlin, wie er seine elfwöchige Zwangspause genutzt hat.

Bei der Wahl zum Mann des Spiels gab es diesmal ein klares Ergebnis. Center Jilson Bango hatte dem 84:67-Triumph der Braunschweiger Basketballer gegen Ulm in nahezu unglaublicher Weise seinen Stempel aufgedrückt. Als Dominator unter dem Korb ließ der 24-Jährige Ulms Centerstar Bruno Caboclo keinen Stich, machte mit seinen langen Armen und schnellen Beinen hinten dicht und riss sein Löwen-Team mit. „Jilson war sehr, sehr stark, unsere Energie in der Defense kam von ihm“, schwärmte Trainer Jesús Ramírez. „Die 50:50-Bälle hat er sich alle geholt.“

16 Punkte hatte der angolanische Nationalspieler in seiner ersten BBL-Saison bereits dreimal zuvor erzielt, aber nicht mit der hochklassigen Trefferquote von 89 Prozent und noch kombiniert mit acht Rebounds, drei Ballgewinnen und zwei Blocks. Dazu kam eine nicht in Zahlen auszudrückende enorme physische Präsenz des eher schlaksigen 2,08-Meter Mannes.

Röntgenbild des Fingers war großer Schock für den angolanischen Nationalspieler

Wo holt er die her beim erst zweiten richtigen Mitwirken nach mehr als zwei Monaten Verletzungspause wegen seines komplizierten Fingerbruchs? „Ich habe fünf Kilo an Muskeln zugenommen“, berichtet er lachend von den Erfolgen seines elfwöchigen Aufbautrainings. Körpergewicht ist im Positions- und Verdrängungskampf unter den Brettern eben ein wichtiger Faktor.

Nach der Operation konnte er praktisch ohne Pause wieder einsteigen. „Ich habe jeden Tag Kraft- und Lauftraining gemacht und viel gegessen“, erzählt Bango im Rückblick so begeistert und ausgelassen, dass Portugiesisch-Dolmetscherin Alexandra Berg kaum hinterherkommt. Alles, was unter Schonung seines geschienten linken Zeigefingers und ohne Erschütterungen ging, war erlaubt. Theorie sowieso, aber auch Beinarbeit und Innenspiel, was er in Individualeinheiten mit Co-Trainer Liviu Calin übte.

Dennis Schröders Mutter kochte für Löwen-Center Jilson Bango

Klar war die Zwangspause frustrierend. „Ich wusste, meine Mannschaft braucht mich, aber ich konnte nicht helfen“, sagt er. Doch Bango stürzte sich auch positiv und voller Elan in die Arbeit, weil die schlimmsten Zweifel hinter ihm lagen. Als er sich im Heimspiel gegen Bamberg Mitte Januar bei einer Reboundaktion verletzt und seinen schiefen Finger gesehen hatte, hatte er zunächst selbst versucht, ihn wieder geradezudrehen. „Das hat sehr, sehr weh getan“, erzählt er und verzieht in schmerzlichen Gedanken daran wieder das Gesicht. Als er später das Röntgenbild mit vielen Splittern rund um den Bruch gesehen habe, „da habe ich gedacht, ich kann nie mehr Basketball spielen.“

Als die Ärzte ihm dann diese Angst nahmen, beschloss der Center erleichtert, noch viel stärker zurückzukommen. „Ich war genervt, wollte unbedingt spielen, aber ich wusste auch, dass ich den vorgegebenen Zeitplan einhalten musste.“

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Nach seinem Klasse-Comeback mit 16 Punkten/8 Rebounds schon im Spiel gegen Bayreuth rannte Bango begeistert auf Dennis Schröders Mutter Fatou am Spielfeldrand zu und herzte sie. „Sie hat mir anfangs dreimal pro Woche afrikanisches Essen gekocht“, erzählt er dankbar von den ersten Monaten im fremden Deutschland. Und als er neulich mal wieder besonderen Appetit auf heimatliche Küche verspürte, „bin ich in einem afrikanischen Laden einkaufen gegangen und habe sie gebeten, nochmal für mich zu kochen.“

Basketball-Weltmeisterschaft im Sommer: Bango wird dabei sein

Inzwischen hat Bango auch einen seit vielen Jahren in Braunschweig lebenden angolanischen Landsmann kennengelernt, mit dem er telefoniert oder sich trifft. „Ich lebe mich ein, komme immer besser zurecht, Braunschweig ist etwas klein, aber dafür sehr nett“, urteilt der Mann aus der Millionen-Metropole Luanda, der zum ersten Mal im Ausland lebt. Ein paar Brocken Englisch und Deutsch hat er inzwischen auch gelernt, kann sich auch außerhalb der Löwen-Blase verständigen.

Während seiner Verletzungspause musste Bango fürchten, dass sein großer Traum platzen könnte, die Teilnahme an der Basketball-Weltmeisterschaft, die im Sommer in Japan, Indonesien und auf den Philippinen stattfindet. Sein Nationalteam hatte vor dem Februar-Fenster auf Qualifikationskurs gelegen. Doch dann musste er absagen und andere Leistungsträger auch. „Es mussten einige neue Leute spielen, und wir hatten gedacht, dass sie es vielleicht nicht schaffen“, berichtet er. Doch Angola blieb stabil, löste das Ticket, und so freut sich der Braunschweiger schon riesig auf sein Sommer-Abenteuer: „Ich werde zum ersten Mal bei der WM spielen.“

Happy-Ende für die Basketball Löwen Braunschweig? Bango kann mehr Input geben

Zuvor aber hofft der beste Offensivrebounder der BBL natürlich auch auf ein Happy-End für seine Löwen, bei denen er bis 2025 unter Vertrag steht. Vier Siege bis zum Saisonende, die den Klassenerhalt bringen, hatte er vergangene Woche optimistisch prognostiziert. Einer davon ist dem Team gegen Ulm auch dank Bangos starkem Auftritt bereits gelungen – heute Abend bei Meister Berlin ist das Team hingegen krasser Außenseiter.

„Wir spüren den Druck, und ich auch“, räumt er ein. „Ich denke immer, ich muss der Mannschaft helfen.“ Dass er dies zuletzt so großartig tun konnte, liege nicht nur an den paar Kilos mehr und seiner gesteigerten seitlichen Schnelligkeit, glaubt Bango, sondern auch an seinen verbesserten Sprachkenntnissen. „Ich kann inzwischen besser kommunizieren und mit allen im Team reden – dadurch kann ich auch mehr Input geben“, freut er sich. Und dies sei vor allem in der Verteidigung sehr wichtig, auf die sich das Team im Kampf gegen den Abstieg stützen will und muss.

Der Gegner

Von Alba Berlin dürften die Löwen auf ihrer Mission Klassenerhalt keine Schonung erwarten. Denn der Tabellenführer, Team mit der besten Trefferquote, den meisten Assists und Rebounds, will seine Position unbedingt gegen den auch nur mit zwei Niederlagen belasteten Verfolger Bonn halten. Damit würde der Meister in den Play-offs Heimvorteil haben und im Halbfinale Bonn und München aus dem Weg gehen.

Ihre Euroleague-Saison mit 34 Spielen haben die Hauptstädter am Donnerstag als 16. mit 11 Siegen, 23 Niederlagen punktgleich mit Bayern München beendet. Zwar hatte Berlin im internationalen Endspurt sechs Spiele in 13 Tagen zu absolvieren. Doch hat das Team nach zwischenzeitlichen, vor allem verletzungsbedingten Durchhängern zuletzt wieder zum souveränen Alba-Spiel gefunden.

Die große Stärke der Mannschaft von Israel Gonzales ist neben starker Verteidigung das freie Offensivspiel, der schönste Basketball der BBL. Sie ist nicht festgelegt auf Systeme, die ein Gegner leicht unterbinden kann, sondern findet auf dem Feld dessen Schwächen und nutzt sie aus. Das Hinspiel hielten die Löwen dank acht Dreiern von David Krämer mit 90:95 eng.

Berlin – Braunschweig, Mittwoch, 19 Uhr, Arena am Ostbahnhof, Magentasport.