Braunschweig. Mehrere Schulen in Braunschweig haben Noten bereits abgeschafft. Die Schulleitungen berichten über ihre Erfahrungen.

Am kommenden Freitag werden Zeugnisse verteilt und die Aufregung bei vielen Schülerinnen und Schülern ist groß: Hat es in Deutsch für eine Zwei gereicht? Und habe ich es geschafft, die Fünf in Mathe loszuwerden?

Doch was sagen Ziffernnoten überhaupt über die Leistung von Schülern aus? Darüber wird in Niedersachsen heftig diskutiert, nachdem Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) angekündigt hat, es den Schulen erleichtern zu wollen, auf eine Benotung zu verzichten. Die Schulen sollen diesbezüglich mehr Freiräume erhalten.

In Braunschweig gibt es bereits Schulen, die auf Noten verzichten – unsere Redaktion hat bei einigen Schulen angefragt, welche Erfahrungen sie mit und ohne Noten gemacht haben.

Die Comeniusschule

Corinna Hollinger leitet die Grundschule Comeniusstraße
Corinna Hollinger leitet die Grundschule Comeniusstraße © Privat (Archiv)

Die Grundschule Comeniusstraße im Östlichen Ringgebiet vergibt schon seit vielen Jahren keine Noten, und das „aus Überzeugung“, wie Schulleiterin Corinna Hollinger betont: „In ausführlichen Berichten können wir die Stärken viel besser abbilden und genau aufführen, mit welchen besonderen Projekten sich die Kinder im Unterricht beschäftigt haben.“ Die Berichte seien respektvoll formuliert und direkt an das Kind gerichtet. Wer Formulierungen lese wie „meist meldest Du Dich“ oder „da musst Du noch dran arbeiten“, wisse, dass noch Luft nach oben sei. Begleitend gebe es Entwicklungsgespräche mit dem Kind und den Eltern.

Die Freie Schule

Christina Vierling leitet die Freie Schule
Christina Vierling leitet die Freie Schule © regios24 (Archiv) | Stefan Lohmann

Christina Vierling leitet die Grundschule in privater Trägerschaft. Noten gibt es hier nicht – außer im vierten Schuljahr, wenn der Wechsel zu den weiterführenden Schulen ansteht. „Wir haben zwischenzeitlich mal Noten in allen Jahrgängen eingeführt, haben dann aber gemerkt, was für einen Stress das den Kindern macht“, sagt Vierling. Es sei traurig, wenn darunter der Spaß am Lernen leide.

Die Noten wurden wieder abgeschafft, stattdessen gebe es ausführliche Berichte und viele Gespräche mit Kindern und Eltern: „So wissen die Kinder auch ohne Noten, was sie können und woran sie noch arbeiten müssen.“

Lernen und das Wissen an sich hätten einen hohen Stellenwert an ihrer Schule, sagt Vierling. Es brauche deshalb auch keine guten Noten zur Belohnung: „Das Lernen selbst ist die Belohnung.“

Das Wilhelm-Gymnasium

Volker Ovelgönne leitet das Wilhelm-Gymnasium
Volker Ovelgönne leitet das Wilhelm-Gymnasium © BestPixels.de (Archiv) | Markus Hörster

Schulleiter Volker Ovelgönne verteidigt die Notengebung. Natürlich dürfe die Ziffernnote nicht für sich allein stehen. „Eine Note steht immer am Ende eines langen Prozesses. Bevor die nackte Zahl auf dem Zeugnis steht, muss es einen regen Austausch geben: Die Schülerinnen und Schüler bekommen Rückmeldungen darüber, was sie gut können und was sie verbessern müssen.“

Mehr Freiräume für Schulen, die die Benotung abschaffen wollen, findet Ovelgönne in Ordnung, glaubt aber: „Für die Gymnasien kommt das weniger in Frage.“ Natürlich erzeugten Noten einen gewissen Druck, spornten aber auch an – und zwar ebenso wie eine verbale Beurteilung.

Ovelgönne verweist noch auf die Historie der Zeugnisnoten: Bei den Preußen seien sie als neutrales Bewertungsinstrument eingeführt worden, „damit nicht nur die Kinder der Reichen in gewisse Positionen kommen konnten, sondern alle, die eine gute schulische Leistung erbracht haben – und zwar unabhängig von ihrem sozialen Status.“

Die Sally-Perel-Gesamtschule

Christian Düwel leitet die Sally-Perel-Gesamtschule 
Christian Düwel leitet die Sally-Perel-Gesamtschule  © Harald Duin (Archiv)

An den Integrierten Gesamtschulen (IGS) werden in den unteren Jahrgängen keine Noten vergeben. Erst in den Jahrgängen, in denen Schulabschlüsse gemacht werden können (in der Regel ab Jahrgang 9), müssen die Schüler benotet werden. An der Sally-Perel-Gesamtschule in Volkmarode geht es im 8. Jahrgang mit Noten los – sie ersetzen dann die Lernentwicklungsberichte der Fachlehrer für die unteren Jahrgänge.

Zudem verfassen in den Klassen 5 bis 10 die Tutorenteams, also die Klassenlehrer, persönliche Briefe an die Schüler. „Die Briefe sind etwa zwei bis vier Seiten lang, und darin steht genau, was die Schülerinnen und Schüler schon gut können, wo sie sich weiterentwickelt haben und worauf sie künftig achten sollen“, erklärt Schulleiter Christian Düwel. Die Schüler müssen auf diese Briefe antworten. So entstehe ein wertvoller Austausch, der die Schüler stärke.

Vieles könne man man mit einer verbalen Rückmeldung viel besser fassen, argumentiert Düwel. Er ist überzeugt: „Fürs Lernen selbst sind Noten eher kontraproduktiv.“

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KOMMENTAR

von Schülerpraktikant Maxim Ledwoch

Weg mit den Noten!

Eine Schule ohne Noten – viele Schülerinnen und Schüler würden sich mit Sicherheit darüber freuen. Denn Malte Kern, Niedersachsens Landesschülersprecher, hat recht, wenn er sagt, die Leistungsbewertung über Noten erhöhe den Stress bei den Schülern zusätzlich. Der Druck ist ohnehin oft groß, wenn in der Klausurenphase ein Test auf den nächsten folgt.

Maxim Ledwoch
Maxim Ledwoch © Braunschweiger Zeitung | Bernward Comes

Noch schlimmer: Noten führen regelmäßig zu Neid und Ausgrenzung in der Klasse. Wer schon einmal eine bessere Note als seine Mitschüler erhalten hat, kennt das: Schnell wird man aufgezogen oder als „Streber“ bezeichnet.

Der Konkretisierung Kerns: ,,Vergleichbarkeit zu schaffen ist zwar nötig, aber sollte nicht die höchste Priorität in der Schule sein“, stimme ich zu. Zudem halte ich Noten für wenig aussagekräftig. Eine Note verrät nicht, was noch gelernt oder verbessert werden muss.

Noten sollten auch keineswegs als Sanktionsmittel missbraucht werden dürfen. Wenn Schüler im Unterricht die Anforderungen nicht im vollen Umfang bewältigen, bedarf es einer effektiven Förderung anstatt einer Herabwürdigung. Eine Note Fünf motiviert keineswegs zum Lernen – sie verschlimmert die Probleme nur. Groll oder Misstrauen gegenüber der Lehrkraft können entstehen, gerade, wenn diese dem Schüler schon häufiger eine schlechtere Note gegeben hat. Das kann im Umkehrschluss dazu führen, dass sich der betroffene Schüler noch weniger am Unterricht beteiligt.

Ich bin der Meinung: Noten an Schulen sollten abgeschafft werden. Es gibt bessere Möglichkeiten, den Schülern ein differenziertes Feedback zu geben. Und ohne Noten würde sicherlich nicht nur in meiner Klasse ein besseres Klima herrschen!