Lyon. Fast auf den Tag genau zwei Jahre ist es her, dass Jahrhundertkoch Paul Bocuse gestorben ist. Sein Restaurant bei Lyon ist für Feinschmecker eine Art Wallfahrtsort. Doch nun gibt es schlechte Nachrichten für den Gourmettempel.

"Außergewöhnliche Küche, eine Reise wert" - so umschreibt der Michelin-Gastronomieführer ein Toprestaurant mit drei Sternen. "L'Auberge du Pont de Collonges" des verstorbenen Küchenpapstes Paul Bocuse gehört nach mehr als einem halben Jahrhundert bald nicht mehr in die gastronomische Spitzenliga und wird ab der neuesten Ausgabe nur noch zwei Sterne haben.

Das Essen sei nach wie vor ausgezeichnet, hieß es am Freitag von Michelin. Aber nach Testessen der Inspektoren der Feinschmeckerbibel im vergangenen Jahr sei das Restaurant nicht mehr auf dem Niveau des dritten Sterns.

Bocuse starb vor rund zwei Jahren im Alter von 91 Jahren in seinem Stammhaus. Er galt als Inkarnation der französischen Küche. Der Gastronomieführer "Gault&Millau" nannte ihn "Koch des Jahrhunderts". Mitarbeiter redeten ihn ehrfürchtig mit "Monsieur Paul" an. Der legendäre Gourmettempel von Bocuse, der seit 1965 ununterbrochen das Drei-Sterne-Etikett trägt, ist ein Pilgerort für Gourmets aus aller Welt.

Für das Team des Traditionshauses ist das ein Schock. "Obwohl wir von dem Urteil der Inspektoren erschüttert sind, gibt es eine Sache, die wir hoffentlich nie verlieren werden, und das ist die Seele von Monsieur Paul", reagierte das Restaurant. "Paul Bocuse war ein Visionär, ein freier Mensch, eine Naturgewalt", hieß es weiter. Auch der Chefkoch der Élyséeküchen, Guillaume Gomez, reagierte: "Ich weiß, dass Sie weiterhin an der Spitze der Weltgastronomie glänzen werden, wie Sie es seit mehr als 55 Jahren tun."

Bocuse gehörte zu den Vertretern der "Nouvelle Cuisine", einer Bewegung damals junger Köche, die die französische Küche entstauben wollten. Einfache Zubereitung, frische Zutaten, Regionalität - das waren die Grundlinien. Und Bocuse war ein großer Showmaster, trug den Trikolore-Kragen und die hohe Kochmütze mit Stolz. Er war einer der ersten Köche, die den Mut hatten, aus der Küche zu kommen. Zum großen Restaurant gehörte für ihn das Zelebrieren von Essen und Trinken.

Der neue Restaurantführer Guide Michelin erscheint am 27. Januar. Der Fall ist tief: Noch in der aktuellen Ausgabe wird Bocuse als "Mythos" gefeiert und die "treue Elite-Brigade" des Gourmettempels in der Nähe von Lyon ausdrücklich hervorgehoben. In Deutschland führen aktuell zehn Restaurants drei Michelin-Sterne. Vor knapp zwei Wochen war eines von ihnen - die "Schwarzwaldstube" in Baiersbronn - komplett niedergebrannt.

Seit einem Chefwechsel weht beim "Guide rouge", wie die Feinschmeckerbibel des Reifenherstellers Michelin in Frankreich genannt wird, ein neuer Wind. Der neue Verantwortliche Gwendal Poullennec sagte einmal der Zeitung "Le Monde", die Sterne gehörten nicht den "Chefs", wie Spitzenköche in Frankreich genannt werden. Er verstehe die Emotionen des Teams, reagierte Poullennec nun. Doch zwei Sterne seien der aktuelle Wert des Hauses - zu diesem Ergebnis seien die Tester gekommen. "Michelin-Sterne werden nicht vererbt, man muss sie sich verdienen."

Poullennec und seine Tester machen vor Spitzenhäusern nicht halt. Schon vor einem Jahr entzogen sie drei französischen Spitzenrestaurants die Topnote von drei Sternen. Das ging nicht ohne Lärm ab. Denn unter den heruntergestuften Edellokalen war auch das "Maison des Bois" in der Alpenregion Savoyen. Der für seinen breitkrempigen schwarzen Hut bekannte "Bauern-Koch" Marc Veyrat will sich aber mit zwei Sternen nicht abfinden und schlug den - sehr ungewöhnlichen - Rechtsweg gegen die Gastronomiebibel ein.

In der ersten Instanz scheiterte Veyrat jedoch vor Gericht. Nach der Darstellung des Naturkochs waren die Michelin-Kritiker fälschlicherweise der Ansicht, dass in seinem Haus ein Soufflé mit englischem Cheddar-Käse zubereitet worden sei. Mit Spannung wird nun erwartet, wie der "Küchenrebell" aus den Bergen in der neuen Michelin-Ausgabe bewertet wird. Zur Herabstufung von Bocuses Top-Restaurant hat er eine deutliche Meinung: "Es ist, als würde man den Papst entthronen."