Regisseur Wim Wenders hat den ersten Kinofilm der Geschichte mit einem Papst gedreht. Franziskus beantwortete ihm insgesamt 55 Fragen.

Wim Wenders (72) ist etwas angeschlagen. Er hat gerade eine gewaltige PR-Tour in den USA hinter sich. Danach, gibt er zu, war er wirklich platt. Aber jetzt hat er sich etwas regeneriert. Und das große Interesse kam ja nicht überraschend. Mit „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“, der am heutigen Donnerstag in unsere Kinos kommt, hat Wenders den ersten Film der Kinogeschichte mit einem Papst gedreht. Dabei hat nicht Wenders den Papst überredet, es war eher anders herum.

Herr Wenders, wären Sie je von sich aus auf die Idee gekommen, einen Film über den Papst zu drehen?

Wim Wenders: Nee, das wäre mir im Leben nicht eingefallen. Und da bin ich nicht allein. Das würde, glaube ich, auch keinem meiner Kollegen einfallen. Päpste sind sozusagen „untouchable“.

Wie kam man auf Sie? Kennt Papst Franziskus Ihre Filme? Geht ein Papst überhaupt ins Kino?

Wenders: Klares Nein. Kino ist nicht sein Ding. Er hat übrigens auch unseren Film noch nicht gesehen. Und als wir uns kennenlernten, hat er mir auch gleich gestanden: „Herr Wenders, ich habe von Ihnen gehört, aber ich habe keinen Film von Ihnen gesehen.“ Ich weiß aus der Recherche, dass er angetan war von Filmen des italienischen Neorealismus. Aber die sind 50, 60 Jahre her. Danach hat er wohl keine Filme mehr gesehen.

Wie kam man dann auf Sie?

Wenders: Bei irgendjemandem mussten sie ja mal anfangen. Da gab es ganz sicher eine Shortlist. Vielleicht stand Martin Scorsese gleich an zweiter Stelle, der ist ja katholisch. Ich habe aber nicht nachgefragt. Ich habe nur gesagt: „Sie wissen schon, dass ich aus der katholischen Kirche ausgetreten bin?“ Das war Dario Viganò, dem Präfekten des Sekretariats für Kommunikation, bewusst, aber das hat ihn nicht tangiert. Es ging ihm um einen Film, der einen unabhängigen Blick auf den Papst hat. Es war ihm auch klar, dass ich eher immersiv an die Sachen rangehe und nicht einen investigativen Blick habe wie, sagen wir, ein Michael Moore. Aber wer weiß: Vielleicht stand der ja auch auf der Liste. (lacht)

Hat man bei einem solchen Unterfangen Angst, zum verlängerten PR-Arm des Vatikan werden zu können?

Wenders: Mit dieser Anfrage war keine „Auftragsproduktion“ verbunden. Hätte der Vatikan das selbst finanzieren wollen, hätte ich nicht zur Verfügung gestanden. Der Film wurde unabhängig produziert. Es war von Anfang an klar: Er ist nur dann glaubhaft, wenn ich ihn als Regisseur voll vertreten kann. Es gab keinen Grund, das nicht zu machen. Vor allem, weil ich der Letzte bin, der nicht gern was zuerst macht.

Wenn man so einem „Untouchable“ gegenübertritt, ist man da aufgeregt? Oder hat man als Regisseur da eine gewisse Routine?

Wenders: Eine Routine kann es da schlecht geben. Das einzig Vergleichbare war vielleicht, als ich mit Michail Gorbatschow drehte. Das war aber nur ein Drehtag, für „In weiter Ferne, so nah!“. Und der war eigentlich Schauspieler seiner selbst. Beim Papst war aber klar, der würde nie „Schauspieler“ sein. Den würden wir nie schminken, dem würden wir auch kein Mikro anstecken. Insofern war er nach wie vor unantastbar. Dafür stand er aber länger zur Verfügung. Weil ich ihn vor dem ersten Dreh nicht einmal getroffen habe, war ich entsprechend nervös.

Und dann war es soweit und Sie saßen sich auf einmal Aug in Aug gegenüber?

Wenders: Nicht unmittelbar. Das war auch seine erste Frage, als er nur seinen Stuhl und einen Monitor davor sah: „Und wo sitzen Sie?“ Ich habe ihm dann meinen Arbeitsplatz gezeigt, vor genau so einem Monitor. So sahen wir uns beide in die Augen, nur eben indirekt, mit der Technik dazwischen. Das hat er dann auch sofort verstanden. Das hat mir erlaubt, dass ich ebendieses privilegierte „Auge in Auge“ mit allen Zuschauern teile. Er hat dann tatsächlich niemand anderen gesehen als mich. Wir waren allein, nur eben über den Umweg der Technik.

Wie oft haben Sie ihn getroffen?

Wenders: Viermal, immer so für zwei Stunden. Eigentlich waren nur drei Treffen ausgemacht, aber im Schneideraum habe ich gemerkt, dass uns noch zwei, drei Sachen fehlten. Aber den vierten und letzten Termin zu finden, war dann nicht mehr so einfach. Sein Terminkalender war rappelvoll, es standen Reisen an und wir mussten eine ganze Weile warten. Insgesamt haben wir schließlich acht Stunden gedreht und uns durch 55 Fragen durchgearbeitet.

Wie ist der Papst denn eigentlich persönlich? Kommt man jemandem wie ihm überhaupt nah?

Wenders: Wir haben spanisch miteinander gesprochen. Es war wichtig, dass er in seiner Muttersprache antworten konnte. Das hat unseren Kontakt auf jeden Fall persönlicher gemacht. Und weil er mir bei seinen Antworten tatsächlich in die Augen geschaut hat. Er war mir am Ende schon sehr vertraut, auch wegen seiner großen Herzlichkeit. Wenn man jemanden acht Stunden anschaut, sieht man jede Regung, auch ein Zögern, den Mut und die Ehrlichkeit, die eine Antwort manchmal braucht.

Trotz der Zusage zum Final Cut: Gab es irgendeine Form der Zensur seitens des Vatikan? Wollten die das Ganze in irgendeiner Form lenken? Gab es Szenen, die geschnitten werden mussten? Oder Fragen, die gar nicht erst gestellt werden durften?

Wenders: Nichts davon. Ich habe all meine Fragen gestellt, und Papst Franziskus hat alle beantwortet. Ich hatte im Vatikan praktisch nur einen Kontakt, eben Dario Viganò. Den habe ich auf dem Laufenden gehalten und ihm auch die erste Schnittfassung gezeigt, da war der Film vier Stunden lang. Da gab es nur einen Kommentar: Das wird aber hoffentlich nicht so lang! (lacht) Aber es gab keine Stelle, wo er irgendwie eingeschritten wäre. Es gibt eine Szene mit der Kurie, da hatte ich schon befürchtet, es würde die Bitte kommen, das zu kürzen oder wegzulassen. Kam aber nicht. Er hat sich an sein Versprechen gehalten.

Letzte Frage, auch wenn man die kaum in wenigen Sätzen beantworten kann: Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?

Wenders: Dann gebe ich jetzt die kürzeste Antwort: Ja.