Berlin. Wer nicht widerspricht, wird Spender – so will es Jens Spahn bei der Organspende. Eine gute Idee? Dieser Frage ging Anne Will nach.

Deutschland hat ein Problem bei den Organspenden. Im vergangenen Jahr standen rund 17.000 Menschen auf der Warteliste – zu einer Spende waren aber nur 800 bereit. Der niedrigste Stand seit 20 Jahren hat den Gesundheitsminister zu einem Vorstoß veranlasst: Geht es nach Jens Spahn, soll künftig jeder Spender sein, der vor seinem Ableben nicht explizit widersprochen hat.

Die so angestoßene Debatte beschäftigte am Sonntagabend auch Anne Will. „Ist das eine gute Regelung?“, fragte die Gastgeberin in die Runde.

Die Befürworter

Dabei bildeten sich schnell zwei Lager. Auf der einen Seite die Befürworter, vertreten durch Eckart von Hirschhausen und Karl Lauterbach. Beide argumentierten, dass viele Menschen dem Organspenden positiv aufgeschlossen seien, dies am Ende aber nie explizit festlegen würden. Dagegen könne eine Verpflichtung helfen. „Das Risiko, ein Organ zu brauchen, ist viermal höher, als dass man selbst zum Spender wird“, sagte der Arzt und Kabarettist von Hirschhausen.

ARD-Talkerin Anne Will.
ARD-Talkerin Anne Will. © NDR | Wolfgang Borrs

Lauterbach, bei der SPD für Gesundheitspolitik zuständig und ebenfalls Arzt, verwies auf zahlreiche andere Länder, in denen auf Grundlage der Regelung viel mehr gespendet wird. „Wir erwarten, dass wir ein Organ kriegen, wenn wir eins brauchen.“ Dann solle man doch auch bereit sein, sich einmalig mit der Frage zu beschäftigen und dann eine Entscheidung zu treffen.

Die Gegner

Gegen eine solche Pflicht sprach sich Wolfgang Huber aus. „Man darf die Last dieser Entscheidung nicht einfach bei den Menschen abladen“, sagte der Theologe, der selbst einen Organspendeausweis besitzt. Das Problem sei nicht eine mangelnde Spendebereitschaft, sondern vielmehr die durch Skandale in der Vergangenheit ausgelöste Vertrauenskrise in dem Bereich.

Die Gesundheitssoziologin Alexandra Manzei verwies zudem darauf, dass nicht jeder Tote in Frage kommt – sondern nur jene, bei denen das Hirn vor dem Herz aufhört zu funktionieren. „Es gibt einen Unterschied zwischen Leichen und Hirntoten“, sagte Manzei. Schätzungen zufolge gebe es in Deutschland etwa 3000 bis 4000 Hirntote pro Jahr, was nicht ausreichen würde, um den Bedarf zu decken.

Die Betroffenen

Gut war, dass abseits dieses Schlagabtauschs auch die Betroffenen zu Wort kamen. Da war etwa der frühere Profifußballer Ivan Klasnic (u.a. Werder Bremen), der von seiner Erfahrung mit einer gespendeten Niere berichtete. „Die junge Dame, von der ich die Niere erhalten habe, hat fünf Menschen das Leben gerettet“, erzählte Klasnic. „Ich bin dankbar, dass sie das getan hat und ich ein normales Leben führen kann.“ Es sei wichtig, dass man sich mit dem Thema beschäftigte – auch wenn man Angst habe, weil es letztlich um den Tod gehe.

Anita Wolf berichtete, wie sie nach dem Tod ihres Mannes dessen Organe freigab. „Ich dachte, es sei in seinem Sinne“, sagte sie. Dennoch stellte sich Wolf gegen eine automatische Zustimmung. Das löse das Dilemma der Angehörigen auch nicht. Besser sei es, stärker aufzuklären. Und den Fokus richtig zu setzen: „Die Spender werden total vergessen. Die Ärzte sind die Kings, wenn eine Transplantation gelingt.“

So kann eine Organspende Leben retten

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    Dabei könnte hier ein großer Teil des Problems zu finden sein, wie ein Schlagabtausch zwischen Manzei und Lauterbach zeigte.„Ich bezweifle, dass Hirntote nichts mehr mitbekommen. Das sind sterbende Menschen“, sagte die Gesundheitssoziologin. „Sobald die Maschinen aus sind, stirbt man“, erklärte dagegen Lauterbach. „Für Ärzte ist man dann tot.“

    Das klang definitiv – als Zuschauer hätte man sich aber doch viel mehr Raum für diese und ähnliche Fragen gewünscht.

    • Hier geht es zur Sendung „Anne Will“ in der ARD-Mediathek