Essen. Cornelia Gröschel feiert im neuen „Tatort“ aus Dresden ihren Dienstantritt. Und das gleich mal mit einem überragenden Thriller.

Nach Etikette steht Kommissariatsleiter Schnabel (Martin Brambach) nicht der Sinn. Als er am Tatort ankommt, wird er bereits von Oberkommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und der neuen Kollegin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) erwartet. „Gorniak!“, knurrt er, und: „Winkler!“, dazu ein angedeutetes Kopfnicken, das war’s mit der wechselseitigen Vorstellung. Ab an die Ermittlung.

Oberkommissarin Leonie Winkler, die im Dresden- Fall „Das Nest“ erstmals Gorniaks bisherige Partnerin Henni Sieland (Alwara Höfels) ersetzt, wird ins kalte Wasser geworfen. In einem abgelegenen Haus hat ein Täter seine Opfer grausam ermordet und konserviert.

Mit den menschlichen Puppen hat er dann Familien-Szenen arrangiert; eine nicht präparierte Leiche deutet darauf hin, dass der Mörder seine Arbeit nur unterbrochen hat und zurückkehren wird.

„Tatort“: Schon bald muss die Neue alleine ermitteln

Doch der Plan, eine Falle zu stellen, misslingt. Winkler ist im entscheidenden Moment wie gelähmt, schießt nicht. Gorniak wird vom flüchtigen Täter lebensgefährlich verletzt, und als sie endlich aus der Klinik entlassen wird, ist sie traumatisiert.

Peter Michael Schnabel (Martin Brambach), Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) entdecken das „Nest“ mit den präperierten Leichen.
Peter Michael Schnabel (Martin Brambach), Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) entdecken das „Nest“ mit den präperierten Leichen. © dpa | Daniela Incoronato

Die von Schuldgefühlen geplagte Leonie Winkler, deren Ermittlungen bisher ergebnislos geblieben sind, versucht, ihre Kollegin zu reaktivieren. Schließlich kann der Kreis der Verdächtigen auf einen Arzt (Benjamin Sadler) und einen Pfleger (Wolfgang Menardi) begrenzt werden, die beide am gleichen Krankenhaus arbeiten.

„Tatort“ ist so packend, dass man den Wechsel kaum merkt

Üblicherweise bringt jeder Besetzungswechsel einer Serien-Hauptrolle eine neue Farbe, eine andere Tonart mit sich. Der von der ersten Sekunde an packende Dresden-Krimi gibt dem Zuschauer indes weder Zeit noch Anlass, über solche Veränderungen nachzudenken.

Weil Drehbuchautor Erol Yesilkaya die neue Kommissarin, die zudem kein überladenes Schreibtisch-Konstrukt ist, nicht eigens einführt. Ihre Eigenarten, Qualitäten und Selbstzweifel scheinen erst im Laufe der Ermittlungen auf, der Charakter wächst gleichsam mit der Geschichte. Selbst kleine Macken wirken natürlich. Regisseur Alex Eslam nutzt das grandios.

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Dresdner „Tatort“ ist oft nah an Hitchcock

Ohnehin ist „Das Nest“ kein gewöhnlicher Sonntagskrimi, sondern ein rasanter Thriller der Extraklasse, der selbst in ruhigen Momenten kaum Zeit zum Durchatmen lässt. Die Atmosphäre wird immer dichter, immer beklemmender – auch dann, wenn irgendwann kein Zweifel mehr an der Identität des Täters besteht, wenn also normalerweise „die Luft raus ist“.

Gerade dann erreicht die fiebrige Spannung, wie bei Hitchcock, einen neuen Siedepunkt, und dass sich der Zuschauer zudem an Thomas Harris’ Serienmörder Hannibal Lecter erinnert fühlt, ist gewiss kein Zufall.

Fazit: Ein überragender Thriller, großartig gespielt und in vielen Momenten ganz nah an Alfred Hitchcock.

• ARD, Sonntag, 28. April, 20.15 Uhr

(Wolfgang Platzeck)