Braunschweig. Künstler Daniel Kuge zeigt in seiner Braunschweiger Ausstellung Kunst, die auf eine verborgene Bedeutung verweist. Das erwartet Gäste.

Ein Platte, strukturiert durch geometrisch angeordnete Erhebungen auf einer geriffelten Oberfläche. Sie ist homogen schwarz, nicht bedruckt oder bepinselt, sondern gefräst. Gedeutet werden kann das, was man sieht, als Grundriss, oder als Bedienelement eines Raumschiffs, oder eine in Stein gehauene Schatzkarte. Oder?

Daniel Kuge lächelt sanft und verschmitzt, wenn es um die Bedeutung seiner Kunst geht. Der HBK-Meisterschüler-Absolvent hat im Kunsthaus BBK neben dem botanischen Garten eine kryptische Ausstellung mit kryptischen Werken aufgebaut, die entschlüsselt werden wollen. Hilfe bekommt man vom Künstler kaum bis gar nicht. Und so ist es gewollt. Kuge gibt seinem Publikum lediglich Chiffren an die Hand, um seine Werke zu verstehen: „Den Schlüssel dazu gebe ich aber nicht mit.“

Künstler Daniel Kuge arbeitet für seine Braunschweiger Ausstellung mit Bildarchiv

Chiffren sind nicht nur der Titel der Ausstellung, „E-MM-BS24“, sondern auch die Titel der Werke selbst. „Klare Titel würden eine Leserichtung vorgeben“, sagt Kuge. Die schwarze Platte heißt „MTM1-L2SU2B-20“. Klingt rätselhaft, aber gleichzeitig auch nach einem Ordnungssystem, in dem das jeweilige Objekt einen Platz und eine präzise Definition hat. Wie eine Seriennummer oder Archivsignatur.

Daniel Kuge gibt im Gespräch einen ersten Hinweis auf die Entstehung und Bedeutung seiner Kunst. „Ich arbeite mit einem Bildarchiv, in dem ich über die letzten 15 Jahre mittlerweile an die 20.000 Fotos gesammelt habe“, sagt er. Die hat der Künstler nach Kategorien sortiert, zum Beispiel: Architektur, Archäologie, Industrie. Was alle gemeinsam haben, ist, dass sie Spuren des menschlichen Wirkens auf dem Planeten zeigen. Das ist der zweite Hinweis.

Dieses Werk trägt den Titel „MTM3-L2T02G-19“.
Dieses Werk trägt den Titel „MTM3-L2T02G-19“. © regios24 | Darius Simka

Die Anregung für ein Werk holt sich Kuge aus seinem Archiv: Mal fasziniert ihn eine Ästhetik, wie die von Aufnahmen von Mikrostrukturen durch ein Rasterelektronenmikroskop. Oder der Anblick von menschengemachten Strukturen in menschenleeren Landschaften. „Aber meine Werke haben niemals nur die eine Bedeutung“, sagt Kuge. Davon ausgehend verfolgt er eine Assoziationskette, die immer neue Ideen in den Prozess wirft.

Kunstwerke im Kunsthaus BBK erinnern an Planzeichnungen oder Piktogramme

Klingt etwas willkürlich. Und wirkt am Ende vielleicht beliebig, weil alles alles bedeuten könnte? „Die Gefahr besteht“, sagt der Künstler, und überlegt. Da springt ihm Julia Traut vom Kunsthaus BBK zur Seite. „Für mich haben die Werke etwas Klares, Abgeschlossenes“, sagt sie, „sie sind konsequent zu Ende gedacht und in sich geschlossen.“ Damit seien sie zwar offen in dem, was der Betrachtende assoziiert, der dabei auf das eigene Bildarchiv im Kopf zurück greift. Aber nicht beliebig, weil sie den Abschluss des Gedankengangs des Künstlers festhalten. Jede Linie habe für ihn ihren Sinn, auch wenn er sich dem Betrachtenden nicht erschließe.

Und so wirken die Ansichten, die Daniel Kuge im Kunsthaus zeigt, nüchtern, präzise, zum Teil minimalistisch. Hier gibt es nichts Verschnörkeltes, keine Schönheit um der Schönheit willen. Gerade Linien, geometrische Formen, symmetrische Strukturen. Die Bilder erinnern an Grundrisse, an technische Zeichnungen, an Piktogramme; die Videoinstallation „VAN0-G3MS1-23“ untersucht in Rasteroptik zum sonoren Wummern aus dem Lautsprecher verschiedene Objekte in Rasteroptik, die mal an kartografierte Landschaften, mal an Planzeichnungen von Kasernenareale erinnern.

In der Videoinstallation „VAN0-G3MS1-23“ werden Objekte in Rasteroptik untersucht, die zum Teil an kartografierte Landschaften erinnern.
In der Videoinstallation „VAN0-G3MS1-23“ werden Objekte in Rasteroptik untersucht, die zum Teil an kartografierte Landschaften erinnern. © regios24 | Darius Simka

Eine Idee, die ihn fasziniert, ist die Vorstellung, was Nachfolgegenerationen in einer tausende Jahre entfernten Zukunft von den Relikten aus unserer Zeit denken könnten. Wie würde man interpretieren, was wir alltäglich nutzen, wenn man nicht über das Wissen „aus der westlich-industrialisierten Welt“ verfügt? Ein bisschen sei das, als wenn man wie ein Kind auf die Dinge schaue, überlegt Daniel Kuge. Unmittelbar, ohne den Kontext zu kennen, überall Sinn suchend und vermutend.

Das bringt ihn auf eine Anekdote, die gut zum Objekt „BMV3-G3TR10-19“ passt, das im Dachgeschoss des Hauses ruht. „Das Haus meiner Eltern befand sich direkt neben einem Nato-Stützpunkt“, erzählt er, „und im angrenzenden Wald waren Elemente einer Panzer-Pontonbrücke aufgestapelt.“ Zusammen ragte dieser merkwürdige Turm über die Kronen der umgebenden Bäume hinweg: Ein menschliches Denkmal mitten in der Natur. „Das hat mich fasziniert“, sagt Kuge. Mit dieser Geschichte im Hinterkopf könnte „BMV3-G3TR10-19“ ebenfalls als militärisches Objekt gelesen werden. Ein Quader mit zum Teil abgerundeten Ecken, symmetrischen Rillen und einer glatten Oberfläche in unscheinbarem Grau. Könnte aber auch ein technisches Gerät sein. Der Speicher einer Solaranlage vielleicht? Wieder dieses verschmitzte Lächeln.

Bis 7. April, Kunsthaus BBK, Humboldtstraße 34. Infos: www.kunsthausbbk.de