Berlin. Die ehemalige Moderatorin hat mehr als 20 Bestseller geschrieben. Nun erscheint ihr neuer Roman. Ein Gespräch über Familie und Beruf.

Unternehmerin Claudia steht kurz vor der Erfüllung ihres Traums: Sie möchte Bürgermeisterin ihrer Heimatstadt werden. Doch plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Tochter Anouk hat sich radikalen Umweltaktivisten angeschlossen und landet im Gefängnis. Ein gefundenes Fressen für die Medien und Claudias politische Gegner. Zudem hintertreiben ihr Mann und ihre Mutter, die heimliche „Bössin“ der Firma, ihre Kandidatur. Der am Mittwoch erscheinende neue Roman „Der längste Sommer ihres Lebens“ (Heyne Verlag, 432 Seiten, 22 Euro) von Bestseller-Autorin Amelie Fried erzählt klug die packende Geschichte dreier Frauen. Im Gespräch verrät die einstige TV-Moderatorin, warum sie nicht mehr fürs Fernsehen arbeitet und weshalb sie am liebsten über Familien schreibt.

Frau Fried, Sie gehen in Ihrem neuen Roman mitten hinein in den aktuellen Diskurs um die Aktivisten der Letzten Generation, wobei Ihre Protagonisten das ganze Spektrum der gesellschaftlichen Meinungen abbilden. Ein Thema, das Ihnen unter den Nägeln brennt?

Amelie Fried: Ich habe mit einer Ambivalenz darauf geguckt, wie wahrscheinlich viele von uns. Ich kann das Anliegen nachvollziehen und teile es, habe aber auch gemerkt, dass die Aktionsformen auf viel Widerstand in der Bevölkerung treffen. Ich habe eine 29-jährige Tochter und einen 32-jährigen Sohn. Daher fiel es mir nicht schwer, mir vorzustellen, wie es wäre, wenn sich eines meiner Kinder da auf eine Weise radikalisieren würde, die dazu führt, dass möglicherweise die eigene Zukunft oder Gesundheit gefährdet würde. Ich glaube, dass alle vernünftigen Eltern ihre Kinder auf eine Weise erziehen möchte, die sagt: Übernimm Verantwortung, engagiere dich, kämpfe für deine Überzeugung. Aber wenn die Kinder das dann wörtlich nehmen, kann daraus für die Eltern ein großer Konflikt entstehen. Das war der Ausgangspunkt für das Buch.

Amelie Fried: Der längste Sommer ihres Lebens. Heyne Verlag, 432 Seiten, 22 Euro. 
Amelie Fried: Der längste Sommer ihres Lebens. Heyne Verlag, 432 Seiten, 22 Euro.  © Verlag | Verlag

Sie erzählen eine Familiengeschichte, in deren Mittelpunkt drei Generationen von Frauen stehen. Sie alle beginnen einen neuen Lebensabschnitt, setzen neue Prioritäten, je nach Alter. Welche Prioritäten haben Sie beim Älterwerden gesetzt?

Da ich als Freiberuflerin einen Beruf ausübe, den ich wirklich sehr liebe, komme ich nicht in die Situation zu sagen: „Super, nächstes Jahr gehe ich in Rente und mache dann endlich, was ich immer schon machen wollte.“ Ich mache ja das, was ich immer schon wollte. Insofern ist es für mich überhaupt keine Option, mit dem Schreiben und den Workshops im kreativen Schreiben aufzuhören, die ich mit meinem Mann zusammen seit fünf Jahren gebe und die immer erfolgreicher werden. Natürlich gibt es noch die üblichen Dinge wie ein paar Reisen. Wobei sich da die Überlegung stellt, ob man wirklich noch um die halbe Welt fliegen muss oder ob es nicht vielleicht reicht, wenn man in Europa unterwegs ist. Aber das thematisiere ich nicht permanent. Es gibt für mich nicht den Punkt, an dem ich sage: Ab jetzt bin ich alt, ich muss mich anders verhalten. Diese Überlegung kenne ich nicht.

Familien und ihre ganz eigenen Konflikte und Dynamiken sind immer wieder Gegenstand Ihrer Bücher. Was fesselt Sie so daran?

Ich finde, die Familie ist ein unglaublich interessanter Organismus. Sozusagen die kleine Keimzelle, die unsere Gesellschaft repräsentiert. Gerade in diesem Buch bilden die Figuren unterschiedliche Strömungen in der gesellschaftlichen Debatte ab. In der Familie passiert alles Gute und alles Schlechte. Es ist der Beginn von allem, von Persönlichkeitsentwicklung, von Reifung, von Loslösung und Emanzipation. Das ist für mich einfach das interessanteste Biotop, über das man beschreiben kann.

Trotz komplexer Thematiken sind Ihre Romane nie verkopft, sondern sehr unterhaltsam geschrieben. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Weil sie dann mehr Menschen lesen. Jeder lässt sich gern gut unterhalten und liest gern eine gute, spannende Geschichte. Auch ich. Das optimale Lese-Erlebnis für mich ist, wenn man, ohne es zu merken, interessante Dinge erfährt oder Überlegungen in Gang gebracht werden. Was ich als Leserin überhaupt nicht mag, sind Botschaften, die mir auf dem Silbertablett serviert werden. Also wenn ich die Programmatik hinter einem Buch zu stark spüre.

Zielgruppe Ihrer Bücher sind vor allem Frauen. Bekommen Sie auch mal von männlichen Lesern ein Feedback?

Es sind in der Tat deutlich weniger als von Frauen, weil Männer insgesamt weniger Belletristik lesen. Aber wenn ich männliche Rückmeldungen kriege, sind die zum Teil rührend und sympathisch. Ein ganz alter Herr war zum Beispiel mal mit seiner Frau bei einer meiner Lesungen. Er kam hinterher zum Signieren, für sich und nicht für seine Frau, und sagte: „Wissen Sie, Frau Fried, ich habe nirgendwo mehr über Frauen gelernt als bei der Lektüre Ihrer Bücher.“ Das fand ich hinreißend.

Sie haben über 20 Bestseller geschrieben. Wie das geht, geben Sie weiter, indem Sie mit Ihrem Mann kreatives Schreiben unterrichten. Das kennt man eher aus angloamerikanischen Ländern, wo es Bestseller-Autoren wie Elizabeth George gibt, die unterrichten. Warum haben Sie sich dafür entschieden?

Es war Zufall. Eine Freundin von uns wollte unbedingt einen Kurs in kreativem Schreiben bei uns machen und hat uns zwei Jahre lang damit gelöchert. Bis wir gesagt haben, sie soll es für uns organisieren. Wenn sie es schafft, macht sie mit. Das war der Deal. Und es war 2018 auf Formentera gleich so ein unglaublicher Erfolg. Daraus sind eine Reihe von Kursen entstanden. Einmal im Jahr auf Formentera, aber auch an anderen Locations wie Mallorca, Südfrankreich oder dem Literaturhaus München, das uns angesprochen hat. Die Nachfrage nach den Schreib-Workshops wird immer größer. Daher wollen wir sie in den kommenden Jahren verstärkt anbieten.

Hat sich Ihr eigenes Schreiben durch die Beschäftigung damit verändert?

Ja. Ich habe offenbar all die Jahre vorher sehr intuitiv geschrieben und mir darüber nicht viele Gedanken gemacht. Mit dem Beginn der Schreibworkshops habe ich mich dann intensiv mit der Theorie des Erzählens beschäftigt und hatte erstmal eine richtige Schreibblockade. Die Leichtigkeit und das Intuitive waren plötzlich weg. Ich habe bei jedem Satz gehadert und überlegt. Wenn ich die Theorie jetzt mitdenke, ist es mittlerweile bereichernd für mein Schreiben, weil ich mir noch mehr Gedanken mache über Konstruktionen, Wendungen, Figuren und Erzählperspektiven. Also die Theorie, die wir lehren, auf meine eigenen Bücher anwende. Dadurch gab es qualitativ noch mal einen Sprung nach vorn.

Sie wollten schon als Kind Schriftstellerin werden. Gab es dafür eine Initialzündung?

Als ich elf war, bekam ich das Kinderbuch „Harriett - Spionage aller Art“ von Louise Fitzhugh. Harriett will Schriftstellerin werden und führt daher ein Tagebuch, in dem sie ihre Beobachtungen sehr scharfsinnig, kritisch und witzig niederschreibt. Als sie das Tagebuch verliert, finden es ihre Klassenkameraden, was Folgen hat. Keine guten, weil die wenigsten Leute erfreut sind, wenn sie die Wahrheit über sich lesen. Aber das fand ich wahnsinnig spannend und habe angefangen, Tagebuch zu schreiben. Und den Entschluss gefasst, Schriftstellerin zu werden. Dafür habe ich noch ein paar Umwege gebraucht. Meine Ausbildung an der Filmhochschule und meine Tätigkeit beim Fernsehen haben mich zunächst nicht dorthin geführt. Aber mit Mitte Dreißig, als meine Kinder kamen, habe ich dann angefangen zu schreiben.

Fernsehzeiten: Amelie Fried und Giovanni di Lorenzo als 3 nach 9-Moderatoren, 1999.
Fernsehzeiten: Amelie Fried und Giovanni di Lorenzo als 3 nach 9-Moderatoren, 1999. © picture-alliance / dpa | Wolfgang Langenstrassen

Bekannt wurden Sie ja als Journalistin und Moderatorin im Fernsehen. Warum sieht man Sie dort nicht mehr?

Ich habe eine Altersgrenze überschritten, über der man im deutschen Fernsehen in der Regel keine Frauen mehr sieht. Das wusste ich aber immer. Deshalb habe ich meine Fernsehtätigkeit auch eher als Nebenjob betrachtet und meine Schreibtätigkeit als Hauptberuf. Irgendwann kam dann der Punkt, an dem ich nichts Vernünftiges mehr angeboten bekommen habe. Da habe ich gesagt: Ich streiche dieses Kapitel für mich, konzentriere mich auf meine Autorentätigkeit, auf die Schreibworkshops. Ich bin heute frei in meiner Tätigkeit, kann mich bewegen, reisen, von woanders aus arbeiten. Ich hätte heute auch keine Lust mehr, fürs Fernsehen zu arbeiten. Ich habe gespürt, dass es an einem bestimmten Punkt für mich ausgereizt war. Und das ist wirklich in Ordnung.