Wolfsburg. Er dürfte wohl der erste seiner Art sein, der in einem Museum ausgestellt wird, schätzt Hans Jürgen Wiegleb. Was seine Werke ausmacht.

Filigrane Kleinode aus Gold sind Hans Jürgen Wieglebs Leidenschaft. Vor mehr als 50 Jahren hat er dafür seinen Meisterbrief erhalten, 36 Jahre lang führte er ein Geschäft in der Poststraße in Wolfsburg. Vor sieben Jahren schloss er dessen Türen zum letzten Mal, aber: Ans Aufhören denkt der Goldschmied noch lange nicht. Und jetzt stellt er einige seiner Werke in einer neuen Ausstellung im Raum für Freunde im Kunstverein im Schloss Wolfsburg aus, der sich der Präsentation von Kunst aus der Stadt verschrieben hat.

„Wahrscheinlich bin ich der erste Goldschmied überhaupt, der in einem Kunstverein ausstellt“, sagt Wiegleb nicht ohne Stolz. Er muss es wissen, schließlich war er nicht nur jahrzehntelang in seinem Beruf aktiv, sondern zeitweise auch Präsident, heute Ehrenpräsident, des Zentralverbandes der Deutschen Goldschmiede und Silberschmiede.

Wolfsburger Goldschmied: Gold ist Liebe, Gold ist Verbrechen

Für Wiegleb ist Gold einer der wichtigsten Antriebsfaktoren in der Menschheitsgeschichte. „Ohne Gold wäre Kolumbus nicht nach Amerika gesegelt, ohne Gold wäre die Wissenschaft heute eine andere. Gold ist Liebe, Gold ist Verbrechen“, sagt Wiegleb. Er spricht von Alchemisten, die in ersten wissenschaftlichen Forschungen versuchten, Gold herzustellen. Justin Hoffmann, Direktor des Kunstvereins und Kurator der Schau, ruft die dunkle Seite des Goldes in Erinnerung. „Ganze Ethnien wurden für die Goldförderung ausgerottet.“

Ein problematischer Stoff also: Die Ausstellung konzentriert sich aber weitgehend auf die schöne Seite des Goldes. Zu sehen sind fein ausgearbeitete Schmuckstücke, teilweise mit Diamanten und Edelsteinen verziert. In Vitrinen finden Gäste der Ausstellung ein vierrädriges Gefährt mit grüner Mineralfüllung, einen goldenen Sportler, der an einer Kette einem Ball hinterherläuft, oder auch drei Figuren mit Diamantköpfen und in Gold- und Edelsteinmänteln. Auch Ideenskizzen sind zu sehen und Fotografien von Stücken.

Hans Jürgen Wiegleb hat Europäischen Verdienstorden entworfen

Ein besonderes Stück ist für Wiegleb der Europäische Verdienstorden. Den hat er sich mal ausgedacht, umgesetzt und nach Brüssel geschickt. Ob man die Ehrung für besondere Verdienste für die Europäische Union nicht einführen wolle? „Ein Fernsehteam hat damals darüber berichtet, aber nicht ganz ernst“, erinnert sich der Goldschmied. Dafür habe es ein höfliches Dankesschreiben aus dem EU-Rat gegeben. Eingeführt wurde der Orden aber trotzdem nicht, deshalb ruht er jetzt im Kunstverein und setzt damit auch ein politisches Zeichen, das Wiegleb wichtig ist.

Warum überhaupt Gold? Was fasziniert die Menschen im Allgemeinen und den Wolfsburger Goldschmied im Besonderen an dem glänzenden Metall – von der Optik mal abgesehen? „Gold ist sehr schwer, man spürt schon beim Anfassen, dass es etwas besonderes ist“, sagt Wiegleb. Außerdem laufe es nicht an, sei schön weich und anschmiegsam, gut schmelzbar – und jederzeit recycelbar. „Gold wird uns auf diesem Planeten überdauern“, sagt der Schmied.

Kunstverein-Direktor: Haben Grenzen der Kunst immer gern ausgetestet

Wenn es stimmt, was Wiegleb laut überlegt, nämlich, dass er wohl der erste Goldschmied ist, der in einem Kunstverein ausstellt, eröffnet sich die Frage: Warum also nun er? Die Antwort liegt wohl irgendwo in der Definition von Kunst, Handwerk, und Kunsthandwerk. „Im Raum für Freunde haben wir die Grenzen der Kunst schon immer gern ausgetestet“, sagt dazu Justin Hoffmann.

Ein vierrädriges Gefährt mit grüner Mineralfüllung gehört zu den Ausstellungsstücken von Hans Jürgen Wiegleb im Raum für Freunde.
Ein vierrädriges Gefährt mit grüner Mineralfüllung gehört zu den Ausstellungsstücken von Hans Jürgen Wiegleb im Raum für Freunde. © regios24 | Darius Simka

Für ihn ist aber eben auch die gesellschaftliche Bedeutung von Gold wichtig; als Material, um das Blut geflossen ist, als Material, an dem Hoffnungen hingen und zerbrachen, als Material, mit dem ausgezeichnet wird, was Menschen wichtig ist. Freundschaft, Liebe. Aber Gold ist auch ein Statussymbol, das etwas über Stand und Finanzstärke seines Trägers, seiner Trägerin aussagt.

Goldschmied aus Wolfsburg: Kunsthandwerk stirbt nicht aus – im Gegenteil

Die Grenzen zwischen Handwerk und Kunst verschwimmen aber nicht nur in der Bedeutungsdimension, sondern auch da, wo Schmuckstücke zu Unikaten werden, die nur um ihrer Selbst willen geschaffen wurden. „Als Goldschmied macht man den Schmuck für sich selbst, leider muss man ihn manchmal aber auch verkaufen“, sagt Wiegleb irgendwo zwischen Ernsthaftigkeit und Humor. Er will seinen Werken jedenfalls auch eine Aussage verleihen. Der Sportler an der Kette, der einem Ball hinterher rennt, soll etwa für die ziel- und sinnlose Ausbeutung des eigenen Körpers stehen.

Die Goldschmiedekunst ist im Übrigen keine aussterbende Gattung in Deutschland, im Gegenteil. Um die 5600 Goldschmiedinnen und -schmiede dürfte es in Deutschland geben, schätzt Wiegleb, 1600 mehr als noch vor zehn Jahren. „Die Zahl ist steigend, vor allem Frauen interessieren sich für den Beruf.“ Das liege vielleicht auch an seiner Unveränderlichkeit in einer sich ständig bewegenden Welt. „Der Mensch verarbeitet Gold schon 6000 Jahre lang“, sagt Wiegleb, „und heute machen wir auch nicht viel anders als die Schmiede zu ägyptischen Zeiten.“

Die Ausstellung „Aurum“ mit Werken von Hans Jürgen Wiegleb ist bis zum 5. Mai im Raum für Freunde im Kunstverein im Schloss Wolfsburg zu sehen.