Berlin. Was kann die Politik tun, um Ausschreitungen wie an Silvester zu verhindern? Diese Frage spaltete die Talkgäste bei „Markus Lanz“.

Über die Randale, die an Silvester mehrere deutsche Städte erschütterten, dürfe man nicht überrascht sein. Das erklärte CDU-Chef Friedrich Merz am Dienstag bei „Markus Lanz“. Denn wer „rechtsfreie Räume das Jahr über ignoriert“, solle sich nicht wundern, wenn es an Tagen wie dem 1. Mai oder Silvester zu derartigen Unruhen käme.

Bei den Ausschreitungen am 31. Dezember wurden Polizisten, Rettungskräfte, aber auch Passanten attackiert und verletzt. 38 Personen wurden festgenommen, zwei Drittel davon sind laut Polizei Deutsche. Zuvor hatten die bekannten Zahlen von rund 150 festgenommenen Personen in Berlin, darunter knapp 50 Menschen mit syrischer oder afghanischer Staatsangehörigkeit, eine erneute Debatte über die Sicherheits- und Migrationspolitik Deutschlands angestoßen. Für Merz sei klar, dass man nun handeln müsse. „Wir haben in Deutschland zu lange zugeschaut und die Brennpunkte Brennpunkte sein lassen.“

"Markus Lanz" – Das waren die Gäste:

  • Friedrich Merz, CDU-Chef
  • Eva Quadbeck, Stellvertretende Chefredakteurin „RedaktionsNetzwerk Deutschland“
  • Aladin El-Mafaalani, Soziologe und Bildungsexperte
  • Marcel Fratzscher, Ökonom und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung

Bei seiner Kritik schoss Merz aber auch über das Ziel hinaus: Arabischstämmige Kinder bezeichnete er als „kleine Paschas“, die schon als Kinder während der Grundschulzeit gegenüber Lehrerinnen respektlos seien. Mehr Geld für Schulen wolle Merz jedoch nicht, stattdessen betonte er immer wieder: „Wir müssen von vornerein dafür sorgen, dass Menschen Grenzen aufzeigt werden.“ Möglichen Gewalttaten und Akte gegen den Staat, die meist von jungen Männern durchgeführt werden würden, müsse man „als Rechtsstaat früher begegnen“. Der Politiker halte daher frühere Rechtsverfahren gegen auffällige Täter für den richtigen Weg.

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Eva Quadbeck bei „Markus Lanz“: „Abstrafen reicht nicht“

Damit stieß der CDU-Chef bei den weiteren Gästen der ersten Sendung seit der Winterpause auf Kritik. Die Journalistin Eva Quadbeck ist stellvertretende Chefredakteurin des „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Sie empfand, dass die Ausschreitungen eine neue Dimension erreicht hätten. Sie positionierte sich klar gegen Merz‘ Aussage: „Abstrafen reicht nicht.“ Denn Strafen könnten ihrer Meinung nach zu weiteren Eskalationen führen. Vielmehr sah sie es als Ziel, an die betroffenen Randgruppen heranzukommen und für Deeskalation zu sorgen.

In diesem Punkt stimmte ihr auch der Soziologe und Bildungsexperte Aladin El-Mafaalani zu. Er erinnerte daran, dass es bereits 2018 härtere Strafen als Reaktion auf Silvesterausschreitungen gegeben hatte. Sonst sei daraufhin wenig passiert, weshalb sich die Randale nun wiederholt hätten.

Lanz fragte: Warum kam es zu den Ausschreitungen an Silvester?

Auf die Frage von Markus Lanz, wie es denn zu den Ausschreitungen gekommen sei, beleuchtete der Bildungsexperte mögliche unterschiedliche Motivlagen für die wachsende Intensivität von Gewalt der kleinen Gruppierungen. El-Mafaalani betonte dabei, dass viele der Angreifer nicht nur einen migrantischen Hintergrund hatten, sondern auch aus dem linken Milieu stammten.

Eine mögliche Gemeinsamkeit der Randalierenden: „Es gibt den Trend, den man nach Corona sehen kann, […] dass Rollenträger und Funktionsträger mit weniger automatischem Respekt angetroffen werden.“ Diese zunehmende Distanzlosigkeit überschreite laut dem Soziologen die Grenzen von Arm und Reich. Daher mache man es sich zu einfach, wenn man bei dem Problem nur Migration und eine mögliche Desintegration ins Auge nehme, stellte El-Mafaalani klar.

Marcel Fratzscher sieht Perspektivlosigkeit als Auslöser

Weitere Antworten auf die Frage, warum immer mehr junge Menschen Respekt vor dem Staatssystem zu verlieren scheinen, bot Marcel Fratzscher. Er ist Ökonom und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Er stimmte El-Mafaalani zu, der zuvor die fehlenden Möglichkeiten in bestimmten Stadtteilen für junge Migranten aufgezeigt hatte.

Fratzscher erklärte in der Runde, dass die „zunehmende Polarisierung“ mit fehlenden Chancen und Zukunftsaussichten zusammenhänge. Rund 10 Prozent aller junger Menschen habe laut Statistik keinen Schulabschluss, sagte er. Faktoren wie die Mietpreisexplosion und gesamtgesellschaftlichen Problemen wie die Klimakrise verliehen der jüngeren Generation das Gefühl: „Niemand kümmert sich um mich.“ So sinke das Vertrauen in staatliche Institutionen. Dieses Phänomen sei nicht nur in Deutschland zu beobachten.

Markus Lanz: So liefen die letzten Sendungen

Gäste bei „Markus Lanz“ einig: Politik muss Randgruppen früher unterstützen

Sowohl Fratzscher als auch Journalistin Quadbeck und Soziologe El-Mafaalani machten in der Sendung klar, dass sie sich von der Politik eine viel früher ansetzende Prävention wünschten. Dass Deutschland ein Land vieler Chancen sei, würden viele Menschen nicht spüren, erklärte Quadbeck, „weil unsere Bürokratie genauso kompliziert ist wie unsere Grammatik“. Sie betonte ebenfalls, dass die Faktoren Bildung, Arbeit und Beschäftigung besonders für Migranten niederschwelliger werden müssten.

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Integration müsse in Zukunft also schon früher beginnen. Wie das konkret aussehen könnte? Mit dieser Frage schienen sich alle Anwesenden etwas schwer zu tun. Friedrich Merz dachte zum Ende der Sendung laut über eine Kindergartenpflicht nach – für deutsche wie auch aus dem Ausland stammende Kinder. Eine Diskussion, die nicht zum ersten Mal in der Politik im Raum stehen würde, bisher aber meist auf viel Kritik gestoßen sei.