Berlin. CDU-Politiker Wolfgang Schäuble ist seit 50 Jahren Bundestags-Mitglied. Mit Markus Lanz sprach er über aktuelle Krisen in Deutschland.

In diesem Jahr haben gleich mehrere Krisen Deutschland erschüttert. Mit der Abhängigkeit von Russland ist die Bundesrepublik in eine Energiekrise gerutscht. Korruptionsskandale wie zuletzt gegen die EU-Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili lassen bei vielen Bürgern Sorgen aufkommen, dass die Demokratie nicht mehr richtig funktioniert. Am Mittwoch stellte Markus Lanz seinem Gast Wolfgang Schäuble die Frage, wie er die derzeitige Situation bewerte und wie die Zukunft Deutschlands aussehen könnte.

Erst einen Tag zuvor, am 13. Dezember, hatte der CDU-Politiker sein 50-jähriges Jubiläum als ununterbrochenes Mitglied des Deutschen Bundestages gefeiert. Er ist damit der dienstälteste Abgeordnete der Geschichte und hat in dieser Zeit unter anderem als Bundesinnenminister sowie als Bundesfinanzminister einige Krisen miterlebt.

Über die aktuelle Lage in Deutschland sagt er: „An so viele so grundstürzende Veränderungen in so kurzer Zeit kann ich mich in meiner Zeit nicht erinnern.“ Derzeit sei es laut Schäuble nicht nur „verdammt schwierig Verantwortung zu tragen für Entscheidungen“. Die Politik müsse aktuell auch Fehler eingestehen – besonders in Bezug auf das durch Nord Stream 2 entstandene Abhängigkeitsverhältnis zu Russland.

„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste

  • Wolfgang Schäuble, CDU-Politiker
Wolfgang Schäuble (CDU) ist seit 50 Jahren Mitglied des Deutschen Bundestags.
Wolfgang Schäuble (CDU) ist seit 50 Jahren Mitglied des Deutschen Bundestags. © Kay Nietfeld/dpa

„Markus Lanz“: Schäuble hält Entscheidung für Nord Stream 2 für „in Ordnung“

Schäuble selbst war gegen die Errichtung beider Ostseepipelines. Bereits gegen Nord Stream 1 hatte er sich positioniert. Dennoch halte er Angela Merkels Entscheidung für Nord Stream 2 aus damaliger Sicht „in Ordnung“. Während er im November noch ihre Unfähigkeit Fehler einzugestehen kritisiert hatte, lobt er die Ex-Kanzlerin bei Lanz: „Sie wäre in Deutschland nicht 16 Jahre Bundeskanzlerin gewesen, wenn sie nicht in Deutschland hoch angesehen gewesen wäre.“

Und er zitierte seine ehemalige Parteikollegin Annegret Kramp-Karrenbauer: „Ich bin so wütend auf uns.“ Denn auch er habe Fehler begangen. So habe Schäuble während seiner Zusammenarbeit mit dem russischen Innenminister von 2005 bis 2009 Russlands Form der Terrorismusbekämpfung nicht richtig hinterfragt, gesteht er heute.

Die Fehler der Politik, Sorgen um eine mögliche Flüchtlingskrise sowie sich häufende Korruptionsvorwürfe lassen immer mehr Bürger an der Demokratie zweifeln. Moderator Markus Lanz sieht den Beginn dieser Zweifel in der Finanzkrise 2007 und 2008.

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Schäuble bei „Lanz“: „Wahrheit ist nicht mehr entscheidend“

Wolfgang Schäuble sieht mehrere Ursachen dafür, „warum wir uns über die Demokratie Sorgen machen müssen“. Allen voran sieht er die Veränderung der Kommunikation in den vergangenen Jahren als potenzielle Gefahrenquelle. Denn mittlerweile gebe es im Internet „unendlich viele Meldungen“. Dabei werde die Seriosität der Presse von den sozialen Medien verdrängt. Die Bevölkerung erhalte „keine gemeinsamen Informationen mehr“.

Als Folge nehme die Wahlbeteiligung ab. Der Politiker erklärte: „Wahrheit ist nicht mehr entscheidend. Heute sind Fake-News etwas völlig Selbstverständliches. Es geht darum, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erzeugen.“ So würden zahlreiche Menschen nur noch mit denen diskutieren, die ihre Meinung teilen.

Laut Schäuble gelinge es so Personen wie Donald Trump, in hohe politische Ämter gewählt zu werden. „So nimmt Populismus zu“, warnte der Bundestagsabgeordnete.

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„Rente mit 70“ findet Wolfgang Schäuble „nicht schlimm“

Zum Ende des Dialogs blickten Schäuble und Lanz in die Zukunft und widmeten sich dabei einer anderen drohenden Krise in Deutschland. Das Sozialsystem sieht sich mit dem steigenden Durchschnittsalter der Gesellschaft mit einem gravierenden Problem konfrontiert. Das Durchschnittsalter der Deutschen stieg bereits in den vergangenen Jahren von 37 auf aktuell 47 Jahre, erklärt Lanz. Tendenz stark steigend.

Was bedeutet das für die nächsten Generationen? Schäuble relativierte das Problem: „In dem Moment, wo wir Gefahren erkennen und diskutieren, wächst die Chance, dass wir dagegen steuern.“ Für ihn sei es wichtig, einen demografischen Faktor in die Rentenformel einzuberechnen. Doch solange das Land nicht mehr Menschen habe, die mehr arbeiten, müsse das Renteneinstiegsalter konsequent steigen, attestierte er.

Er halte die „Rente mit 70“ für „nicht schlimm“. Er selbst habe es nie bereut, auch in schweren Zeiten seinen Beruf als Politiker nicht aufzugeben und bis heute zu arbeiten. „Das versuche ich jungen Menschen zu sagen. Junge Menschen wollen Spaß haben. Als älterer Mensch weiß man, dass die Erfüllung des Lebens ist, eine Aufgabe zu haben, die einen ausfüllt.“ Diese Leidenschaft war und ist für Wolfgang Schäuble die Politik.

Das Gespräch mit Markus Lanz schließt er mit einem Rat an die junge Generation: „Sucht euch etwas raus, das ihr im Leben machen wollt. Schaut nicht nach Geld, sondern was euch Freude macht. Mir haben die 50 Jahre Freude gemacht und dafür bin ich dankbar.“

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