Berlin. Glühwein mit oder ohne Maske? “Hart aber fair“ disktutierte Corona-Regeln. Der Gesundheitsminister warnt vor zu viel Leichtsinn.

"Was gibt die Lage denn her?", fragte Karl Lauterbach (SPD) bei „Hart aber fair“ leicht angespitzt zurück: Aktuell 140 Tote pro Tag, die ohne eine Corona-Infektion nicht hätten sterben müssen. "Wir sehen eine deutliche Übersterblichkeit", berichtete er. Und prognostizierte für die kommenden Monate erneut steigende Covid-Inzidenzen – durch neue, ansteckendere Varianten.

Zwar wollte der Bundesgesundheitsminister mit seiner Mahnung lieber nicht schon wieder Recht behalten – "Ich freue mich immer, wenn ich Unrecht habe". Aber schon qua Amt mochte er die Einschätzung von Martin Machowecz nicht teilen.

Der verzweifelte gerade – als Journalist ("Die Zeit") und "Bürger, dem’s reicht" – an den anhaltenden "Sorgen und Bedenken" der Politik: "Kein anderes Land in Europa hat so strenge Regeln", beschwerte er sich zum Beispiel über die immer noch geltende FFP2-Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr.

Plötzlich war Corona als Talkshow-Thema wieder da. Und immer noch strittig, obwohl es für Großveranstaltung kaum Auflagen gab. Kurz vor Start in die Weihnachtsmarkt-Saison wollte "Hart aber fair" deshalb ausloten, wieviel Lebensfreude wir uns im dritten Pandemie-Winter gönnen durften – ohne die Krankenhäuser endgültig platt zu machen. Glühwein nur mit Maske? Oder ohne, aber mit Risiko?

„Hart aber fair“: Diese Gäste waren am Montag dabei

  • Karl Lauterbach, SPD Bundesgesundheitsminister
  • Klaus Holetschek, CSU, Bayrischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege
  • Lisa Schlagheck, Fachgesundheits- und Krankenpflegerin am Universitätsklinikum Münster
  • Christina Berndt, Wissenschaftsredakteurin bei der "Süddeutschen Zeitung"
  • Martin Machowecz, Journalist und Leiter des "ZEIT"-Ressorts "Streit"

Kliniksituation weiter angespannt

"Die Lage kann sich jederzeit verschärfen", warnte auch Christina Berndt, Wissenschaftsredakteurin der "Süddeutschen Zeitung": So, wie in München nach dem Oktoberfest, als die Inzidenz auf 1.800 hochschnellte und "in den Kliniken wieder jede vierte OP verschoben werden musste", erklärte sie bei "Hart aber fair".

Tatsächlich war die Situation an deutschen Krankenhäusern weiter angespannt, besonders in den Notaufnahmen: Aus Platzmangel mussten Patienten auf Fluren untersucht werden, weil die Zimmer zum größten Teil mit Corona-Erkrankten belegt waren – wie ein NDR-Einspieler zeigte. Zu zwei Dritteln gar meldeten sich Kliniken immer wieder ganz von den Rettungsleitstellen ab, weil sie durch eigene Krankheitsausfälle und Quarantäne nicht mehr in der Lage waren, weiteren Fälle zu behandeln.

"Wir sind leider maximal unterbesetzt", beschrieb Lisa Schlagheck bei "Hart aber fair" die alltägliche Situation am Universitätsklinikum Münster, wo sie seit vielen Jahren in der Chirurgischen Notaufnahme arbeitete. "Und deshalb auch schnell erschöpft, körperlich wie emotional." Oft, ergänzte sie, sei die Suche nach einem freien Krankenbett wie Tetris spielen – "es dauerte Stunden".

Die Dauerbelastung bestand schon vor der Pandemie, erklärte sie außerdem. Corona brachte nur noch das "I-Tüpfelchen". Erst durch einen 77 Tage langen Streik, erklärte die examinierte Intensiv-Krankenpflegerin, hatte sie zusammen mit ihren Kollegen erreicht, dass sie nachts nicht mehr ganz allein die Patienten von zwei Etagen betreuen musste, wie in den acht Jahren zuvor.

Ob diese Dauerbelastung in den Kliniken je abnehmen werde? Sie bezweifelte das. Selbst als Karl Lauterbach, ganz Zuversicht, die "größte Krankenhausreform der letzten 20 Jahre" präzisierte und baldige Besserung versprach: Er rechnete mit etwa 20 Prozent mehr Stellen im der Krankenhauspflege.

"Das System wird auf den medizinischen Bedarf ausgerichtet", erklärte er. Und die Krankenhausversorgung entökonomisiert, so dass Kliniken nicht mehr "auf dem Rücken des Personals" Gewinne machen könnten. Statt über Fallpauschalen wie bisher, sollten Krankenhäuser in verschiedene Stufen eingestuft werden und dann Geld für ihre jeweiligen "Vorhaltekosten" erhalten.

Es hänge auch entscheidend von den Ländern ab, ob seine Reform durchkomme. Und nicht zuletzt vom Veto des Bundesfinanzministers, der mitentscheiden wolle, wer den zusätzliche Finanzbedarf bezahle – der Steuer- oder der Beitragszahler. Kommenden Mittwoch werde sein Reformvorschlag im Ausschuss behandelt.

Da sah sich Klaus Holetschek (CSU), Gesundheitsminister in Bayern, schon mal beim Reformbedarf – wenn auch nicht im Detail – an der Seite des Bundesgesundheitsministers. "Corona war nur das Brennglas für die Klinik-Krise", erklärte er. Durch die Erfahrungen mit der Pandemie gab es nun auch die Chance, das System besser zu machen: "Wir brauchen aber eine Revolution!"

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Zur Ausgabe von "Hart aber fair" in der ARD-Mediathek.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.