Berlin. Der doppelte Markus: Um Moderator Markus Lanz' Geschichte zu verstehen, muss man die des Punkrockers Markus Heidemanns kennen.

Als Markus Heidemanns vom "Hamburger Abendblatt" einmal gefragt wurde, ob er eigentlich bei jeder Aufzeichnung von "Markus Lanz" dabei gewesen sei, nahm er sein Handy und scrollte so lange durch seine Fotos, bis er die richtigen gefunden hatte. Sie zeigten Heidemanns lädiertes Gesicht nach einer Nasenoperation und man kann sich kaum vorstellen, dass er in diesem Zustand gearbeitet hat. Hat er aber, er verließ damals auf eigenen Wunsch das Krankenhaus, um bei der Aufnahme von zwei "Lanz"-Sendungen dabei sein zu können. Die erste Folge hielt er durch, bei der zweiten wurden die Schmerzen so stark, dass Markus Heidemanns passen und sich ins Bett verabschieden musste. Es blieb die große Ausnahme.

Markus Lanz’ Geschichte zu erzählen, ohne länger über Markus Heidemanns zu schreiben, ist unmöglich. Der Produzent und Chefredakteur, Jahrgang 1964, ist weit davon entfernt, so etwas wie der Mann im Hintergrund zu sein. Er steht, auch wenn man ihn so gut wie nie im Fernsehen sieht (einmal hat er als Gast bei einer Quizsendung mitgemacht), neben Lanz, "ich mache das alles mit ihm", sagt er selbst. Wer weiß, was gewesen wäre, wenn "mich jemand verführt hätte, mit Anfang/Mitte 30", dann hätte sich Heidemanns vielleicht dort hingestellt, wo jetzt Markus Lanz ist.

Auch wenn er gern sagt, dass er fürs Fernsehen viel zu schnell und vernuschelt spricht – dass das kein Hindernis auf dem Weg zu einer großen TV-Karriere sein muss, hat Lanz bewiesen, der sich jeglichen Südtiroler Dialekt und Einschlag fürs Fernsehen komplett abtrainiert hat, weil er nicht wollte, dass die Menschen in Deutschland hören, woher er kommt.

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Markus Heidemanns: Hinter der Kamera gibt es mehr Möglichkeiten

Also: Die Sprache war es nicht, die Heidemanns’ Rolle im Fernsehgeschäft bestimmte, er habe einfach "diesen ersten Schuss nicht gehabt", diesen Moment im Scheinwerferlicht, der süchtig machen kann "und der vielleicht auch mit mir etwas gemacht hätte". Heute ist Markus Heidemanns dankbar dafür, dass es diesen Moment nicht gab: "Dadurch, dass ich nicht vor der Kamera bin, habe ich hinter der Kamera viel mehr Möglichkeiten, ich kann so viel mehr machen."

Er könne zwischen verschiedenen Genres hin und her wechseln, hier Markus Lanz, dort die Küchenschlacht, die er mit seinem Unternehmen Fernsehmacher produziert, er liebe die Arbeit im Team und die Möglichkeit, trotz großer TV-Erfolge ein normales Privatleben führen zu können: "Ich darf alle tollen Dingen erleben, die das Fernsehen so mit sich bringt, aber die negativen nicht. Mich kennt kein Mensch." Wenn er früher mit Johannes B. Kerner unterwegs gewesen sei, mal ein Bier trinken, habe er jedes Mal gedacht: "Wie herrlich ist das, dass die Leute dich in Ruhe lassen."

Markus Heidemanns, Markus Lanz und Susanne Krummacher bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises 2021 in Köln.
Markus Heidemanns, Markus Lanz und Susanne Krummacher bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises 2021 in Köln. © IMAGO / Future Image

Markus Lanz und Markus Heidemanns ergänzen einander

Dass Heidemanns an dieser Stelle von Kerner und nicht von Lanz spricht, zeigt nicht nur, dass die beiden nach einem Sendetag in der Regel nicht gemeinsam unterwegs sind. Der Unterschied zwischen dem Chefredakteur und seinem Moderator ist auch sonst größer, als er es zu Kerner war. "Markus und Markus ergänzen sich wunderbar, sie sind so verschieden, dass sie sich nicht in die Quere kommen, der eine hat das, was dem anderen fehlt, und umgekehrt", sagt einer der engen Weggefährten von Lanz. Dicke Freunde sind die beiden bisher nicht geworden, aber wahrscheinlich geht das auch nicht, wenn man so eng zusammenarbeitet.

Markus Lanz sagt über Markus Heidemanns, dass er als Ruhrgebietsmensch (Heidemanns ist in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen, übrigens im selben Ort wie der heutige RTL-Chef Stephan Schäfer) eine "gewisse Leichtigkeit" und ein Gespür für das habe, was die Menschen auf der Straße interessiere. Beides stimmt und beides ist bei Lanz nicht so ausgeprägt, aber das hat eher mit Heidemanns’ Naturell als mit seiner Heimat zu tun. Er habe eine "Punkrockvergangenheit", hat er einmal in einem Interview gesagt, "da ist ein etwas anderer Blick auf die Obrigkeit vielleicht in den Genen verankert".

Heidemanns, der am kleinen Finger seiner rechten Hand einen großen Totenkopfring trägt, war Sänger einer Band und ist überzeugt davon, dass es mit einer guten Talkshow wie mit einem guten Konzert ist. Es gibt die, die alles vorbereiten, die die Musik komponieren und die Texte schreiben, und es gibt den, der rausgeht auf die Bühne. In seinem Punkrockleben war Heidemanns das selbst, im Fernsehen ist es Markus Lanz, der als Gesicht der Sendung aber auf das angewiesen ist, was sein Chefredakteur und dessen Team ihm liefern. Moderieren wirke immer so leicht und das solle es auch, so Heidemanns, "aber das geht nur, wenn du dich auf andere verlassen kannst".

Lanz' Chefredakteur Heidemanns: Was ihn antreibt

Das wiederum, diese Vorbereitung, die Auswahl der Gäste und Inhalte, ist richtig harte, lange Arbeit und deshalb ist einer wie Markus Heidemanns eigentlich immer im Dienst, 24 Stunden, sieben Tage, man weiß nie, wann die nächste Idee kommt. Für diese Ideen macht er den Job, er will wissen, ob das, was er sich ausgedacht hat, im Fernsehen funktioniert.

Er verdient als Inhaber der Fernsehmacher, die er einst mit Johannes B. Kerner gegründet hat, sehr viel Geld, er hat eine Finca auf Mallorca und eine Villa in Hamburg, es "geht mir unfassbar gut". Aber der Antrieb weiterzumachen, kommt aus einer fast schon kindlichen Begeisterung für die Spielwiese, die das Fernsehen ihm bietet.

Produzent nach außen, im Kern ein Journalist

Es ist diese Begeisterung, die, neben seiner Nahbarkeit und Konsequenz, Heidemanns dorthin gebracht hat, wo er ist. Auf dem Weg dorthin ist er im Kern Journalist geblieben, hat wie Markus Lanz ein klassisches Volontariat gemacht, bei der "Westfalenpost" in Nordrhein-Westfalen. Von dort ging er zur "Bild am Sonntag", wo sein Bruder Martin arbeitete und er dem damaligen Chefredakteur Michael Spreng bei einem Besuch auffiel.

Spreng, der vom Typ her genauso wenig zur BamS passte wie Punkrocker Heidemanns, wurde einer seiner wichtigsten Förderer. "Ich habe niemals einen aufrechteren Chefredakteur erlebt als Michael Spreng, er hat sich mit allen angelegt, egal wie mächtig und wichtig sie waren. Davon habe ich ganz, ganz viel gelernt", sagt Heidemanns, und dass es schön für ihn gewesen sei, Spreng später als Gast bei Markus Lanz gehabt zu haben: "Er war als politischer Beobachter und Einordner sehr oft in der Sendung, das war immer großartig. In der Redaktion haben sich alle darum gekloppt, wer Michael Spreng betreuen durfte."

Von Spreng hat er auch gelernt, Leserinnen und Leser, Zuschauerinnen und Zuschauer nicht zu unterschätzen, ein Fehler, der gerade im Fernsehen gern gemacht würde. Wie oft hätte der zuständige Redakteur beim ZDF, der jede Sendung von Markus Lanz vor der Ausstrahlung ansehen und freigeben muss, gefragt, ob man mit dieser oder jener Herangehensweise das Publikum nicht überfordern würde, und wie oft seien gerade dann die Quoten "besonders gut" gewesen.

"Lanz": Wandel von Unterhaltung zu Politik war richtig

Heidemanns hat solche und ähnliche Momente jedes Mal als Beweis dafür genommen, dass der Wandel, den er vor vielen Jahren mit Markus Lanz begonnen hatte, richtig war, weg von der trivialen Unterhaltungsshow, "ein Opfer, ein Interessanter, einer mit Buch, ein Durchgeknallter" (Medium Magazin), hin zu der politischen Sendung.

Das ging erst, als Kerner vom ZDF zu Sat.1 wechselte und Markus Lanz vom Ersatzmann – er hatte 2008 zum ersten Mal die Vertretung von Kerner übernommen, "der immer ganz schön lange im Urlaub war" – zu einer Dauerlösung wurde. Seitdem hat Heidemanns an dem gearbeitet, was Lanz einmal selbst als den "Weg vom Wendler bis zu Olaf Scholz" beschrieb und der sehr lang war. Wenn heute jemand Heidemanns in Interviews immer noch auf den Wendler anspricht, nimmt er denjenigen als Gesprächsgegenüber übrigens nicht ernst, weil er weiß, dass er Markus Lanz schon lange nicht mehr gesehen haben kann.

Markus Lanz braucht die Leichtigkeit von Markus Heidemanns

Die falsche Wahrnehmung, das überkommene Image der Sendung ist nach wie vor ein Problem, es gibt im Land viele Menschen, die den Wandel nicht mitbekommen haben. Wahrscheinlich wäre das anders, wenn Lanz etwas mehr so wäre wie Heidemanns, wenn er Interviews oder Anfragen nicht als Risiko, sondern als Chance begreifen würde, wenn er nahbarer und lockerer wäre, wenn er also die Leichtigkeit hätte, die er bei seinem Partner schätzt.

Während Lanz sein Privatleben so stark abschirmt (was man nach seiner sehr öffentlichen Verbindung zu RTL-Moderatorin Birgit Schrowange und den damals gemachten Erfahrungen verstehen kann), dass selbst die hartnäckigsten Boulevardmedien bis heute nicht den Namen seiner zweiten Tochter herausgefunden haben, geht Heidemanns recht offen damit um. "Meine Frau ist deutlich prominenter als ich", sagt er etwa, wenn er darauf angesprochen wird, dass er mit Estefania Küster verheiratet ist, der ehemaligen Freundin von Dieter Bohlen.

Heidemanns: Vom Journalisten zum Berater und schließlich zum Produzenten

Heidemanns kennt das Geschäft von der anderen Seite, er hat in seiner Zeit bei der Bild am Sonntag in der Unterhaltungsredaktion gearbeitet und dort unter anderem mehrere Artikel über Harald Schmidt recherchiert und geschrieben. "Ich habe mal eine Geschichte darüber gemacht, dass Marcel Reif von RTL zum ZDF gewechselt ist, der Tenor war: Die öffentlich rechtlichen Sender schnappen den Privaten die guten Leute weg", erzählt er. "Und ich habe mich gefragt, wie es denn wäre, wenn ARD und ZDF dafür wie im Fußball Ablösesummen zahlen müssten, und wer dann der wertvollste Moderator wäre."

Auf Platz 1 der Heidemanns-Tabelle landete eben jener Harald Schmidt, der die entsprechende Seite aus der BamS zu den Verhandlungen mit Sat.1 mitnahm, als es um seinen Wechsel von der ARD dorthin ging. Kaum war der perfekt, fragte Schmidt Heidemanns, ob er nicht als sein Berater mitkommen wolle, das war der Start der Produzentenkarriere.

Bei Harald Schmidt traf Heidemanns wiederum Johannes B. Kerner, der ihn beruflich nach Hamburg zurückholte. Das war einfach, weil Heidemanns seit seiner Zeit bei der BamS in der Hansestadt wohnte und froh war, nicht mehr jede Woche in die Harald-Schmidt-Studios nach Köln pendeln zu müssen. Bei Kerner schließlich lernte er Markus Lanz näher kennen, der ein paar Mal in dessen Sendungen zu Gast war und dabei "immer wieder angedeutet hat, dass er so etwas auch gern einmal machen würde". Dass er endlich den Weg gehen wollte, den Heidemanns schon hinter sich hatte, von einem privaten zu einem öffentlich-rechtlichen Sender. Zum ZDF, wo er wahrscheinlich bis zum Ende seiner TV-Karriere bleiben wird, obwohl es auch ganz andere Möglichkeiten gäbe. (fmg)

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.