Berlin. Jahrelang soll es am Uniklinikum des Saarlandes zu sexuellem Missbrauch von Kindern gekommen sein. Nun reagierte die Klinik darauf.

Die Uniklinik des Saarlandes reagiert auf die Missbrauchsvorwürfe: Rund acht Jahre nach einem ersten Missbrauchsverdacht gegen einen Arzt der Kinderpsychiatrie sollen nun mögliche Opfer und deren Eltern informiert werden.

„Wir wollen uns der Verantwortung stellen“, sagte der Ärztliche Direktor Wolfgang Reith am Montagabend in Homburg bei einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz. Zunächst hatte das ARD-Magazin „Monitor“ über den Fall berichtet. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und der Landesvorsitzende der Grünen, Markus Tressel, forderten Aufklärung.

Der erste Verdacht, dass der mutmaßliche Täter pädophile Neigungen haben könnte, war nach Angaben von Reith im Juni 2011 aufgekommen. Zwischen 2010 und 2014 soll der Assistenzarzt aus sexuellen Motiven heraus medizinisch nicht notwendige Untersuchungen vorgenommen haben, hieß es. Das Universitätsklinikum erstattete Ende 2014 Strafanzeige und kündigte dem Arzt fristlos.

Ministerpräsident Hans zeigt sich erschüttert

Wolfgang Reith, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik des Saarlandes.
Wolfgang Reith, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik des Saarlandes. © dpa | Oliver Dietze

Nach der Entlassung seien 302 Fallakten des Arztes untersucht worden und es hätten sich 34 Verdachtsfälle ergeben, sagte Reith. Die Kinder seien damals im Alter zwischen fünf und acht Jahre alt gewesen. Da der mutmaßliche Täter 2016 im Alter von 36 Jahren eines natürlichen Todes starb, mussten die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingestellt werden.

Ministerpräsident Hans zeigte sich erschüttert: „Gerade Kinder und Jugendliche und ihre Eltern müssen sich darauf verlassen können, dass ihr Vertrauen nicht durch Behandler schändlich ausgenutzt wird“, sagte er.

So etwas dürfe nie wieder passieren. Dem stimmte der saarländische Grünen-Vorsitzende Tressel zu: „Die jetzt offenbar gewordenen Fälle von Kindesmissbrauch an der Uniklinik sind unfassbar und zutiefst erschütternd, eine Horrorvorstellung für Kinder und Eltern.“

Die bewusste Nicht-Information der Betroffenen erschüttere zudem das Vertrauen in die Klinikleitung und das Land. Das Universitätsklinikum und die Staatsanwaltschaft hatten damals entschieden, möglicherweise betroffene Patienten nicht über den Verdacht zu informieren.

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Weißer Ring richtet Hotline ein

„Für das UKS war dabei die Erwägung leitend, dass mit einer Information über eventuell nicht medizinisch notwendige Untersuchungshandlungen Patientinnen und Patienten mehr geschadet als genutzt werde, wenn als normal empfundene Untersuchungen nachträglich in einem anderen Licht erscheinen“, teilte das Klinikum mit.

Die Ermittlungsbehörden seien mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage nicht befugt gewesen, die Eltern zu informieren. Ziel ist es laut Reith nun, „größtmögliche Transparenz“ und eine „Aufklärung ohne Wenn und Aber“ zu ermöglichen. Alle 34 Betroffen seien per Brief informiert und ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der Rechtsaufsicht in Begleitung eines Psychologen angeboten worden. Auch Gespräche mit den Verantwortlichen des Klinikums seien möglich.

Für den ersten Kontakt gibt es den Angaben zufolge eine Hotline des Weißen Rings. Zurzeit laufen den Angaben zufolge Untersuchungen in einem Sportclub, wo der Beschuldigte Trainer war. Bei den Ermittlungen zu dessen frühem Tod habe die Staatsanwaltschaft Zweibrücken keinen Hinweis auf Selbstmord oder ein Tötungsdelikt gefunden, berichtete der Saarbrücker Oberstaatsanwalt Michael Görlinger.

Der Fall war erst ans Licht gekommen, als im April 2019 die Eltern eines jetzt 13-jährigen Jungen bei der Polizei zufällig erfahren hatten, dass die Staatsanwaltschaft vor Jahren wegen des Missbrauchsverdachts ermittelt hatte. (epd/les)