Der neue Prag-Krimi „Der kalte Tod“ beginnt behäbig, nimmt dann aber dramaturgische Fahrt auf. Auch die starke Besetzung überzeugt.

Stürze im Altenheim: traurig, aber eigentlich nichts für die Kripo. Es sei denn, ein Greis fällt tödliche fünf Meter tief – und auf diesem Toten liegt: ein Polizist mit Blessuren, doch ohne jedes nennenswerte Erinnerungsvermögen.

Der Überlebende ist ein Neuzugang in Deutschlands Ermittlerlandschaft. Vor einer Woche sahen wir, wie es den Berliner BKA-Mann Jan Koller (Roeland Wiesnekker) nach Prag verschlug, er selbst aber erfuhr, dass sein totgesagter Vater in der tschechischen Hauptstadt lebt. Heute legt das Erste nach: „Der kalte Tod“ stellt sich dem Antihelden Koller in den Weg.

Paraderollen für alte Käuze

Bröckelnde Gründerzeit-Villa, drin lauter alte Käuze, die sich dem Sensemann mit stattlichem Chorgesang widersetzen, und reichlich dunkle Flure: Tatsächlich hätte Agatha Christie kein schöneres Whodunit-Szenario erfinden können als diese Senioren-WG im Ost-Exil.

Es sind lauter Deutsche (darunter gar ein Organist aus Delmenhorst), die solch greise Schönlebe samt Rumpsteak und teurem Tinto in der Heimat nie und nimmer bezahlen könnten.

Aber in Prag geht das – nicht zuletzt dank einer generösen Mitbewohnerin, die prompt an dem Tag aufgebahrt in der Beletage ruht, als Koller dort seinem Vater begegnen will. Und dann setzt das Buch (Nils-Morten Osburg und Marc Terjung) jene Leerstelle, die der Geschichte den unruhig (und die erste Viertelstunde etwas träge) laufenden Motor gibt. Koller übernachtet in der Villa – und findet sich am Morgen auf einem toten Senior.

Klassischer Mordfall trifft Galgenhumor

Was den Charme des zweiten Prag-Krimis ausmacht, ist eine clever ausbalancierte Dramaturgie, die einerseits in körniger Bild-Ästhetik altmodisch einem klassischen Mord in geschlossener Gesellschaft den blutbefleckten Perserteppich ausrollt, andererseits echt gegenwärtig samt Galgenhumor und Alltagskrisen vom Polizistenleben erzählt.

Die pfundige Streifenpolizistin Klára Majerova (herzig: Gabriela Maria Schmeide) hat fette Wurstbrote für den knautschgesichtigen Kollegen aus Deutschland – und („Schnarchen Sie?“) am Ende gar ein Gästesofa.

Die Lösung liegt in der Vergangenheit

Köstlich trumpft die Unschuld heuchelnde Geriatrie-Garde auf. Wie Barbara Schönes pensioniertes Lehrerfräulein kein Wässerchen trübt – das nährt einen Schmunzelkrimi, der nicht ohne Gruselmomente ist. Überhaupt fällt einem, wie sie so schleichen und spähen und betulich ihre Zeitungen falten, das Promi-Personal von Christies „Orient-Express“ ein, freilich hockt dieses hier verdächtig gemütvoll auf dem Abstellgleis.

Allzu viel Neues unter der Sonne des Bösen sollte man indes nicht erwarten. Wer den „Derrick“-Klassiker „Abendfrieden“ kennt, den wird die Auflösung im tiefen Keller der Vergangenheit kaum überraschen.

Fazit: Anfangs etwas schwergängig, aber gut fotografiert und bis in kleinste Rollen stark besetzt.

ARD, Donnerstag, 13. Dezember, 20.15 Uhr