ESSEN . Die ARD-Doku „Glauben, Leben, Sterben“ zum Dreißigjährigen Krieg spannt den Bogen zum Nahen Osten. Und den heutigen Religionskriegen.

„Gestern war noch Alltag, heute ist Krieg“, kommentiert eine Stimme aus dem Off – es ist der spannende Auftakt eines Films zum 30-jährigen Krieg, der mit dem Prager Fenstersturz im Mai 1618 beginnt. Der letzte Religionskrieg in Europa weitet sich zu einem Flächenbrand aus, in den nahezu alle damaligen europäischen Mächte verwickelt sind.

Erst als Millionen Menschen gestorben sind und der halbe Kontinent verwüstet ist, können sich Europas Katholiken und Protestanten im Westfälischen Frieden auf eine neue Ordnung des Zusammenlebens einigen.

Seit Wochen übertrumpfen sich zum 400. „Jahrestag“ die Medien beim Versuch, Ursachen und Auswirkung des 30-jährigen Krieges zu analysieren. Auch der Doku-Film in Spielfilmlänge „Glauben, Leben, Sterben“ schlägt einen Bogen von der historischen europäischen Tragödie zu den Konflikten von heute. Dabei geht Stefan Ludwig (Buch und Regie) seinen eigenen, überzeugenden Weg. Der Untertitel heißt „Menschen im Dreißigjährigen Krieg“.

Renommierte Historiker und Experten bereichern Film

Fünf dieser Menschen, die vor 400 Jahren in Tagebüchern oder Protokollen ihre Erlebnisse und Empfindungen für die Nachwelt bewahrt haben, stehen im Zentrum: Ein calvinistischer Kaufmann, der sich durch die Finanzierung der Habsburgischen Truppen eine goldene Nase zu verdienen hofft, die Priorin eines Klosters, ein Söldner, eine protestantische Bäuerin, ein anfangs radikaler, schließlich desillusionierter katholischer Prediger. Die farbigen Spielszenen, in denen die Figuren von einer Off-Stimme interviewt werden, wechseln häufig ins schwarz-weiße Heute.

Dann, und das ist eine Stärke des Films, kommen renommierte Historiker und Experten zu Wort. Und plötzlich geht es –Stichwort Parallelen – um den Nahen Osten, um heutige Glaubenskriege zwischen Sunniten und Schiiten, um die durch Außeneinfluss zusammengebrochenen Systeme in Syrien oder dem Irak. Es geht um Macht, um missbrauchte Religiosität zur Durchsetzung geopolitischer Interessen.

Film nicht nur für historisch Interessierte unbedingt sehenswert

Dass Universität Cambridge und Körber-Stiftung heut am Konzept eines „Westfälischen Friedens“ für den Nahen Osten arbeiten, ist erfreulich. Auch wenn das alles bislang einfach nur ein schöner Traum ist.

Fazit: Aus dem akribischen, das gesamte Alltagsleben der Zeit einfangenden Tagebuch der Augustinernonne Klara Staiger oder den trockenen, protokollhaften Aufzeichnungen des Berufs-Söldners Peter Hagendorf hat Regisseur Stefan Ludwig eine Fülle an denkwürdigen Situationen und Details extrahiert, die –im Zusammenspiel mit der Expertenbegleitung – den Film nicht nur für historisch Interessierte unbedingt sehenswert machen.

• „Glauben, Leben, Sterben“, Montag, 25. Juni, 22.30 Uhr, ARD