Berlin. Die Deutschen werden immer älter – das gilt auch für Straftäter. Eine Doku gibt aufschlussreiche Einblicke in eine verborgene Welt.

Früher war Peter Hoppe ein Schrank von einem Mann, heute sitzt er im Rollstuhl. Die Haare noch immer lang, aber licht, die Tattoos auf den Unterarmen verblasst – man kann sich vorstellen, dass Hoppe kräftig zuschlagen konnte.

„Ich bin böse gewesen, richtig böse“, raunt er mit tiefer Raucherstimme in die Kamera. Er habe nie jemanden umgebracht, aber im Lauf seines Lebens häufte er 20 Haftstrafen an. „Hier fünf Jahre, da sieben Jahre, dat läppert sich“, sagt Hoppe im Idiom des Ruhrgebiets. Vielleicht wird er sterben, bevor seine Strafe vorbei ist. Weinen will er deswegen nicht: „Muss man mit klarkommen.“

Wann muss jemand in Haft sterben?

Nordrhein-Westfalen betreibt in Fröndenberg ein ehemaliges Krankenhaus als Gefängnis.
Nordrhein-Westfalen betreibt in Fröndenberg ein ehemaliges Krankenhaus als Gefängnis. © ZDF und Christian Bock | Christian Bock

Hoppe, dessen genaues Alter unklar bleibt, lebt im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg. Es ist eines der größten seiner Art in Europa: 300 Mitarbeiter kümmern sich um 3500 stationäre und 7000 ambulante Patienten im Jahr. Alle sind Häftlinge. Auf Hoppes Station sind die pflegebedürftigen Alten untergebracht. Davon gibt es immer mehr, wie die sehenswerte Dokumentation „Senioren hinter Gittern“ des TV-Journalisten Christian Bock aufzeigt: Der Anteil der Deutschen im Rentenalter hat sich in den vergangenen 40 Jahren verdoppelt, somit werden auch die Straftäter immer älter.

„Wir müssen uns mit dem Thema ‚Tod in Haft‘ auseinandersetzen“, sagt der Fröndenberger Anstaltsleiter Joachim Turowski und fragt: „Wann kann jemand begnadigt werden? Wann muss jemand in Haft sterben?“ Der 45-minütige Film kann diese Fragen nicht beantworten, aber er macht deutlich, dass sich Justiz und Gesellschaft damit auseinandersetzen müssen.

Angst vor dem Leben draußen

Der Pfleger Andre Heße hat viele Straftäter kommen und gehen sehen. Manche hätten Angst vor der Freiheit. „Nach vielen Jahren in der JVA hat sich draußen so viel geändert. Das fängt schon mit dem Geldabheben an. Viele scheitern am Umgang mit einer simplen EC-Karte.“

Beim Freigang im Gefängnishof sind inzwischen viele Gefangene auf einen Rollator angewiesen.
Beim Freigang im Gefängnishof sind inzwischen viele Gefangene auf einen Rollator angewiesen. © ZDF und Christian Bock | Christian Bock

Es sind Männer wie jener Häftling aus der JVA Waldheim in Sachsen, die sich im Knast ganz wohlfühlen. Das Filmteam besucht den Mann mit dem weißen Rauschebart in seiner Zelle und begleitet ihn bei seiner täglichen Arbeit in der Anstalt. „Mir geht’s eigentlich besser als draußen“, offenbart der ehemalige Straßenbahnfahrer, während er den Hof fegt. „Die ärztliche Versorgung ist da, das Essen schmeckt auch.“

Film hätte mehr Sendezeit verdient

Es ist eine Stärke dieser Doku, dass Filmemacher Bock den Häftlingen nahekommt, ohne ihre Taten zu verharmlosen. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass Männer wie Peter Hoppe zu Recht eingesperrt sind – macht ihr Leiden jedoch nachvollziehbar.

Man hätte dem Film mehr Sendezeit und einigen Protagonisten mehr Raum gewünscht. Etwa Herrn Werner. Früher, heißt es im Off-Kommentar, gab er täglich Tausende Euro „für Drogen und Liebschaften“ aus. Jetzt sitzt er in der JVA Castrop-Rauxel im offenen Vollzug, weil er Heroin aus Holland geschmuggelt hat. Das Gefängnis „hat mich gebrochen“, klagt er – und als Zuschauer wünscht man ihm schöne letzte Jahre. Trotz allem.

Fazit: Aufschlussreiche Nahaufnahmen aus einer verborgenen Welt.

3Sat, Mittwoch, 23. Mai, 20.15 Uhr