Berlin. Der WDR soll seinen Mitarbeitern angeblich vorschreiben, wie lang Texte online maximal sein dürfen. Doch nun rudert der Sender zurück.

Alle zwei Jahre wechselt in der ARD der Vorsitz. Noch bis zum 31. Dezember spricht die MDR-Intendantin Karola Wille für den Senderverbund. Ab 2018 heißt der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm. Er ist Intendant des Bayerischen Rundfunks (BR).

Der ARD-Vorsitz ist kein Amt, das sich großer Beliebtheit erfreut. Der Gestaltungsspielraum des Vorsitzenden ist begrenzt. Er ist im Intendantenkreis allenfalls Erster unter Gleichen. Im Zweifel machen die Chefs der einzelnen Landesrundfunkanstalten, was sie wollen.

Debatte um Textanteil der Online-Medien

Das erlebt in den letzten Wochen ihrer Amtszeit auch die derzeitige ARD-Vorsitzende: Erst vergangene Woche hatte WDR-Intendant Tom Buhrow in einem Interview mit dem Deutschlandfunk gesagt, sein Haus werde bei seinen Online-Angeboten den Textanteil deutlich reduzieren. Damit würde er den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen entgegenkommen. Sie beklagen sich schon lange, insbesondere die ARD-Sender würden ihnen mit gebührenfinanzierten presseähnlichen Gratis-Angeboten im Internet das Leben schwermachen. Denn die Verlage sind darauf angewiesen, mit kostenpflichtigen Inhalten im Netz Geld zu verdienen.

In ARD-Kreisen erweckte man bisher den Eindruck, Buhrows Vorstoß sei keine große Sache. Der WDR-Intendant habe in dem Interview lediglich zu verstehen gegeben, dass sein Haus ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln aus dem vergangenen Jahr umsetze. Das Urteil hatte die App der „Tagesschau“ moniert, die nach Ansicht der Richter einen zu hohen Textanteil hatte.

Mail droht „persönliche Konsequenzen“ an

Doch nun wird klar, dass Buhrows Pläne womöglich weit über das Urteil hinausgehen. Würden sie sich auch andere Anstalten zu eigen machen, wäre der Konflikt zwischen der ARD und den Verlegern wohl schnell beigelegt. Diesen Eindruck legt zumindest eine Mail an WDR-Mitarbeiter nahe, die unserer Redaktion vorliegt. In ihr heißt es: „Für nachrichtliche Seiten gilt die Grenze von maximal 1500 Zeichen (inklusive Leerzeichen), für Hintergrundberichte eine Länge von maximal 2500 Zeichen (inklusive Leerzeichen).“ Mitarbeitern, die dies nicht beachten, wird mit „Depublikation und persönlichen Konsequenzen“ gedroht. Grundlage dieser Regelung sei eine „Dienstanweisung“.

Offenbar hat sich Buhrow bei seinem Vorstoß mit niemandem in der ARD abgesprochen. Der Verdruss über ihn ist in den anderen ARD-Anstalten groß. Denn an sich wollten sie bei den Verhandlungen zum neuen Rundfunkstaatsvertrag, den Begriff „presseähnliche Angebote“ erheblich aufweichen.

WDR will offiziell nicht von Anweisung wissen

Zumindest die Sache mit der „Dienstanweisung“ versucht der WDR nun aus der Welt zu schaffen: „Es gibt im WDR keine verbindliche Festlegung von Online-Textlängen“, sagt eine Sendersprecherin, „es gibt dazu auch keine Dienstanweisung. Es gibt eine Mail, von einem freien Mitarbeiter verfasst, deren Inhalt sachlich nicht korrekt ist und die keine Gültigkeit hat.“

Tatsächlich? Der „freie Mitarbeiter“ beruft sich in seiner Mail „auf das ,Digitale Forum‘ (ehemals Onliner-Generalversammlung)“ des Senders, auf dem die „Dienstanweisung“ verkündet worden sei. Für die Verlage ist das Zurückrudern bedauerlich, Buhrow erspart es Ärger im Intendantenkreis.

Verleger kritisiert Bayerischen Rundfunk

Der künftige ARD-Vorsitzende Wilhelm hätte ihm wohl die Leviten gelesen. Er gilt eher als Hardliner. Übertriebene Rücksicht auf Verleger nimmt er nicht. Erst kürzlich klagte der Vorstandschef von Axel Springer („Bild“, „Welt“) Mathias Döpfner im „Spiegel“, Wilhelm mache mit dem Digital-Angebot seines BR Regionalblättern wie dem „Münchner Merkur“ und dem „Straubinger Tagblatt“ Konkurrenz.

Vielleicht hätte der resolute Bayer, wäre er bereits ARD-Vorsitzender, im „Spiegel“ Döpfner Paroli geboten. Das Interview war ursprünglich als Streitgespräch zwischen ihm und Wille geplant gewesen. Die ARD-Vorsitzende sagte aber ab, weil sie nicht nur über den Konflikt mit den Verlegern sprechen wollte.