Braunschweig. Nach der Katastrophe im Harz sprechen wir mit Braunschweigs Feuerwehrchef Torge Malchau über Erkenntnisse und Konsequenzen.

Kühleres Wetter und Regenfälle haben die Waldbrandgefahr sinken lassen. Zuvor waren bei der Katastrophe im Harz am Brocken Defizite bei der Verhinderung und Bekämpfung von Waldbränden schmerzlich sichtbar geworden.

Über Konsequenzen daraus und Erkenntnisse auch für die Stadt Braunschweig sprechen wir mit Feuerwehrchef Torge Malchau.

Wie groß ist die Gefahr von Waldbränden im Braunschweiger Stadtgebiet – und nimmt sie zu?

Zum Glück haben wir im Stadtgebiet vergleichsweise wenig Wald und kleine Wälder. Außerdem ausschließlich Mischwälder. In den vergangenen zehn Jahren gab es keine Waldbrände in Braunschweig. Was wir regelmäßig haben, das sind Flächenbrände, etwa auf Getreidefeldern, gerade dann, wenn sie abgeerntet sind. Auch Grasflächenbrände, zum Beispiel entlang von Straßen oder Schienenstrecken. Waldbrände machen in Braunschweig eher nicht die große Gefahr aus.

Auch aus Städten wird von einer größeren Waldbrandgefahr berichtet.

Tatsächlich nimmt durch den Klimawandel und die immer trockener werdenden Sommer, wie wir es jetzt erleben, die Gefahr von Vegetationsbränden immer mehr zu. Die Vegetation trocknet stärker aus, als wir das normalerweise kennen. Und damit steigt natürlich auch die Brandgefahr.

Insofern blickt man glücklich hinaus, wenn so wie jetzt im Harz der Regen das Problem löst, doch wie ist eigentlich die Braunschweiger Feuerwehr gegen die Zunahme solcher Ereignisse gerüstet?

Wir sind da bereits gut aufgestellt. Die Herausforderung bei Vegetationsbränden ist ja, dass es sich um dynamische Lagen handelt. Nicht wie bei einem statischen Gebäude, das brennt, denn so ein Vegetationsbrand wandert ja über die Fläche. Und je höher die Windgeschwindigkeit, desto schneller wandert und bewegt er sich. Deshalb müssen wir hier auch als Feuerwehr eine völlig andere Angriffstaktik fahren. Entsprechend schulen wir bereits seit mehreren Jahren unsere Einsatzkräfte. Wir haben mehrere kleine, wendige Fahrzeuge, extra ausgestattet für Vegetationsbrände, sogenannte Tragkraftspritzenfahrzeuge mit Wassertank (TSF-W), die man dafür sehr gut einsetzen kann. Zum Beispiel können sie auf einem abgeernteten, brennenden Getreidefeld fahren. Die Pumpe wird unabhängig vom Fahrzeugmotor betrieben. Hinzu kommt die Herausforderung, Löschwasser an die Einsatzstelle zu bekommen, denn meistens sind außerhalb der Bebauung keine Hydranten in der Nähe. Dafür haben wir große Tanklöschfahrzeuge.

Wie steht es um weitläufige Parks und Grünflächen? Braunschweig hat mehr davon als andere Städte.

Ja, auch bei Grasflächen haben wir jetzt ein erhöhtes Gefährdungspotenzial. Hier gibt es eine gute Zusammenarbeit mit und innerhalb der Stadtverwaltung. Ab bestimmten Trockenheitsstufen verbieten wir nach einem bestimmten Gefährdungsindex für Grasland beispielsweise das Grillen im Park, um das Risiko zu minimieren. Ein weiterer Punkt: So ein Feuer breitet sich, wenn ausreichend Brandmaterial vorhanden ist, und das ist im Sommer der Fall, extrem schnell aus. Das bedeutet, wir müssen sehr schnell vor Ort sein, um schnell angreifen zu können, um so effektiv wie möglich den Schaden einzudämmen, das Feuer begrenzen. Da haben wir im Stadtgebiet natürlich eher einen strategischen Vorteil.

Ein Löschflugzeug braucht man da nicht.

Nein, nicht im Stadtgebiet, aber in unzugänglichem Gebiet, wie wir jetzt am Brocken im Harz sehen konnten. Hinzu kamen dort als Herausforderung die steile, ausgedehnte Topographie und zudem der Totholzbestand, der Vorwärtskommen am Boden erschwert beziehungsweise unmöglich macht. Sicherlich haben Löschflugzeuge am Brocken maßgeblich zur Brandbekämpfung beigetragen. Man muss aber auch sagen: Sie brauchen eine erhebliche Infrastruktur und Logistik. Ich würde mir deshalb in der Perspektive für uns wünschen, dass wir wesentlich unkomplizierter und schneller als bisher als Feuerwehren auf Hubschrauber mit Außenlastbehältern zurückgreifen können. Auch sie können 800 bis 2000 Liter Wasser fassen, sind multifunktionell einsetzbar. Am Brocken wurden auch Hubschrauber von Bundespolizei und Bundeswehr eingesetzt. Die Feuerwehren selbst haben keine eigenen Hubschrauber. Da würde ich mir eine schnellere Anforderungsmöglichkeit wünschen. Das wäre aus meiner Sicht wichtiger, als Löschflugzeuge zu beschaffen. Ich erinnere: Je schneller wir effektiv angreifen können, desto kleiner ist das Ausmaß der Schäden.

Wo wären Hubschrauber für Braunschweig idealerweise stationiert?

Der Standort ist sekundär. Entscheidend sind die Anforderungswege für den lokalen Einsatzleiter der Feuerwehr. Es muss schnell gehen. Über sehr viele Schnittstellen, die zu überwinden sind, geht sehr viel Zeit verloren.

Welche weiteren Erkenntnisse hat die Braunschweiger Feuerwehr aus den Ereignissen im Harz gewonnen?

Das Hilfsverfahren „RescEU“ der EU hat sich bewährt! Es waren in diesem Jahr ja auch bereits deutsche Feuerwehreinheiten im Ausland unterwegs, zum Beispiel in Frankreich, in den Jahren zuvor schon in Griechenland und Schweden. Es zeigt sich eben, so wie jetzt auch durch die italienische Hilfe mit Löschflugzeugen am Brocken, dass es Sinn macht, sich europaweit zu vernetzen, um sich so effektiv unterstützen zu können. Innerhalb der EU kann man auf diese gegenseitige Hilfe setzen und sich darauf verlassen!

Die Braunschweiger Feuerwehr ist mit einem Hochleistungs-Pumpensystem ausgerüstet, mit dem sie etwa in Ostdeutschland bei Waldbränden im Einsatz war. Was fehlt noch, wenn man jetzt die richtigen Schlüsse aus den Ereignissen im Harz zieht?

Tatsächlich hat das Land Niedersachsen erkannt, dass wir bei der Vegetations- und Waldbrandbekämpfung besser werden müssen. Brandschutz ist bei uns überwiegend Aufgabe der Gemeinden. Jede schaut natürlich zunächst einmal auf die eigenen Risiken. Das Übergeordnete, um sich auch gegenseitig helfen zu können, ist gerade bei klammen kommunalen Haushalten oft schwierig umzusetzen. Das hat das Land erkannt und ist dabei, eine Landeseinheit Vegetationsbrandbekämpfung aufzubauen. Das heißt, Niedersachsen beschafft spezielle geländegängige Waldbrandfahrzeuge mit Allradantrieb und Selbstschutzanlage nach französischem Vorbild, dort ist man führend in der Waldbrandbekämpfung. Und verteilt diese Fahrzeuge in der Fläche. Hinzu kommt eine entsprechende Spezial-Ausbildung der Kräfte vor Ort, die damit eingesetzt werden. So bekommt man auf Landesebene eine schlagkräftige Einheit, die vor Ort unterstützen kann.

Was ist Ihnen noch wichtig?

Ich erinnere an den vorbeugenden Brandschutz, wie wir ihn bereits bei der Planung und beim Bau von Gebäuden haben. Im Gelände und in der Vegetation müssen wir ähnlich vorgehen! Schon aus den Heidebränden hatte man ja die Konsequenzen mit Feuerschneisen und Löschwasserzisternen gezogen. Vieles davon ist leider auch wieder in Vergessenheit geraten. Wir müssen uns jetzt neu vergegenwärtigen, dass auch die Waldbesitzer ihren Anteil leisten müssen, im Notfall Feuer begrenzen und aufhalten zu können. Wir brauchen Schneisen, Angriffswege für die Feuerwehr.