Berlin. Absolventen der Psychologie können vieles werden, etwa Reittherapeut, Gründer oder psychologischer Berater. Studienplätze sind jedoch rar.

Es gibt nur 120 Plätze pro Uni für jeweils rund 4500 Bewerber : Wer an der Humboldt-Universität (HU) oder an der Freien Universität (FU) Psychologie studieren möchte, braucht entweder ein sehr gutes Abitur oder sehr viel Geduld.

Schon mit der hervorragenden Note 1,2 wird es im Rennen um einen Bachelorstudienplatz eng.

Abwarten ist aber für die wenigsten eine Alternative: Mit 16 Semestern ist die Wartezeit für Psychologie an den beiden öffentlichen Berliner Hochschulen inzwischen länger als die Regelstudienzeit.

Bewerberzahlen schon seit Jahren hoch


Der Andrang sei schon seit Jahren groß und werde es wohl auch bleiben, heißt es bei der Studienberatung der FU: Steigende Studierendenquoten und ein zunehmendes gesellschaftliches Interesse an den Themen Gesundheit und Wohlbefinden sorgen für konstant hohe Bewerberzahlen.

Psychologiestudentin Laura Liegmann hält die Auslese anhand von Schulnoten nicht für sinnvoll. Fächer wie Mathematik, Physik oder Elektrotechnik seien mindestens genauso anspruchsvoll wie Psychologie, findet sie: Aber weil dort kein Platzmangel herrsche, dürfe sich jeder ungeachtet seiner Noten und Erfolgschancen einschreiben.

Spannend, Menschen zu studieren


Liegmann selbst wollte mit ihrem 2er-Abitur nicht vor dem Numerus clausus (NC) kapitulieren: „Für mich gibt es einfach nichts Spannenderes, als Menschen zu studieren, genau das ist ja Psychologie“, sagt die 22-Jährige.

Laura Liegmann studiert Psychologie an der IPU Berlin. Nach dem Bachelorabschluss will sie sich mit einem Masterstudium weiter qualifizieren.
Laura Liegmann studiert Psychologie an der IPU Berlin. Nach dem Bachelorabschluss will sie sich mit einem Masterstudium weiter qualifizieren. © Privat

Als gebürtige Berlinerin wollte Liegmann nach ihrer Schulzeit in Kiel 2016 zurück an die Spree. Statt sich quer durch die Republik vergeblich um einen der heiß begehrten Psychologieplätze an einer öffentlichen Hochschule zu bewerben, setzte sie auf das private Studienangebot in Berlin.

Inzwischen gibt es viele private Hochschulen


Zahlreiche private Hochschulen bieten inzwischen Bachelor- und Masterprogramme in Psychologie an, beispielsweise die IB Hochschule, die Deutsche Hochschule für Gesundheit und Sport DHGS, die Medical School Berlin, die Psychologische Hochschule Berlin oder die Hochschule Fresenius.

Liegmann entschied sich für die 2009 gegründete International Psychoanalytic University (IPU). „Ich habe mir auch andere Privatunis angeschaut, aber die IPU hat mir am besten gefallen“, sagt sie.

Anstelle ihrer Noten zählten im Auswahlgespräch vor allem ihre Motivation, ihre Ziele und Erwartungen ans Studium.

Studiengebühren von bis zu 30.000 Euro


Wer sich den Traum vom Psychologiestudium an einer privaten Hochschule erfüllen möchte, muss dafür tief in die Tasche greifen. Bis zum Bachelor summieren sich die Studiengebühren je nach Hochschule auf 25.000 bis 30.000 Euro.

Wer nicht auf zahlungskräftige Eltern oder eigene Einkünfte bauen kann, muss meist einen Studienkredit aufnehmen oder seine Ausbildung über einen Studienfonds vorfinanzieren. Anbieter sind hier beispielsweise das Sozialunternehmen Chancen eG oder die Deutsche Bildung AG.

Berufsziel sollte über die Hochschule entscheiden


Egal ob privat oder öffentlich: Die Entscheidung für eine Hochschule dürfe nicht allein im Hinblick auf den Preis oder die Zulassungschancen getroffen werden, rät Annette Schlipphak vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP).

„Maßgebliches Auswahlkriterium sollten stets die Studieninhalte und die mit dem Studium verbundenen beruflichen Ziele sein“, sagt sie. Denn nicht überall, wo Psychologie draufsteht, ist nach Ansicht des Verbands auch genug Psychologie drin.

Mischstudiengänge qualifizieren eher für die Wirtschaft


Das gilt insbesondere für Mischstudiengänge wie Wirtschafts-, Werbe- oder Medienpsychologie, die zwar oft gut auf eine Karriere in der Wirtschaft vorbereiten, aber nicht ausreichend für therapeutische oder psychologisch-beratende Aufgaben qualifizieren.

Wer später in den Berufsverband aufgenommen werden möchte, sollte auf jeden Fall die Liste der vom BDP anerkannten öffentlichen und privaten Studiengänge prüfen, bevor er sich einschreibt. Besonders streng sind die Anforderungen, wenn mit dem Psychologiestudium das Berufsziel Psychotherapeut verbunden ist.

Hoher Bedarf an Psychotherapeuten


Psychische Erkrankungen zu diagnostizieren und zu behandeln ist ein wichtiger und wachsender Arbeitsmarkt: Laut einer Umfrage des Robert-Koch-Instituts („Gesundheit in Deutschland aktuell“) nimmt bereits rund jeder zehnte Erwachsene psychotherapeutische Leistungen in Anspruch.

Knapp 20.000 Psychologen arbeiten als Psychotherapeuten, ein Großteil davon in ambulanten Praxen, aber auch in Krankenhäusern, Vorsorge- und Reha-Einrichtungen.

Interesse der Studierenden am Therapeutenberuf


Entsprechend bekannt und beliebt ist der Therapeuten­beruf: Laut einer gemeinsamen Umfrage der Studierenden im BDP und des Verbands Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (VPP) startet fast jeder zweite Psychologiestudent mit diesem Berufsziel ins Studium. In höheren Semestern können sich sogar fast 60 Prozent eine Therapeutenkarriere vorstellen.

Teure mehrjährige Zusatzausbildung


Doch Psychologischer Psychotherapeut ist eine gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung. Der Weg zur Approbation führt bislang über einen Masterabschluss mit Schwerpunkt klinische Psychologie sowie eine teure drei- bis fünfjährige Zusatzausbildung.

Immerhin: Ab Herbst 2020 soll es die ersten Bachelor- und Masterstudiengänge in Psychotherapie geben. Das wird die Weiterbildung verkürzen und günstiger machen.

Sowohl bei der Zulassung zum Masterstudium als auch zur Therapeutenausbildung werden klinische Inhalte vorausgesetzt, die nicht jedes Bachelorprogramm abdeckt.

FernUniversität Hagen warnt


Die FernUniversität Hagen rät Bewerbern mit dem Berufswunsch Psychotherapeut beispielsweise ausdrücklich von ihrem NC-freien Psychologiebachelor ab.

Es sei nicht gewährleistet, dass damit die erforderlichen Weiterqualifikationen im klinischen Bereich absolviert werden können, heißt es auf der Website.

Studium explizit für den Therapeutenberuf


An der IPU ist Laura Liegmann auf der sicheren Seite. Das Studium zielt explizit auf den Therapeutenberuf ab. Im Sommer 2019 wird sie ihr Bachelorstudium abschließen.

Ein passender Masterstudienplatz an der IPU ist ihr so gut wie sicher, anders als an staatlichen Hochschulen, wo auch beim Master starke Konkurrenz herrscht.

„Neben dem fachlichen Angebot ist gerade Berlin als Stadt sehr attraktiv für junge Menschen, es gibt also viele Bewerbungen von außerhalb“, sagt Reinhard Beyer, Professor für Allgemeine Psychologie und Studienfachberater an der HU. Zuletzt kamen dort auf 80 Plätze rund 630 Bewerber. Auch an der Universität Potsdam wird es ohne Top-Noten schwer.

Verbindung von Sport und Psychologie


„Den NC für den Master in Klinischer Psychologie werde ich mit Sicherheit nicht schaffen“, sagt Annika Brembach. Genau wie Laura Liegmann wird die 22-jährige im Sommer ihren Bachelorabschluss machen. Wie es danach für sie weitergeht, ist noch offen.

Die ehemalige Leistungssportlerin aus Falkensee hat ihr Abitur (Note 2,0) auf der Sportschule Potsdam gemacht und ihren Psychologiestudienplatz unabhängig vom NC über den Olympiastützpunkt Brandenburg erhalten. Doch beim Zugang zum Masterstudium hat sie jetzt keinen Vorteil mehr.

Förderverein Mensch und Tier bietet Reittherapie an


Ihr würde es gefallen, ihr Psychologiestudium und ihre Sporterfahrung in einem therapeutischen Beruf zu verbinden. So wie bei ihrem Praktikum im Bereich Reittherapie beim Pferdeprojekt des Fördervereins Mensch und Tier.

Zehn bis 15 Stunden pro Woche verbrachte sie dabei auf einem Bauernhof in Großziethen. Sie versorgte die Therapiepferde und begleitete die überwiegend jungen Patienten bei ihren Therapiestunden. „Ich habe dort sehr schöne Momente erlebt und ein breites Spektrum an Störungsbildern kennengelernt“, erzählt sie.

Als Psychologe eine Firma gründen


Benjamin Uebel entschied sich für einen anderen Berufsweg. Der 39-Jährige hat an der HU Psychologie studiert. „Aus persönlichem Interesse, aber lange ohne konkretes Berufsziel“, sagt er.

Benjamin Uebel ist Diplom-Psychologe und Gründer von Userlutions.
Benjamin Uebel ist Diplom-Psychologe und Gründer von Userlutions. © Privat

Nach seinem Diplomabschluss 2007 gründete der leidenschaftliche Hobbymusiker zunächst ein Crowdfunding-Start-up für Bands. Parallel brachte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU anderen Start-ups das Thema Nutzerfreundlichkeit (Usability) nahe.

Nach dem Studium Webseiten testen mit Psychologie


Dabei entstand die Idee zu seinem heutigen Unternehmen Userlutions. Dort vereint Uebel seit 2011 Psychologie, Gründungs- und Usability-Erfahrung: Das Unternehmen testet Webseiten auf ihre Nutzerfreundlichkeit und berät Kunden.

„Etwas Psychologie steckt fast überall drin, und für Psychologen gibt es immer mehr Aufgaben in unterschiedlichsten Lebensbereichen“, sagt Uebel. „Die Kombination aus Psychologiestudium und einem Spezialgebiet oder besonderen Interessen hat auf jeden Fall Zukunft.“