Stuttgart. Die Cabrio-Studie Vision 6 von Maybach wird so wohl leider nie in Serie gehen. Doch sie transportiert ein paar wichtige Botschaften.

Showtime auf dem vielleicht vornehmsten Golfplatz der Welt: Kurz bevor in Pebble Beach im US-Bundesstaat Kalifornien das Schaulaufen der Oldtimer beginnt, hat Mercedes dort ein Versprechen auf die Zukunft des Autos enthüllt. Denn am Rande des Concours d’Élégance zog Daimler-Designchef Gorden Wagener das Tuch vom Mercedes-Maybach Vision 6 Cabrio – einem fast sechs Meter langen Sonnenfänger für Superreiche, der perfekt in die Szenerie der automobilen Hochkultur zwischen Carmel Valley und Monterey Peninsula passt.

Das nautikblaue Cabriolet ist zwar nur eine Weiterentwicklung aus dem vergangenen Jahr, wo der Maybach noch als feuerrotes Coupé auf dem Green glänzte. „Doch das Auto sah schon als kleines Modell offen so klasse aus, dass wir es einfach noch einmal in groß bauen mussten“, sagt Designchef Wagener. Das Raunen der Reichen bei der Premiere gibt ihm recht. Selbst ein Rolls-Royce Dawn wirkt plump neben der filigranen wie faszinierenden Luxusyacht für die Straße, die mit wenigen Linien auskommt und auf die Überzeugungskraft ihrer Proportionen setzt: die wohl
längste Motorhaube der Welt, eine extrem flache Silhouette und das Heck einer Segelyacht – fertig ist die Reinkarnation der legendären Art-déco-Schönheiten, die hier in Pebble Beach vor 80 Jahren als Neuwagen präsentiert wurden und jetzt um die begehrten Concours-Trophäen ringen.

Die Idee ist alt, aber die Ausführung könnte moderner kaum sein. Das gilt insbesondere für das Interieur. Denn wenn sich die von Fäden in Roségold durchwirkte und ansonsten blütenweiße Stoffmütze nach hinten faltet, blickt man in eine rollende Luxuslounge, in der sich selbst Captain Future zu Hause fühlen würde: Kristallweiße Ledersitze schweben förmlich über dem gläsernen Mitteltunnel, und um beide Passagiere ziehen sich blau hinterleuchtete Displays für Navigation und Infotainment, die brillanter sind und aufwendigere Grafiken zeigen als je zuvor.

Als gewollter Bruch mit dem digitalen Zauber im Cockpit sind klassische Analoginstrumente hinters Lenkrad gepflanzt worden. Schließlich trägt auch die Generation Smartphone wieder mechanische Uhren und entdeckt gerade die Schallplatte neu.

Unter dem Blech ist der offene Luxusliner ebenfalls zukunftsfest. Denn er fährt mit einem zwar nicht sehr vernünftigen, aber immerhin zeitgemäßen Elektroantrieb, wobei der hier eben etwas mehr Leistung hat und die vier Motoren auf stolze 750 PS kommen. Das reicht für einen Sprint von null auf 100 km/h in weniger als vier Sekunden und locker für ein standesgemäßes Spitzentempo von 250 km/h.

Wenn das Selberfahren schon

zum ultimativen Luxus wird

Natürlich gibt es für den Vision 6 auch einen Autopiloten – den die Kunden in Wageners Studie aber kaum je benutzen würden. „Denn in einer Zeit, in der alle Autos per Computer gesteuert werden, wird das Selberfahren zum ultimativen Luxus“, sagt der Designer.

Oder könnte es zumindest werden, wenn die Vision mal Wirklichkeit wird. Darauf allerdings sollte man bei diesem Auto nicht hoffen, sagt Wagener und lässt sich auch von den Blankoschecks nicht umstimmen, die ihm Auto-Aficionados in Pebble Beach zustecken wollten. Dabei gibt es mit Coupé und Cabrio der Vision 6 bereits so etwas wie eine Kleinstserie. Das offene Auto ist voll funktionsfähig und schon einige Kilometer über den 17-Mile Drive gefahren. Dass die Idee auch im Unternehmen gut ankommt, sieht man nicht zuletzt daran, dass Wagener das Go für ein zweites Auto im gleichen Stil bekommen hat. Aber eine Serienfertigung oder eine Auftragsproduktion von Einzelexemplaren schließt der Designchef aus. Nicht zuletzt, weil sein Team zu viel mit dem Portfolio der Zukunft zu tun hat.

Dennoch solle der Luxusliner ein paar wichtige Botschaften transportieren, sagt Wagener. Zum einen, dass sich die Schwaben die Lust an Luxus und Leistung weder von mieser Stimmung in der Heimat noch vom Beginn der Ära des elektrischen und autonomen Autos verderben lassen. Und zum anderen, dass Maybach sehr wohl eine eigenständigere Modellpalette bekommt. „Man muss sich nur ansehen, was wir in den vergangenen zehn Jahren mit AMG gemacht haben“, sagt Wagener mit Blick auf SLS, GT und den kommenden Gran Turismo.