Salzgitter. Unbekannte beschmieren drei Orte in Lebenstedt mit Worten wie „Rache“. Eine betroffene Laden-Inhaberin sagt: „Wir haben Angst.“

Unbekannte haben zwei türkische Geschäfte in Salzgitter-Lebenstedt sowie ein Kulturzentrum mit Parolen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) besprüht. Der Staatsschutz der Polizeiinspektion Salzgitter-Peine-Wolfenbüttel hat Ermittlungen aufgenommen.

Als die Inhaberin ihr Lebensmittelgeschäft an der Ecke Berliner und Marienbruchstraße am Donnerstag um kurz vor acht Uhr öffnen wollte, wurde ihr mulmig. Worte wie „Rache“ auf Türkisch, „PKK“ und „1978“ – das Gründungsjahr der in Deutschland verbotenen Organisation – waren großflächig auf die Scheiben ihres Lebensmittelladens gesprüht worden. „Ich habe sofort die Polizei informiert“, sagt sie.

Sie war nicht die einzige Betroffene: Ähnliche Slogans fanden sich an einem weiteren Geschäft in der Berliner Straße sowie der Fassade des Türkischen Erziehungs- und Kulturzentrums in der Albert-Schweitzer-Straße, berichtet Polizeisprecher Malte Jansen.

Überwachungskamera filmt Sprayer in Salzgitter

Die Überwachungskamera des Lebensmittelgeschäftes zeichnete die Taten auf: Gegen 6.13 Uhr näherten sich der Inhaberin zufolge zwei bis drei Personen, die sich Tücher um die Köpfe geschlungen hatten. „Man konnte nur die Augen erkennen.“ Ihre Familie betreibt den Laden seit 2006. „Wir haben mit niemandem Ärger. Aber es ist bekannt, dass wir Türken sind. Das hat offenbar gereicht.“

Sie sieht einen Zusammenhang mit einem Vorfall in Hannover. Am Dienstagabend hatten 20 Personen das türkische Generalkonsulat in der Landeshauptstadt mit Steinen und Eisenstangen attackiert. „Dass kurz danach so etwas bei uns passiert, macht mir Angst“, sagt die Betreiberin.

Die Inhaberin entdeckte die Schriftzüge, als sie das Geschäft am Donnerstagmorgen öffnen wollte.
Die Inhaberin entdeckte die Schriftzüge, als sie das Geschäft am Donnerstagmorgen öffnen wollte. © Salzgitterinfos | Rudolf Karliczek

Bereits im Dezember hatten Unbekannte die Schaufensterscheibe ihres Geschäfts beschädigt. Sie durchschlugen die Scheibe an zwei Stellen mit einem spitzen Gegenstand.

Die Polizei Salzgitter sieht die jüngsten Graffiti – juristisch handelt es sich um Sachbeschädigung – „im Kontext der ständigen und dauerhaften Auseinandersetzungen türkisch- und kurdischstämmiger Kreise“. Konkrete Hinweise zu den Tätern gebe es noch nicht, so Polizeisprecher Malte Jansen.

Opfer aus Salzgitter sieht Zusammenhang zu Angriff in Hannover

Der Vorfall in Hannover am Dienstagabend hatte hohe Wellen geschlagen. Zunächst gab es in der Innenstadt eine Demonstration unter dem Titel „Gegen die Angriffe von Nationaltürken in Belgien“, an der laut Polizei bis zu 450 Menschen teilnahmen. Dabei sei es wiederholt zu strafbaren Ausrufen einzelner Teilnehmer gekommen, berichtete die Polizei. Zudem wurden Fahnen mit verbotenen Symbolen geschwenkt, Vermummte hätten Pyrotechnik auf Polizisten geworfen.

Insgesamt leiteten die Beamten neun Strafverfahren ein, unter anderem wegen des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz.

Die Bundesregierung verurteilte den Angriff in Hannover scharf. „Gewalt – gleich welcher Couleur – hat in unserer Gesellschaft keinen Platz“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin am Mittwoch.

Das türkische Außenministerium machte Unterstützer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verantwortlich. Sie hätten den Angriff auf den Eingang des türkischen Konsulats organisiert. Nach dem Angriff habe man deutsche Vertreter kontaktiert und sie daran erinnert, dass sie „verantwortlich für die Sicherheit unserer Bürger und diplomatischen Einrichtungen“ seien.

Attacke auf Auto mit türkischen Insassen aus Demo-Zug in Salzgitter

Immer wieder machen sich die Konflikte zwischen Türken und Kurden auch in Salzgitter bemerkbar. Im Jahr 2017 griffen Teilnehmer einer kurdischen Demonstration nach Provokationen eine türkische Hochzeitsgesellschaft an. Im Februar 2018 kam es dann zu einem Angriff auf ein Auto mit einem türkischstämmigen Insassen aus einer Demonstration von PKK-Sympathisanten heraus. Mit Fahnenstangen, Plakaten und Fußtritten drosch ein Pulk aus jungen Menschen damals auf einen grauen VW Beetle ein. Sogar das türkische Staatsfernsehen berichtet – wenn auch stark übertrieben.

Knapp ein Jahr nach dem Angriff erhob die Staatsanwaltschaft Braunschweig Anklage gegen fünf Jugendliche und Heranwachsende wegen gemeinschaftlichen Landfriedensbruchs. Die Angeklagten erklärten, der Autofahrer habe die Teilnehmer durch den „Wolfsgruß“ provoziert. Er gilt als Erkennungszeichen der „Grauen Wölfe“, wie Anhänger der „Ülkücü“-Bewegung bezeichnet werden. Dabei handelt es sich um eine Bewegung rechtsextremer Türken.

Der Übergriff sorgte damals für heftige Reaktionen und Ängste unter Salzgitteranern mit türkischen Wurzeln. Kurze Zeit später demonstrierten 2000 von ihnen vor dem Rathaus gegen „den Terror“. Eine Kundgebung, die stark an Nationalgefühle appellierte und von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten organisiert wurde, die der türkischen AKP nahesteht.

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