Braunschweig. Solidarische Landwirtschaft: Kunden zahlen die Produktionskosten und sichern so die Existenz kleiner Höfe. Tipp für Interessierte: Film und Hoffest.

Was, wenn am Anfang des Frühlings schon feststehen würde, dass der landwirtschaftliche Betrieb im nächsten Jahr nicht in Schieflage geraten wird – egal wie trocken oder nass das Jahr wird, ob es Unwetter gibt oder Schädlingsbefall? Was sich nach einem Wunschtraum anhört, ist für einige landwirtschaftliche Betriebe in unserer Region Realität. Denn die Mitglieder dieser in Solidarischer Landwirtschaft (Solawi) betriebenen Höfe bezahlen mit ihren Beiträgen nicht die Produkte, sondern die Produktionskosten.

Dafür gibt es jede Menge Gemüse und andere Waren wie Getreide, Kichererbsen, Milch- und Fleischprodukte. Im vergangenen Jahr waren es bei der „Solawi Landwandel“, zu der die Bioland Hofgemeinschaft Lindenhof Eilum und das Klostergut Heiningen im Landkreis Wolfenbüttel zählen, beispielsweise etwa 180 Kilogramm Gemüse pro Anteil. „Im Sommer können es sechs bis sieben Kilo pro Woche sein“, sagt Daniel Fischer. Er ist Gartenbauingenieur und einer der Gemüsegärtner auf dem Lindenhof – im Jahr 2020 hat er die „Solawi Landwandel“ mitgegründet.

„Solawis geben dem Landwirt Planungssicherheit“

„Das Hauptziel ist, dass kleine Bio-Betriebe, die vielfältig anbauen und die Region versorgen, am Leben bleiben“, sagt Fischer. Die Vorteile dieses Systems für den Hof liegen auf der Hand: „Es gibt uns Planungssicherheit, auch bei Ernteausfällen.“ Und es zeige, so Marit Vahjen, Solawi-Mitglied der ersten Stunde, wie Landwirtschaft auch funktionieren kann, nämlich nachhaltig.

Fischer: „Wir arbeiten mit einer weiten Fruchtfolge und setzen viele Gründüngungspflanzen ein.“ Zudem, betont Vahjen: Alles bleibe in der Region, es gebe keine langen Transportwege. Und, so Fischer, es müsse weniger weggeworfen werden als in der konventionellen Landwirtschaft. „Denn die Mitglieder sind toleranter, was die äußere Qualität des Gemüses angeht.“

Daniel Fischer arbeitet auf dem Lindenhof Eilum und hat die „Solawi Landwandel“ mit gegründet. Marit Vahjen ist Solawi-Mitglied der ersten Stunde.
Daniel Fischer arbeitet auf dem Lindenhof Eilum und hat die „Solawi Landwandel“ mit gegründet. Marit Vahjen ist Solawi-Mitglied der ersten Stunde. © Unbekannt | Peter Sierigk

Der Ertrag des Lindenhofs wird derzeit in 400 Anteile aufgeteilt, eine Hälfte davon geht in die Direktvermarktung: den Hofladen und Wochenmärkte in der Region. Die andere Hälfte geht an die Mitglieder der Solawi. Die müssen sich für ein Erntejahr binden, das von April bis März läuft. 180 Anteile sind vergeben, weitere Mitglieder können laut Fischer auch im bereits laufenden Solawi-Jahr noch aufgenommen werden. Im Moment kostet ein Anteil 78 Euro pro Monat.

Die Mitglieder der Solawi sollen mehr für ihr Geld bekommen als anderswo

Aber es gebe im Moment bereits Menschen, die etwas mehr geben, um anderen, die nicht so viel Geld haben, ebenfalls einen Anteil zu ermöglichen. Ziel sei es, diesen solidarischen Gedanken weiter auszubauen, so Fischer. Die Mitglieder bekommen anteilig, was gerade geerntet wird – Vahjen zufolge eine große Vielfalt. Wer auch Milch- und Fleischwaren des Klosterguts Heiningen bekommen möchte, der kann sich dort sein individuelles Paket zusammenschnüren. Beispielrechnungen auf der Internetseite des Guts liegen zwischen 66 und 90 Euro im Monat.

Am Beginn eines landwirtschaftlichen Jahres würden die Kosten kalkuliert, erläutert Fischer. Ziel ist dabei auch eine angemessene Bezahlung der Gärtnerinnen und Gärtner, die sich konkret am Durchschnittseinkommen der Region orientiert. Auf die einzelnen Anteile werde der Betrag dann runtergebrochen, so Fischer. „Es soll transparent und nachvollziehbar sein.“

Ziel sei es auch, dass die Mitglieder in einem guten Jahr mehr für ihr Geld bekommen, als wenn sie woanders einkaufen würden. Und das gilt nicht nur für das Gemüse. Vahjen: „Es ist toll zu wissen, wo und wie alles wächst.“ Und wer sich mehr einbringen, auch mal helfen wolle, der könne das tun. Unabhängig davon gebe es im Sommer beispielsweise auch die Möglichkeit, direkt auf dem Hof Beeren zu pflücken.

Die Solawi-Mitglieder wiegen das Gemüse selbst ab und teilen es ein

Geliefert wird das Gemüse an Abholstationen unter anderem in Braunschweig, Goslar und im Landkreis Wolfenbüttel immer freitagvormittags. Die Mitglieder können sich die Waren dann abholen. Sie nehmen sich das Gemüse selbst, wiegen es ab, teilen es ein, je nach Angaben auf einer Liste, die der Hof mitliefert, und jeder für sich.

Blick in den Folientunnel des Lindenhofs Eilum. Hier wächst Gemüse.
Blick in den Folientunnel des Lindenhofs Eilum. Hier wächst Gemüse. © Unbekannt | Daniel Fischer

Mit der Idee der Solidarischen Landwirtschaft steht die „Solawi Landwandel“ in unserer Region nicht allein da. Schon vor zehn Jahren entschied Lea Nagel, ihren Hof in Dahlum im Landkreis Wolfenbüttel als Solidarische Landwirtschaft weiterzuführen. Da hatte der Betrieb bereits mehr als 20 Jahre Bestand. Zunehmendes Preisdumping und die unsichere Abnahmesituation haben laut der Solawi Dahlum zu diesem Schritt geführt.

Adelheid Hinze machte sich 2022 mit einer Gemüse-Solawi in Wedesbüttel im Landkreis Gifhorn selbstständig. Der Hof, auf dem sie aufwuchs, ist schon einige hundert Jahre alt und wurde seit den 1970er Jahren nicht mehr bewirtschaftet. Mit der solidarisch wirtschaftenden Gemüsegärtnerei wagte sie einen Neustart.

Für Daniel Fischer von der Solawi Landwandel hat die Solidarische Landwirtschaft einen weiteren positiven Effekt: Für Auszubildende sind wir dadurch attraktiver geworden. „In der Bio-Szene sind Solawis sehr beliebt. Auszubildendenmangel haben wir nicht.“

Dokumentarfilm „Ernte teilen“ und Hoffest auf dem Lindenhof

Ein Tipp für alle, die den Lindenhof und die Solawi Landwandel näher kennenlernen möchten: Am 3. September, von 10 bis 18 Uhr, findet ein Hoffest mit Live-Musik und Vorträgen statt, Lindenhof Eilum, Presseweg 6.

Am Montag, 31. Juli, zeigt das Universum-Kino in Braunschweig um 19 Uhr in der Reihe „Dok am Montag“ den Film „Ernte teilen“. In der Ankündigung heißt es: „Filmemacher und Aktivist Philipp Petruch begibt sich mit dem Film auf eine Reise zu drei Solawi-Initiativen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Sie verbindet ein klares Ziel: Mithilfe von Gemeinschaften schaffen sie einen lokalen Versorgungskreislauf nach den Werten von Ökologie und Gemeinwohl.“ Es gehe um ein neues Verhältnis von Konsument und Produzent sowie um die Abkehr von Wachstumszwängen und konventioneller Landwirtschaft. Der Film wird in Kooperation mit den Solawis Dahlum und Landwandel, der Initiative Slowfood Braunschweig Land und dem Ernährungsrat Braunschweiger Land gezeigt.