Braunschweig. Das Landgericht Braunschweig verurteilt einen 29-Jährigen, sieht jedoch auch Entlastendes. So wird das Urteil begründet.

So etwas nennt man wohl einen Teufelskreis. Am Ende musste der drogenabhängige 29-Jährige koksen, um Tag und Nacht seinen Geschäften mit mehreren Handys gleichzeitig nachgehen zu können. Und den Prostituierten, vorzugsweise jung, die er so ausbeutete, immer mehr Geld abknöpfen, um seinen Kokainkonsum zu finanzieren. Wenn sie es nicht auf zwei Freier in einer Stunde brachten oder sogar aussteigen wollten, mussten sie von ihm auch schon mal „überredet“ werden.

Insgesamt aber, befand am Mittwoch das Landgericht milde, sei dieser Angeklagte aber eher ein Softie als Zuhälter gewesen, einer mit Gefühlen, nicht so, wie man es brutal aus einschlägigen Filmen kenne, wo schon mal hingelangt werde.

Prostituierte: Verglichen mit anderen war dieser Zuhälter vergleichsweise harmlos

Auch manche seiner Opfer hätten ihn als nett beschrieben, mitunter habe sogar eine lustige Kindergarten-Atmosphäre geherrscht. Und eine Prostituierte, mit der er’s zu tun hatte, meinte noch, der 29-Jährige sei ein „Dulli“ gewesen, also harmlos verglichen mit all dem, was sie schon so erlebt habe.

Auch der psychiatrische Gutachter fand viel Entlastendes für den 29-Jährigen. Schon mit 12 habe er zu kiffen begonnen, regelmäßiger Cannabis-Konsum, schnell bis zu mehreren Gramm am Tag. Pubertät, so der Gutachter, sei eine nicht umsonst mehrjährige wichtige Zeit für die Entwicklung des Heranwachsenden und seines Gehirns.

In Fällen wie diesen aber werde diese notwendige Entwicklung und Identitätsbildung gehemmt, es komme zu signifikanten Lücken: „Die Persönlichkeit bleibt defizitär.“

Und so habe, schließt der Gutachter, das Gericht mit dem Angeklagten einen „scheinbar stabilen Mann“ erlebt, mit dem man Verabredungen treffen könne, der aber „mit dem normalen Leben nicht klarkommt“. Eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten mithin, die einen professionellen Drogenentzug in Haft erforderlich machten, Therapiedauer zwei Jahre.

Der 29-jährige Angeklagte hatte ein Rund-um-die-Uhr-System mit Managementqualitäten entwickelt

Ohnehin ist der Angeklagte vollumfänglich geständig, räumt die ihm zur Last gelegten Taten ein: mehrere Fälle von Zuhälterei, Menschenhandel, Zwangsprostitution. Minderschwere Fälle, wie nun geurteilt wurde.

Aber immerhin: Zwar ist die Prostitution selbständiger Frauen in der sogenannten Sexarbeit legal, doch strafbar ist es, diese Frauen dazu zu überreden, sie zur Fortsetzung zu zwingen und ihnen dann auch noch wie in diesem Fall mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen abzuknöpfen. Zudem kommt hier noch dazu, dass junge Frauen unter 21 Jahren dabei waren.

In acht Fällen hatte der 29-Jährige ein Rund-um-die-Uhr-System mit Managementqualitäten entwickelt – quasi zur Gewinnmaximierung.

Jedes seiner Opfer hatte ein eigenes Arbeitshandy – und zur Fernsteuerung an ständig wechselnden Orten mit möglichst hoher Frequenz war ein minutenscharf getaktetes eigenes Messaging-System entwickelt worden. Mit freien Entscheidungen hatte dies nichts mehr zu tun. Doch immerhin: Er ließ auch Frauen gehen, wenn sie nicht mehr wollten oder konnten.

Lob vom Gericht: Durch das Geständnis blieb den betroffenen Frauen die Aussage erspart

Aufgeräumte Stimmung im Landgericht. Der Richter zeigt auf gewaltige Aktenstapel: Diese an vielen Verhandlungstagen durchzukauen, das sei allen durch das Geständnis erspart geblieben. An nur zwei Vormittagen sei man durchgekommen.

Und das Wichtigste: Auch den betroffenen Frauen sei die Aussage erspart geblieben.

Verständigung der Parteien tut ein Übriges: Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten, erschwerend wirkten sich mehrere Vorstrafen (u.a. Körperverletzung, Diebstahl, Falschgeld) aus – und die Verletzung einer Bewährungsfrist.

Die Drogen-Therapie ist jetzt inklusive. „Das kostet den Staat viel Geld. Nutzen sie es“, meint der Richter noch. Und für später empfiehlt er einen rechtschaffenen Beruf: „Ofenbauer werden überall gesucht. Versuchen Sie’s mal.“

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