Salzgitter. Die Teile-Fertigung soll schneller und wirtschaftlicher werden. So will der Autobauer zukunftsfähig bleiben.

Die Zukunft fährt elektrisch. Darauf hat sich VW festgelegt. Irgendwann fährt sie autonom, auch davon geht VW aus. Außerdem werden Autofahrer – oder sind es dann nur noch Fahrgäste? – künftig zunehmend digitale Angebote im und rund ums Fahrzeug nutzen. Um diesen Wandel schnell und kostengünstig zu gestalten, stellt VW seine Komponenten-Fertigung – dazu gehören etwa Motoren, Lenkungen, Getriebe und Batteriesysteme für E-Autos – neu auf. Entwicklung und Produktion werden in einer eigenen Marke gebündelt. In diesem Jahr geht es los.

Um über die Veränderungen zu informieren, hat VW am Freitag ins Werk Salzgitter eingeladen. Salzgitter deshalb, weil die Fabrik für Verbrennungsmotoren nach Angaben von Thomas Schmall, Vorstandschef der neu-formierten Konzern-Komponente, „vor einem der wichtigsten Transformationsprozesse im Konzern steht“.

Dort ist vom oben geschilderten Wandel, der bei VW Transformation heißt, jedoch nur wenig zu spüren. Es ist wohl die Ruhe vor dem Sturm. Noch lebt der Autobauer vom Verbrennungsmotor. Und bis 2022 werden die Absatzzahlen des Verbrenners sogar noch steigen, prognostiziert Schmall. Erst danach machten sich Stromer in den Auslieferungszahlen bemerkbar.

Außerdem gilt: Wandel ist immer. Aktuell müssen die Salzgitteraner, die täglich 7000 Motoren herstellen, zum Beispiel die Langzeitfolgen des Abgas-Betrugs und die daraus resultierende Abkehr der Kunden vom Diesel bewältigen. Nach Angaben von Werkleiter Christian Bleiel hat das Werk vor einem Jahr noch 5000 Diesel-Aggregate und 2000 Benziner täglich produziert. Künftig seien es 3000 Diesel und 4000 Benziner. Diese Umkehrung muss erstmal gewuppt werden.

Nun aber zurück zur Zukunft und einer Transformation, die mit ihrer Ausrichtung auf E-Mobilität, autonomes Fahren und Digitalisierung noch viel tiefgreifender und herausfordernder ist. Hier geht es um neue Techniken, daher können Erfahrungswerte nur bedingt weiterhelfen. Dieser Strategieschwenk hat etwas von einer Wette, noch weiß niemand, wie sexy die Kunden die elektrifizierten Autogenerationen tatsächlich finden.

Was der Wandel für die Produktion und Personalplanung bedeutet, wird in Salzgitter an einem relativ unscheinbar aussehenden Ausstellungsstück erkennbar. Das ist nicht viel größer als ein Schulranzen und an einer Seite aufgeschnitten, um das komplexe Innenleben erahnen zu können. Dieses kompakte Stück Technik ist ein 200 PS starker E-Motor mitsamt Getriebe. Gebaut wird er im Werk Kassel, Rotor und Stator kommen aus Salzgitter.

Gemessen an der Größe eines klassischen Verbrennungsmotors mit Getriebe ist der E-Motor ein Zwerg. Das gilt auch für den Arbeitsaufwand: Die Produktion des E-Motors mitsamt Getriebe wird nach VW-Angaben weniger als die Hälfte der Zeit beanspruchen, die derzeit für die Fertigung eines Verbrennungsmotors mit Getriebe aufgebracht werden muss. Dieser Wert lässt sich auf die Fertigung eines kompletten E-Autos übertragen. Die Zeitersparnis gegenüber einem herkömmlichen Fahrzeug beträgt 30 bis 50 Prozent.

Das wird in der Produktion nicht ohne Folgen für die Arbeitsplätze bleiben. Schmall kündigte an, dass von den 80.000 Stellen in den weltweit 61 Komponentenwerken 10 Prozent bis 2023 abgebaut werden sollen. Das soll wie schon beim „Zukunftspakt“ bei der Marke VW entlang der demografischen Kurve geschehen, also über Altersteilzeitregelungen und ohne betriebsbedingte Kündigungen – so sieht es zumindest die Theorie vor. Allerdings gebe es Unwägbarkeiten, zum Beispiel unabsehbare politische Entwicklungen, räumte Schmall ein.

Um Arbeitsplätze zu sichern, um Know-how aufzubauen und um wettbewerbsfähig zu bleiben, baut VW neue Geschäftsfelder auf oder bereitet sie zumindest vor. In Salzgitter zieht das Unternehmen aus dem Konzern 270 Experten zusammen, um dort eine Pilotanlage für die Fertigung von Batteriezellen zu errichten. VW will lernen, wie die Produktion funktioniert und wie sie wirtschaftlich gestaltet werden kann. Dafür gibt es zwei Gründe: Bei E-Autos entfällt etwa ein Drittel der Wertschöpfung auf die Batterie – mit ihr lässt sich also ordentlich verdienen. Außerdem will der Autobauer nicht in die Abhängigkeit von Zulieferern geraten. Fest scheint zu stehen, dass VW mit einem Partner in die Fertigung von Batteriezellen einsteigt. Ob diese Fabrik in Salzgitter gebaut wird, ist nach Angaben von Stefan Sommer, Konzernvorstand für Beschaffung und Komponente, noch nicht entschieden.

In diesem Jahr soll in Salzgitter zudem eine Testanlage für das Batterie-Recycling aufgebaut werden. Das Ziel: 97 Prozent der Rohstoffe sollen wiedergewonnen werden. Geht das Konzept auf, könnten also aus alten Batterien zu einem Großteil neue entstehen.

Die Transformation wird laut Schmall dazu führen, dass sich VW aus wirtschaftlichen Gründen von Teilen der Fertigung trennt. Diese Teile sollen künftig von Zulieferern kommen. Wolfsburg werde etwa die Fertigung von Stahlrädern verlieren, Braunschweig die Kunststoff-Produktion, Hannover die Wärmetauscher-Fertigung. In der Landeshauptstadt seien davon 400 Arbeitsplätze betroffen, sagte Schmall. Um diesen Mitarbeitern eine Perspektive zu bieten, sollen in Hannover künftig Ladestationen gebaut werden – für die heimische Garage etwa oder auch mobile wiederaufladbare Stationen, an denen bis zu vier Autos Strom „tanken“ können.

Das Feld E-Mobilität wird nur ein Standbein der neuen Komponenten-Marke sein. Hinzu kommen die Geschäftsfelder Motor und Gießerei, Getriebe und E-Antriebe, Fahrwerk sowie Sitze. Sie arbeiten markenübergreifend und sind für ihre Komponenten von der Entwicklung bis zur Produktion verantwortlich. So will VW Kosten sparen. Als wirtschaftliches Ziel steht eine Rendite von 6 Prozent. Auch das wäre ein Wandel – nach oben.