Die Publizistin Jean Carroll beschuldigt Donald Trump, sie in den 90er Jahren vergewaltigt zu haben. Die Jury war teilweise überzeugt.

Die Ratgeber-Kolumnistin E.J. Carroll hat mehr als ein Vierteljahrhundert nach erlittener Pein in New Yorker einen Prozess um Verleumdung und Vergewaltigung gegen Donald Trump erstritten. Amerikas Ex-Präsident verzichtete darauf, den Geschworenen in die Augen zu sehen, seine Version der Dinge darzulegen und unter Eid durch klare Antworten auf Nachfragen die Glaubwürdigkeit der heute 79-Jährige zu erschüttern.

Die US-Strafprozessordnung für Zivil-Verfahren lässt das zu. Dennoch hat sich der Ex-Präsident durch sein Fernbleiben, konterkariert durch sexistische und geringschätzige Kommentare gegen Carroll und dem Gericht in sozialen Medien, offenbar einen Bärendienst erwiesen.

New York: Gemischte Jury entscheidet einstimmig

Die sechs männlichen und drei weiblichen Geschworenen schenkten am Ende der durchweg souverän aufgetretenen Klägerin und den zehn aufgerufenen Zeugen/-innen einstimmig weitgehend Glauben. Und nicht den Anwürfen von Trumps Verteidiger Joe Tacopina, der Carroll penetrant als Lügnerin charakterisierte und den eigentlichen Skandal darin erkannte, dass der Prozess gegen seinen Mandanten zustande kam.

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Wegen sexuellen Missbrauchs und Verleumdung muss Trump insgesamt fünf Millionen Dollar Schmerzensgeld an Carroll zahlen. Den Vorwurf der Vergewaltigung sah die Jury hingegen als nicht bewiesen an.

Die Autorin verließ gegen 15.30 Uhr Ortszeit mit einem Lächeln der Erleichterung am Arm ihrer Anwältin Roberta Kaplan das Gericht - einen Kommentar versagte sie sich. Juristen hatten die Spanne möglicher Strafzahlungen vorher mit 400.000 Dollar bis 2,7 Millionen Dollar angegeben.

Donald Trump: Ex-Präsident wütet gegen das Urteil

Trump wertete das Urteil auf seiner Nischen-Onlineplattform Truth Social als “Schande" und “Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten". Er blieb bei seiner mehrfach erhobenen Behauptung: “Ich habe überhaupt keine Ahnung, wer diese Frau ist.”

Donald Trump, dem seit vielen Jahren Dutzende Frauen sexuelle Übergriffigkeit vorhalten, ist mit dem Prozess-Ende kein rechtskräftig verurteilter Vergewaltiger; es gab kein Strafverfahren. Aber de facto wird er nach dem Sieg Carrolls, die durch Trump ihre Reputation beschädigt sah, von einem nennenswerten Teil Amerika als solcher wahrgenommen, hieß es in ersten Stellungnahmen im US-Fernsehen.

E. Jean Carroll (M), ehemalige Ratgeberkolumnistin, trifft vor dem Bundesgericht in Manhattan ein. Ein Zivilprozess wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs gegen Donald Trump hat in Abwesenheit des früheren US-Präsidenten begonnen.
E. Jean Carroll (M), ehemalige Ratgeberkolumnistin, trifft vor dem Bundesgericht in Manhattan ein. Ein Zivilprozess wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs gegen Donald Trump hat in Abwesenheit des früheren US-Präsidenten begonnen. © John Minchillo/AP/dpa

Im laufenden Präsidentschaftswahlkampf kann das für Trump, der noch mindestens in drei anderen Fällen gerichtliche Konsequenzen befürchten muss und trotzdem in Meinungsumfragen zuletzt sogar zulegte, zum Klotz am Bein werden.

Republikaner: Schadet Trump der Partei oder führt er sie noch?

Weniger mit Blick auf seine Hardcore-Anhänger. Diese würden vermutlich sogar "bereitwillig spenden", wenn Trump sie darum bäte, um die Strafe zu zahlen, ätzten Trump-Kritiker in US-Medien.

Aber in parteiunabhängigen Wählerschichten und bei Frauen, auch republikanisch gestimmten, könne die Episode spätestens bei der Stimmzettelabgabe Sargnagel-Qualität bekommen und den 76-Jährigen unwählbar machen. Vorausgesetzt, die Republikaner würden vorher Mut zum Klartext fassen.

Trumps Rivale Ron DeSantis und andere Mitbewerber um das republikanischen Ticket für 2024 könnten sich nach Einschätzung von konservativen Parteistrategen in Washington nun hinstellen und sagen: “Leute, Donald Trump war seit Jahren für uns Konservative bei wichtigen Wahlen (Kongress, Weißes Haus etc.) der personifizierte Chancentod. Mit dem Malus, an sexuellem Missbrauch beteiligt gewesen zu sein, können wird die Aussichten in zwei Jahren gleich begraben. Darum kann und darf Donald Trump nicht unsere Kandidat werden.” In den ersten Stunden nach der Gerichtsentscheidung hielt sich das republikanische Establishment gleichwohl bedeckt. Lesen Sie auch: Streit mit Disney: DeSantis spielt Trump in die Karten

Trump: Er wirkte fahrig, sie gab sich souverän

Dass Donald Trump sich vor Gericht selbst der größte Feind war, müsste Verteidiger Tacopina spätestens da aufgegangen sein, als im Gerichtssaal eine 45 Minuten lange eidesstattliche Vernehmung Trumps vom vergangenen Herbst eingespielt wurde. Dort machte Trump nach Ansicht von Juristen mehrere Fehler. Auf seine mehrfache getane Äußerung, wonach Carroll gar nicht sein Typ sei und die Vergewaltigung schon allein darum nicht stattgefunden habe, schob die Anwältin der Journalistin Trump ein Foto zur Identifizierung herüber. Trump erkannte darauf seine zweite Ehefrau Marla Maples - es war aber die täuschend ähnlich aussehende E.J.Carroll. Woraus Roberta Kaplan ableitete, dass die Klägerin sehr wohl sein Typ gewesen sei.

Die US-Autorin Carroll wirft Donald Trump vor, er habe sie Mitte der 1990er Jahre in einem New Yorker Kaufhaus vergewaltigt.
Die US-Autorin Carroll wirft Donald Trump vor, er habe sie Mitte der 1990er Jahre in einem New Yorker Kaufhaus vergewaltigt. © Bryan Woolston/AP/dpa

Noch bizarrer gerieten die Äußerungen des Milliardärs im Rückblick auf jene Tonbandaufnahmen, die 2016 kurz vor der Präsidentschaftswahl weltweit Schlagzeilen schrieben. Trump hatte gegenüber TV-Moderatoren einer Unterhaltungssendung gesagt, dass man Frauen ungehindert zwischen die Beine greifen könne, wenn man ein Star sei. Ob er dazu stehe, wollte Kaplan in der Vernehmung wissen. Trump gab zurück, dass seine These "weitgehend wahr” sei, wenn man sich “die letzten Millionen Jahre ansieht”.

E.J. Carroll hatte einen Fall vor Gericht gebracht, der gut 27 Jahre zurückliegt. Damals sei sie von Trump in einer Umkleidekabine des New Yorker Nobelkaufhauses Bergedorf Goodman vergewaltigt worden. Im Prozess parierte die Kolumnistin den Vorwurf, sie habe die Geschichte mit Trump aus Geltungssucht und Geldgier erfunden, mit ruhiger Stimme.

Das Urteil gegen Trump wird am heutigen Mittwoch bei einem Fernsehauftritt eine Rolle spielen. Trump stellt sich nach jahrelanger Abwesenheit dem von ihm oft kritisierten TV-Sender CNN zur Verfügung. Zuschauer im Saint Anselms College in New Hampshire dürfen dem Ex-Präsidenten in einer Live-Sendung Fragen stellen. Wie Trump reagieren wird, wenn ihn Wählerinnen und Wähler womöglich auffordern sollten, seine Kandidatur für 2024 zurückzuziehen, wird mit Spannung erwartet.