Berlin. Bei Kaiserschnittgeburten kommen Babys weniger in Kontakt mit wichtigen Bakterien. Einen Studie zeigt, dass das gar nicht schlimm ist.

Frauen, die per Kaiserschnitt gebären, werden häufig mit dem Vorurteil konfrontiert, ihren Babys nicht genug wichtige Bakterien mitzugeben. Viele Eltern machen sich daraufhin Sorgen, dass ihr Sprössling anfälliger für Allergien und Asthma sein könnte oder ein schlechteres Immunsystem entwickelt. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass ein Kaiserschnitt nicht unbedingt dazu führt, dass dem Säugling wichtigen Mikroorganismen fehlen. Stillen spielt dabei eine wichtige Rolle.

Mikrobiom bei Babys: Kontakt mit wertvollen Bakterien der Mutter

Babys sind in der Gebärmutter keinen Keimen ausgesetzt und werden mit einem unreifen Immunsystem geboren. Im Geburtskanal kommen sie dann erstmalig mit wertvollen Bakterien aus dem Vaginal- und Darmtrakt der Mutter in Kontakt. Diese Bakterien siedeln sich im Darm des Babys an und werden Teil des Mikrobioms des Neugeborenen.

Mikrobiom bezeichnet die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die den Menschen besiedeln. Es ist an lebensnotwendigen physiologischen Vorgängen wie der Verdauung beteiligt und schafft die Grundlage für das Immunsystem. Der Erstbesiedlung durch die Mikroben der Mutter wird ein besonders hoher Stellenwert zugeschrieben, da das Neugeborene dadurch lernt, freundliche und feindliche Mikroben zu unterscheiden. Einige Studien zeigen, dass Kaiserschnittkinder eine andere Darmflora haben, als vaginal geborene Kinder.

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Studie: Daten von 120 Babys und Müttern

Ein niederländisches Forschungsteam vom Universitätsklinikum Utrecht hat die Entwicklung des kindlichen Mikrobioms nun genauer untersucht und kam zu erstaunlichen Ergebnissen. Die Forschenden sammelten Daten von 120 Müttern und deren Neugeborenen, um die Entwicklung der Mikrobiome im ersten Lebensmonat zu analysieren.

Sie untersuchten die Babys zwei Stunden, einen Tag, eine Woche, zwei Wochen und einen Monat nach der Geburt. Dabei sammelten Proben von der Haut, aus der Nase, Spucke und dem Darm. Gleichzeitig nahmen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sechs unterschiedliche Mikrobiom-Proben von der Haut, Brustmilch, Nase, Hals, Vagina und Kot der Mütter und erfassten die Daten der Geburtsmethode.

Das Ergebnis: 58,5 Prozent des Mikrobioms der Babys stammten von der Mutter und das unabhängig von der Art der Geburt. "Viele Bereiche der Mutter sind für die Übertragung der Mikroben wichtig", erklärte Studienleiter Wouter de Steenhuijsen Piters in einer Pressemitteilung. "Die Evolution hat sichergestellt, dass Mikroben auf die eine oder andere Weise auf den Säugling übermittelt werden"– wie eine Art Ausgleichverfahren.

Kaiserschnittgeburt: Darum ist Stillen so wichtig

Wenn bei Kaiserschnittgeburten weniger Mikroben durch das vaginale und fäkale Mikrobiom der Mutter übertragen wurden, erwarben die Babys laut der Studienergebnisse mehr Mikroben durch das Stillen. Stillen sei laut Erstautorin der Studie Debby Bogart also umso wichtiger bei Kinder, die per Kaiserschnitt zur Welt kamen.

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Zukünftige Forschung zum Einfluss von Vätern, Geschwistern und Umwelt

Spannend sei außerdem, dass das mütterliche Mikrobiom fast 60 Prozent des gesamten Mikrobioms des Säuglings ausmacht, und man über die Herkunft der restlichen 40 Prozent noch nichts wüsste. "Es wäre interessant, diesen unbekannten Anteil zu stratifizieren, um herauszufinden, woher all die Mikroben kommen. Ob zum Beispiel die Väter, Geschwister oder Umwelt dazu beitragen", so De Steenhuijsen Piters.

Außerdem planen die Forschenden weitere Untersuchungen, um zu verstehen, wie die Entwicklung des Mikrobioms bei Babys mit deren Langzeitgesundheit zusammenhängt. "In Zukunft könnten wir dieses Wissen vielleicht nutzen, um Gesundheitsprobleme zu verhindern, zu diagnostizieren oder zu behandeln."