Berlin. Medienberichte über russische “Atomschiffe“ sorgen für Aufsehen. Doch deren Inhalt hält nicht, was die Schlagzeile verspricht.

Es klingt wie eine Meldung zum Auftakt des Dritten Weltkriegs: "Putin bringt Atomschiffe in Stellung". Wer das liest, möchte am liebsten gleich in den Keller rennen – schließlich wird da, wo Waffen in Stellung gebracht werden, auch über deren Einsatz nachgedacht. Zumal wenn der Befehlshaber der russische Präsident Wladimir Putin ist.

Die aufsehenerregende Meldung über "Atomschiffe" lief diese Woche bei verschiedenen Medien, Hintergrund war der Jahresbericht des norwegischen Geheimdienstes "Fokus 2023". Allein: Die Schlagzeilen erweisen sich wohl als Luftnummer.

Russische "Atomschiffe": Norweger berichten über Routine-Übungen

Zwar nimmt der Bericht der Norweger Bezug auf Russlands Atomstreitkräfte. Die konventionellen Truppenteile hätten stark unter dem Kriegseinsatz in der Ukraine gelitten, aber: "Die nuklearen Fähigkeiten Russlands hingegen sind die gleichen wie vor dem Krieg, und Luft- und die Seestreitkräfte sind im Wesentlichen intakt."

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Die russische Nordflotte würde "weiterhin routinemäßige Flottenübungen, längere U-Boot-Patrouillen in der Barentssee und U-Boot-Operationen im Atlantik durchführen". Und weiter: Ein zentraler Teil "der nuklearen Kapazitäten befindet sich auf den U-Booten der Nordflotte und Oberflächenschiffen".

Besonders taktische Atomwaffen bildeten eine "ernsthafte Bedrohung" für Norwegen und Nato-Staaten, warnt der Bericht.

Russische Atom-U-Botte im Hafen von Gadschijewo, in der Region Murmansk.
Russische Atom-U-Botte im Hafen von Gadschijewo, in der Region Murmansk. © IMAGO / ITAR-TASS

Nuklear bewaffnete Schiffe: Teil der atomaren Triade

Neu ist diese Information nicht. Im April 2022 etwa hieß es bereits in einem Bericht des US Congressional Research Service (der wissenschaftliche Dienst des Kongresses), Russland stelle neue militärische Fähigkeiten im Bereich der taktischen Atomwaffen bereit, "unter anderem solche, die von Schiffen aus […] eingesetzt werden können". Sie dienten der Abschreckung von Nato und China im Konfliktfall.

Nuklear bewaffnete U-Boote gehören hingegen zur sogenannten atomaren Triade, einer Abschreckungsstrategie, die im Falle eines Atomkrieges die Fähigkeit zum Zweitschlag – also zur Vergeltung – gewährleisten soll. Auch die Nato setzt auf die Triade, um einen atomaren Angriff zu verhindern.

In der Theorie sollen U-Boote vor einem Atomkrieg auslaufen und im Fall des Falles von ihren Positionen im Atlantik und Pazifik aus Nuklearraketen dann einsetzen, wenn es bereits zum Konflikt gekommen ist. Weil sie schwer zu entdecken sind, lassen sie sich auch schwer bekämpfen – was wiederrum Militärplaner davon abhalten soll, einen Erstschlag zu befehlen. Schließlich müssen sie damit rechnen, selbst zum Ziel von (U-Boot-gestützten) Atomwaffen zu werden.

Insofern ist es wenig überraschend, dass der norwegische Geheimdienst von voraussichtlich anstehenden "routinemäßigen" U-Boot-Manövern berichtet. Sie sind Teil der – wenn man so will – normalen Abschreckungsstrategie Russlands.

Atomschiffe in Stellung: US-Magazin berichtete irreführend

Woher stammt dann die mediale Aufregung um ein vermeintliches Auslaufen russischer "Atomschiffe"? Wie das ZDF in einem Bericht analysiert, war eine Falschmeldung des US-Magazins "Politico" Auslöser für die aufgeregte Berichterstattung.

In einer Version eines mittlerweile geänderten Textes vom 14. Januar war die Rede davon, dass Russland "zum ersten Mal seit 30 Jahren nuklear bewaffnete Schiffe in der Ostsee" einsetze. Quelle für die Behauptung war der Bericht der Norweger. Wie das Magazin zu seiner Interpretation kam, ließ der Artikel offen – aus dem Geheimdienstbericht geht sie nicht hervor.

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In der aktuellen Version des Artikels ist dann auch keine Rede mehr davon. Stattdessen zitiert "Politico" einen UN-Forscher, der es für höchst unwahrscheinlich hält, dass der Bericht darauf deute, Russland habe Schiffe mit taktischen Atomwaffen auslaufen lassen.