Berlin. Kiew befürchtet bereits für Februar eine große russische Offensive. Die Regierung fordert jetzt ganz bestimmte Kampfjets vom Westen.

Die Ukrainer haben derzeit zwei Gegner: die Russen und die Zeit. Kiew befürchtet, dass die Truppen von Kremlchef Wladimir Putin ihre Frühjahrsoffensive bereits im Februar beginnen – bevor die westlichen Kampfpanzer eintreffen. Welche Kampfjets wollen die Ukrainer? Und welchen Vorteil erhoffen sie sich dadurch? Die Antworten auf den wichtigsten Fragen.

Welche Kampfjets wollen die Ukrainer?

Der stellvertretende ukrainische Außenminister Andrij Melnyk hat bereits kurz nach der Bekanntgabe der Leopard-Lieferung eine Wunschliste von Kampfjets präsentiert: die F-16- und F-35-Maschinen aus amerikanischer Produktion, die in Europa entwickelten Tornados und Eurofighter, die französischen Rafales sowie die schwedischen Gripen-Flugzeuge.

Der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Juri Ihnat, nannte als Ziel zwei Staffeln mit je zwölf Kampfflugzeugen – also insgesamt 24 Maschinen. Idealerweise solle es sich demnach um F-16-Jets handeln. Derzeit fliegt die ukrainische Luftwaffe mit MiG-29- und Suchoi-27-Maschinen aus der Sowjet-Ära, die den westlichen Modellen unterlegen sind.

Was will die Ukraine mit Kampfjets erreichen?

Die Russen erzielen in diesen Tagen leichte Geländegewinne rund um Bachmut im Osten der Ukraine. Sie setzen Zehntausende der mobilisierten Reservisten und gewaltige Mengen an Artillerie ein. „Sie werfen einfach Körper und Zahlen auf unsere Positionen und bewegen sich langsam nach vorn“, warnte der Chef der regionalen Militärverwaltung Luhansk, Serhiy Haidai.

Kriegsziel der Ukraine ist die komplette Befreiung des von Russland besetzten Staatsgebiets – einschließlich der 2014 annektierten Halbinsel Krim. Für einen effektiven Vormarsch der demnächst von westlichen Kampfpanzern gestärkten Bodentruppen müssen diese idealerweise von der Luftwaffe unterstützt werden. Mit Kampfjets wäre die Ukraine in der Lage, Nachschubwege, Aufmarschgebiete, Treibstofflager und strategische Ziele Russlands zu zerstören.

Aufgrund der weiter funktionierenden ukrainischen Flugabwehr setzt Russland eigene Jets nur begrenzt in Frontnähe für Bombardements ein. Doch die Rückerlangung der Lufthoheit wäre auch nach der Lieferung Dutzender Kampfjets aus dem Westen nicht zu erwarten. Das wäre nur möglich, wenn die russischen Flugabwehrsysteme komplett ausgeschaltet werden.

Unsere Reporter vor Ort in der Ukraine:

Was können die F-16-Kampfjets?

Die F-16 ist ein Allwetter-Mehrzweckkampfflugzeug. Seit Beginn der Serienproduktion 1976 wurden mehr als 4600 Maschinen gebaut und weltweit verkauft. Der F-16-Jet ist vergleichsweise kostengünstig (Preis für das Modell F-16C/D: rund 150 Millionen Dollar), vielseitig und agil. Das Cockpit verfügt über eine optimale Rundumsicht für den Piloten, was im Luftkampf überlebenswichtig sein kann. Die F-16 ist mit einer internen M61-Vulcan-Bordkanone ausgerüstet. Außerdem können unter dem Rumpf und unter den Tragflächen Luft-Luft-Raketen der Typen Sidewinder und AMRAAM angebracht werden.

Wer verfügt über welche Kampfjets?

Die USA haben insgesamt mehr als 2230 F-16-Kampfjets gekauft, Israel rangiert dahinter mit über 300 Maschinen. In Europa haben die Niederlande (über 210), Griechenland (über 170) und Belgien (über 160) die meisten F-16-Flugzeuge angeschafft. Aber auch Polen und Norwegen verfügen über F-16.

Die Luftwaffe besitzt keine F-16-Jets. Sie hat nach eigenen Angaben 138 Eurofighter und 85 Tornados im Bestand. Letzteren kommt eine besondere Rolle bei der „nuklearen Teilhabe“ Deutschlands zu. Sie würden im Kriegsfall auch mit Atomwaffen der USA ausgerüstet.

Die Bundeswehr übergab Ende 2002 die 22 aus DDR-Zeiten verbliebenen MiG-29 an Polen. Ihre Weitergabe an die Ukraine müsste Deutschland als ursprünglicher Eigner wohl ausdrücklich genehmigen.

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Welche Regierungen wären zur Lieferung von Kampfjets bereit?

US-Präsident Joe Biden hat zunächst einen Damm in der Kampfjet-Debatte hochgezogen. Auf die Frage von Journalisten, ob er für eine Lieferung von F-16-Maschinen an die Ukraine sei, antwortete Biden mit „Nein“. Polen ist bislang die treibende Kraft in der Kampfpanzer- und in der Kampfjet-Frage. „Ich glaube, wir, die Nato, müssen mutiger sein“, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Nach Angaben des ukrainischen Präsidentenberater Andrij Yermak hat sein Land aus Warschau bereits „positive Signale“ für die Entsendung von F-16-Jets bekommen.

Auch Frankreich ist grundsätzlich offen für eine Verschickung von Kampfjets. Eine Lieferung sei allerdings an Bedingungen geknüpft, betonte Präsident Emmanuel Macron. Die Waffen dürften nicht russischen Boden berühren, sondern lediglich zur Abwehr benutzt werden. Auch dürfe die französische Armee durch Waffenlieferungen nicht geschwächt werden.

Der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra erklärte, dass seine Regierung willens sei, F-16-Jets in die Ukraine zu liefern, falls Kiew dies anfordere und die USA die Lieferung genehmigten. Dagegen warnte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor einem „ständigen Überbietungswettbewerb“ in der Debatte um Waffenlieferungen und lehnte die Entsendung von Kampfflugzeugen an die Ukraine ab.

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