Berlin. Schockierendes Ergebnis einer neuen Studie: Zahlreiche Nutztiere leiden unter Schmerzen und Krankheiten – auch in Bio-Haltungsformen.

Ob Grillhähnchen, Steaks oder Burger: Viele Menschen möchten nicht auf den Genuss von Fleisch verzichten. Manche setzen beim Kauf bewusst auf Fleisch von Tieren, die mit mehr Platz im Stall oder auf einem Bio-Hof groß geworden sind und geben dafür auch gerne mehr Geld aus. Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Tiere auch gesund sind, bevor sie geschlachtet werden und auf dem Teller landen.

Millionen Nutztiere leiden massiv unter Krankheiten, Verletzungen und Schmerzen, egal ob sie auf einem Öko-Hof oder einem konventionellen Betrieb gehalten werden. Diese ernüchternden Erkenntnis hat eine systematische Auswertung tiermedizinischer Studien aus Deutschland, der Schweiz und Dänemark durch die Verbraucherorganisation Foodwatch zusammen mit Tiermedizinern ergeben.

„Ob Hühner, Schweine oder Kühe gesund sind, hängt nicht einfach davon ab, ob der Stall ein paar Zentimeter größer ist oder Stroh auf dem Boden liegt, sondern ganz entscheidend vom Stallmanagement der Landwirtinnen und Landwirte“, sagt Annemarie Botzki von Foodwatch. Die Tiergesundheit hänge von dem Handeln jedes einzelnen Betriebs ab, unabhängig davon, ob es sich um einen Öko-Hof oder konventionellen Hof handele.

Ernährung: Keine gesetzlichen Vorgaben für Tiergesundheit

Entscheidend sei, wie die Landwirte mit ihren Tieren umgehen, sie füttern, impfen und welche Hygieneregeln sie einhalten, erläutert Albert Sundrum, Veterinär-Professor und ehemaliger Leiter Tierernährung und Gesundheit an der Universität Kassel. „Jeder Hof handelt hier anders. Viele Betriebe haben das Gesundheitsmanagement gut im Griff, während andere immer wieder Probleme mit kranken und verletzten Tieren haben – und zwar unabhängig von der Haltungsform oder der Betriebsgröße.“

Das Kernproblem aber sei: „Es gibt bisher keinerlei gesetzliche Vorgaben für Tierhalter, dass sie ihre Tiere gesund halten müssen – weder in der ökologischen noch in der konventionellen Haltung.“ Für Sundrum steht aber fest: Tiere, die krank sind oder unter Schmerzen leiden, erfahren auch in größeren Ställen kein echtes Tierwohl. Sie müssten vorrangig behandelt und geheilt werden.

Foodwatch: Tierhaltungskennzeichen verbessert nicht die Tiergesundheit

So verbessere auch das von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) geplante Tierhaltungskennzeichen keine Lösung und Besserung für die Gesundheit der Tiere. Das Siegel informiere nur über die unterschiedlichen Haltungsformen, aber nicht über den Gesundheitszustand der Tiere, kritisiert Foodwatch. Etwas mehr Platz im Stall oder Auslauf ins Freie bedeuteten nicht automatisch, dass es den Tieren auch gesundheitlich gut gehe. Die Bundesregierung plant ein staatliches Tierhaltungslogo. Diese sortiert Fleisch nach fünf Stufen ein, je nachdem wie die Tiere gehalten wurden: Stall, Stall+Platz, Frischluftstall, Auslauf/Freiland und Bio.

Das Tückische: Die Konsumenten können im Supermarkt oder beim Metzger nicht am Fleisch erkennen, ob das Tier vorm Schlachten gesund oder krank war oder ob die Milch und Eier, die sie kaufen, von gesunden oder kranken Tieren stammen. Fleisch von kranken Tieren ist in der Regel für Verbraucher nicht gesundheitsschädlich. Nur für die Tiere sind ihre Krankheiten oft mit großen Schmerzen verbunden. Und hiervon gibt es viele bei allen Arten und in allen Haltungsformen, wie mehrere ausgewertete Studien zeigen.

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Studien: Zahlreiche Krankheiten bei Nutztieren

Und die Krankheiten sind vielfältig – bei allen Arten. Beispiele: So hatten in einer der ausgewerteten Studien knapp 40 Prozent aller Schweine in konventioneller Haltung krankhafte Befunde wie Lungenentzündungen, offene Wunden oder Abszesse – und in der Bio-Haltung waren es mit 35 Prozent nur geringfügig weniger.

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An schmerzhaften Erkrankungen der Klauen leiden bis zu 39 Prozent aller Milchkühe. In Bio-Ställen leidet jede zweite Milchkuh an einer Euterentzündung. In der Haltung von Legehennen weisen bis zu 97 Prozent alle Hühner Knochenbrüche auf – und zwar in der konventionellen Haltung ebenso wie auf Bio-Höfen.

Eine Ursache für die vielen Krankheiten liegt in dem System der Tierhaltung begründet. Aus Schweinen, Kühen und Hühnern werde „das letzte bisschen rausgepresst, damit sie möglichst viel Fleisch, Eier und Milch liefern“, heißt es in der Studie. So entstehen Euterentzündungen, weil Kühen täglich bis zu 60 Liter Milch abgepumpt werde. Hühnern brechen die Knochen, weil die vielen Eier, die sie legen müssen, ihnen das Kalzium für den Skelettbau entziehen.

Ein großer Stall für Schweine reicht nicht: Die Bauern müssen sich auch um die Gesundheit ihrer Tiere kümmern
Ein großer Stall für Schweine reicht nicht: Die Bauern müssen sich auch um die Gesundheit ihrer Tiere kümmern © dpa | Marijan Murat

Professor sieht Defizite beim Gesundheitsmanagement

„Nutztierhaltung ist komplex und anspruchsvoll“, sagt Professor Albert Sundrum, ehemaliger Fachgebietsleiter Tierernährung und Tiergesundheit an der Universität Kassel. „Viele landwirtschaftliche Betriebe haben das Gesundheitsmanagement gut im Griff, während andere immer wieder Probleme mit kranken und verletzten Tieren haben – und zwar unabhängig von der Haltungsform oder der Betriebsgröße.“

Damit Tiere gesund aufwachsen können, fordert Foodwatch Özdemir auf, Maßnahmen für mehr Tiergesundheit zu ergreifen.

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Konkret müssten alle Krankheiten und Verletzungen von Kühen, Schweinen und Hühnern auf jedem Hof und jeden Betrieb systematisch erfasst werden und die Ergebnisse in Form eines Gesundheitsindexes veröffentlicht werden. Solche Daten werden schon heute in Schlachthöfen erfasst und könnten verwendet werden. Betriebe mit mangelhafter Tiergesundheit müssten beraten und zu Verbesserungen aufgefordert werden.

Foodwatch fordert Konsequenzen für Fehlverhalten

Wenn Betriebe immer wieder schlechte Ergebnisse hätten, müsste diese Konsequenzen erfahren. Ihnen sollte die Agrarsubventionen gekürzt oder als letztes Mittel die Tierhaltung verboten werden, schlägt Foodwatch vor. Landwirte, die ihre Tiere gut behandeln, sollten belohnt werden – in dem sie zum Beispiel höhere Preise für ihre Mich oder bei Schlachthöfen erhalten.

Bislang lohnt es sich für Tierhalter oft nicht, in die Vorbeugung von Krankheiten zu investieren. Denn Fleisch von gesunden Tieren ist bei Lebensmitteln kein Qualitätsmerkmal, das honoriert wird. Foodwatch kritisiert auch das Versagen der amtlichen Kontrolle. Im Durchschnitt erfolgten Tierschutzkontrollen gerade einmal alle 17 Jahre. Ermittlungen verliefen oft im Sand, Tierquälereien hätten meistens keine juristischen Folgen, bemängeln die Verbraucherschützer.

Im Grundgesetz ist der Tierschutz als Staatsziel verankert. Hierfür, so die Forderung von Foodwatch, müsse der Gesetzgeber endlich konsequent eintreten.