Berlin. In NRW hat ein Anti-Terror-Einsatz einen möglichen Anschlag vereitelt. Die Behörden bekamen einen Tipp – von US-Sicherheitskräften.

  • In der Nacht zu Sonntag stürmten Anti-Terror-Ermittler eine Wohnung in Castrop-Rauxel
  • Sie nahmen zwei Männer fest die im Verdacht stehen, einen Terroranschlag mit Gift geplant zu haben
  • Bei einer Hausdurchsuchung wurden bislang keine Giftstoffe entdeckt
  • Eine US-Behörde lieferte den entscheidenden Tipp
  • Am Sonntagabend wurden Haftbefehle beantragt

Nach dem Anti-Terror-Einsatz in Castrop-Rauxel hat die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf Haftbefehle gegen zwei Iraner im Alter von 32 und 25 Jahren beantragt. Das teilte die Behörde am Sonntag mit. Den Brüdern wird unter anderem vorgeworfen, dass sie sich Giftstoffe für einen islamistisch motivierten Anschlag beschaffen wollten.

In der Nacht zu Sonntag hatten Anti-Terror-Emittler in Castrop-Rauxel (Nordrhein-Westfalen) die Wohnung des mutmaßlichen Islamisten gestürmt. Es handele sich um einen iranischen Staatsangehörigen. Der Mann sei zunächst verdächtig gewesen, sich für die Tat die Giftstoffe Cyanid und Rizin besorgt zu haben, teilten die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf, die Polizei Recklinghausen und die Polizei Münster am frühen Sonntagmorgen mit.

Bei der Durchsuchung wurden späteren Angaben zufolge aber keine Giftstoffe sichergestellt. Der 32-Jährige wurde gemeinsam mit einem weiteren Mann in Gewahrsam genommen. Wie weit die Anschlagspläne fortgeschritten waren und ob es schon ein konkretes Anschlagsziel gab, blieb zunächst unklar. Die Ermittlungen dauern an.

US-Sicherheitsbehörde lieferte Hinweis

"Wir hatten einen ernstzunehmenden Hinweis, der die Polizei dazu veranlasst hat, noch in der Nacht zuzugreifen", sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU). Es werde mit Hochdruck ermittelt. Der Tipp kam laut Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf von einem US-Geheimdienst, berichtete die dpa. Man habe den Hinweis auf den 32-Jährigen am Samstag bekommen und sei zu dem Schluss gekommen, dass unmittelbar ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt und vollstreckt werden müsse, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Lesen Sie dazu: Anti-Terror-Einsatz: Ohne "befreundete Dienste" geht wenig

Männer in Schutzanzügen tragen einen Karton aus dem Haus in dem ein Anti-Terror-Einsatz statt fand.
Männer in Schutzanzügen tragen einen Karton aus dem Haus in dem ein Anti-Terror-Einsatz statt fand. © dpa | Marc Gruber

Grünen-Innenexperte: Islamistische Gefahren im Blick behalten

Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz hat den Anti-Terror-Einsatz im Ruhrgebiet als wichtigen Beleg bewertet, dass Gefahren des Islamismus fortbestehen. "Um die konkrete Bedrohung, die von den Beschuldigten ausgegangen ist, bewerten zu können, müssen zunächst die weiteren Ermittlungsergebnisse abgewartet werden", sagte von Notz unserer Redaktion.

"Noch einmal wird deutlich, dass wir bei allen aktuellen, sehr ernstzunehmenden Bedrohungen aus dem Bereich des militanten, gut vernetzten Rechtsextremismus, keineswegs von islamistischen Täterinnen und Tätern ausgehende Gefahren aus dem Blick verlieren und unterschätzen dürfen."

Möglicher Anschlag in Castrop-Rauxel: Auch RKI-Mitarbeiter vor Ort

Wegen der biologisch-chemischen Gefahren für die Einsatzkräfte waren laut einem Bericht der „Bild“ auch Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts (RKI) als Berater vor Ort. Auch mehrere Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes (BKA) und ein Entschärfer-Kommando seien im Einsatz gewesen. Das BKA wollte sich nicht zu dem Einsatz äußern und verwies auf die Generalstaatsanwaltschaft.

Das hochgiftige Rizin wird laut dem RKI in der Kriegswaffenliste unter „Biologische Waffen“ aufgeführt. Cyanid ist ebenfalls hochgiftig, bereits kleinste Mengen wirken bei Menschen tödlich.

Mögliche Terrorpläne in Castrop-Rauxel: Ermittler waren darauf vorbereitet, hochgiftige Stoffe vorzufinden.
Mögliche Terrorpläne in Castrop-Rauxel: Ermittler waren darauf vorbereitet, hochgiftige Stoffe vorzufinden. © Christoph Reichwein/dpa

Die Fahnder schlugen gegen Mitternacht zu. Der Einsatzort wurde weiträumig abgesperrt. Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte waren mit einem Großaufgebot vor Ort. Zahlreiche Einsatzkräfte trugen Schutzanzüge. Beweismittel wurden in blauen Fässern zu einer Dekontaminationsstelle gebracht, die bei der Feuerwehr eingerichtet war, wie ein dpa-Reporter berichtete.

Castrop-Rauxel: Zwei Männer in Gewahrsam genommen

„Der Beschuldigte ist verdächtig, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben“, teilten die Ermittler mit. Der 32-Jährige und der zweite in Gewahrsam genommene Mann wurden in Unterhosen und T-Shirt beziehungsweise mit nur notdürftig übergeworfener Jacke über die Straße in ein Einsatzfahrzeug geführt, wie Augenzeugen berichteten. Keiner der beiden habe Widerstand geleistet. Laut einem Bericht des WDR soll es sich bei den beiden Männern um Brüder handeln.

„Beweismittel wurden sichergestellt und werden ausgewertet“, schrieben die Ermittlungsbehörden. Ob der 32-Jährige einem Haftrichter vorgeführt werde, sei noch nicht entschieden. Das Verfahren wird bei der Zentralstelle Terrorismusverfolgung Nordrhein-Westfalen bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf geführt. Nach Informationen der „Bild“ ermittelt das Bundeskriminalamt seit mehreren Tagen gegen den Iraner.

Ein Mann wird von einem Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) mit Schutzmaske abgeführt. Insgesamt nahm die Polizei bei dem Einsatz zwei Männer in Gewahrsam.
Ein Mann wird von einem Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) mit Schutzmaske abgeführt. Insgesamt nahm die Polizei bei dem Einsatz zwei Männer in Gewahrsam. © Karsten Wickern/dpa

Rizin: So gefährlich ist das Gift

Wie gefährlich Rizin ist, haben Ermittlungen vor vier Jahren in Köln gezeigt: In einem 15-stöckigen Gebäude in der Hochhaussiedlung Chorweiler hatten ein Tunesier und seine deutsche Frau die Chemikalie hergestellt und Testexplosionen ausgelöst. Ein ausländischer Geheimdienst schöpfte wegen der Online-Käufe großer Mengen Rizinus-Samen Verdacht und gab einen Tipp. Beide wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Ein Gutachten ergab: Rein rechnerisch hätten durch die Giftmenge 13.500 Menschen sterben können. Bei der geplanten Verbreitung durch eine mit Stahlkugeln gespickten Streubombe wären es etwa 200 Tote gewesen.

Die Symptome einer Vergiftung reichen von Kopfschmerzen über Krämpfe bis hin zu Leber- und Nierenversagen. Je nach Art der Aufnahme ist das Rizin tödlich - und zwar bereits nach 36 bis 72 Stunden.

Dabei sind die Inhalation und das direkte Eindringen des Toxins in den Körper wie etwa durch Stich- oder Schnittverletzungen besonders gefährlich. Ein spezifisches Gegenmittel gibt es nicht, die Behandlung erfolgt immer symptomatisch. Ansteckend ist eine Rizin-Vergiftung nicht. (fmg/dpa/afp)