Berlin. 2022 zählte zu dem wärmsten Jahren bisher. Klimaforscher sehen nun das Wetterphänomen El Niño im Anmarsch – und neue Temperaturrekorde.

Hitze, Trockenheit, Waldbrände in vielen Teilen der Erde: Das gerade zu Ende gegangene Jahr 2022 war laut Klimaforschern im Durchschnitt eines der wärmsten Jahre seit Beginn der Messungen vor rund 170 Jahren. Seit 1850 gibt es die Aufzeichnungen. Was Klimaexperten dabei besonders Sorgen bereitet: Das Jahr 2022 liegt eigentlich in einer Zeitspanne, das kühler sein sollte als andere Jahre. Vorherrschend in dieser Phase war bislang das Wetterphänomen La Niña, das der Atmosphäre einen kühlenden Effekt bescheren sollte.

Die grundsätzlich kühlere Periode hielt sogar drei Jahre lang an, was Fachleute als ungewöhnlich lang einstufen. Noch für dieses Jahr erwarten Experten allerdings den Umschwung: Bestimmt wird das Klima dann wieder vom Gegenspieler La Niñas. Dieses Phänomen trägt den Namen El Niño – und wird aller Voraussicht nach die ohnehin schon zu hohen Temperaturen noch einmal mehr in die Höhe treiben.

Wetterphänomen El Niño: Darum drohen 2024 Temperaturrekorde

Die Wende klingt bedrohlich, überraschend ist sie nicht: Schon vergangenen September warnte die US-Klimaforschungsbehörde NOAA. Sie rechnete seiner Zeit für den jetzigen Zeitpunkt – Anfang Januar – damit, dass La Niña langsam in eine neutrale Phase übergeht. Sie sollte sich zwischen Januar und März ziehen. „Außergewöhnlich warme Tiefengewässer im tropischen Westpazifik deuten das nächste El-Niño-Ereignis 2023 an“, schrieb damals Klimaexperte Kevin Trenberth von der Universität Auckland.

Bewahrheite sich die Prognose, so der Experte, könne dies schon im Jahr 2024 zu globalen Temperaturrekorden führen. Dann wird ein Teil der Meereswärme in die Atmosphäre abgegeben.

Die NOAA steht mit ihrer Befürchtung nicht allein da: Im November schätzte die Weltwetterorganisation (WMO) in Genf die Wahrscheinlichkeit auf 25 Prozent, dass im Sommer 2023 eine El-Niño-Phase beginnt. Die Wahrscheinlichkeit, dass der bisherige Rekord des heißesten Jahres bis 2026 übertroffen wird, liege bei 93 Prozent. Das Rekordjahr war 2016 mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 1,3 Grad über dem Niveau von 1850 bis 1900.

La Niña und El Niño: Das steckt hinter den Kalt- und Warmphasen

Aber was genau steckt eigentlich hinter den Bezeichnungen „La Niña“ (spanisch für: das Mädchen) und „El Niño“ (spanisch für: der Junge)?

Korrekt sprechen Klimafachleute von „El Niño Southern Oscillation“ oder abgekürzt „Enso“. Es bezeichnet ein gekoppeltes Zirkulationssystem von Ozean und Atmosphäre im tropischen Pazifik. Bei der Warmphase El Niño bringt die Strömung Meereswärme in höhere Breiten, die teils über Verdunstung in die Atmosphäre abgegeben wird.

La Niña gilt als Kaltphase, in der die Strömung die Erwärmung über die Sonneneinstrahlung in tiefe Gewässer des Westpazifiks führt, wo sie gespeichert wird. Weil Fischer in Peru die Erwärmung zum Jahresende merkten, nannten sie das Phänomen El Niño (gemeint war hier: das Christkind). Zwischen den beiden Extremen spricht man von einer neutralen Phase.

38 Grad und mehr auch hierzulande: Wetterphänomene wie El-Niño bestimmen die globale Temperatur entscheidend mit.
38 Grad und mehr auch hierzulande: Wetterphänomene wie El-Niño bestimmen die globale Temperatur entscheidend mit. © dpa | Bodo Marks

Starke und mäßige El-Niño-Ereignisse tragen nach Angaben der WMO zur Erwärmung bei und erhöhen die durchschnittliche globale Oberflächentemperatur. „Obwohl die stärksten Auswirkungen von El Niño im äquatorialen Pazifik zu spüren sind, können sie Folgen für das Wetter auf der ganzen Welt haben, weil sie Hoch- und Tiefdrucksysteme, Winde und Niederschläge beeinflussen“, erklären Klimaforscher der Columbia-Universität. „Da das wärmere Ozeanwasser überschüssige Energie (Wärme) an die Atmosphäre abgibt, steigen die globalen Temperaturen.“

Anstieg der weltweiten Temperaturen nur vorübergehend gebremst

WMO-Chef Petteri Taalas warnte im August 2022: „Es ist sehr außergewöhnlich, in drei aufeinanderfolgenden Jahren La-Niña-Ereignisse zu haben. Der kühlende Effekt hat den Anstieg der globalen Temperaturen vorübergehend gebremst, aber das wird den langfristigen Erwärmungstrend nicht stoppen oder umkehren.“

2022 war nach einer vorläufigen Prognose trotz La Niña eines der wärmsten Jahre seit Beginn der Industrialisierung. Die WMO schätzte die globale Durchschnittstemperatur im November auf etwa 1,15 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900. Zudem waren die Jahre 2015 bis 2022 die acht wärmsten Jahre.

(mahe/dpa)