Lech. Weihnachten voller Bangen: Eine Lawine in der Skiregion von Lech (Österreich) begräbt mehrere Menschen unter sich. Doch alle leben.

Wenn Menschen von einer Lawine verschüttet werden, geht es um Minuten. Die Gefahr zu ersticken ist groß. Nur wenn sich vor dem Gesicht ein Hohlraum bildet, der das Atmen ermöglicht, gibt es eine Chance zu überleben, mitunter mehrere Stunden. Und so war zunächst das Entsetzen groß, als sich am ersten Weihnachtstag nahe dem österreichischen Skiort Lech (Bundesland Vorarlberg) eine Lawine gelöst hatte. Das Video eines Skifahrers legte nahe, dass zehn Menschen verschüttet sein könnten.

200 Retter machten sich auf die Suche. Am zweiten Weihnachtstag dann das Happy End: Vier Menschen konnten aus den Schneemassen befreit werden. Sie sind verletzt, einer davon schwer. Er handelt sich um einen Deutschen, er kam in die Klinik nach Innsbruck. Aber sie leben. Die anderen sechs hatten sich rechtzeitig aus der Gefahrenzone bringen können. Auf dem Video war das nicht mehr zu sehen gewesen.

Lawine in den USA: Lieblingsskigebiet von Königen und Popstars

„Zwei der Skifahrer, die wir vermisst glaubten, hatten sich noch am Sonntag um 23 Uhr unversehrt aus Deutschland gemeldet“, sagte Einsatzleiter Hermann Fercher. „Wir sind alle sehr erleichtert.“ Die Region um Lech am Arlberg ist eines der berühmtesten Skigebiete der Welt. Traditionell verbringt die niederländische Königsfamilie hier ihren Winterurlaub. In den letzten Jahren kamen Stars wie Lady Gaga, Chris Hemsworth oder Robbie Williams. Die Skipiste wird da schon einmal zum Roten Teppich, nur in Weiß. Und in diesem Jahr zur tödlichen Gefahr. Lesen Sie auch: Massiver Wintersturm: Zahl der Toten in den USA steigt

Einsatzkräfte haben in Lech (Österreich) nach einer Lawine nach Verschütteten gesucht.
Einsatzkräfte haben in Lech (Österreich) nach einer Lawine nach Verschütteten gesucht. © Expa/Peter Rinderer/APA/dpa

Das 19-Sekunden-Video, von einem Hang aufgenommen, zeigt die ganze Dramatik. „Oh Shit“, sagt ein Mann auf Englisch. „Oh mein Gott!“ Schreie ertönen.

Dramatisches Video

Es ist zusehen, wie sich die Lawine wie eine tödliche weiße Kralle ausbreitet, nach den ameisengleichen Skifahrern greift, sie unter sich begräbt. „Wir müssen nach den Leuten sehen“, ruft der Mann.

Die 600-Meter-Lawine breitete sich auf der Skipiste Nr. 134 unterhalb des Trittkopfs (2720 Meter) im Skigebiet Lech/Zürs aus. 200 Helfer durchsuchten den meterhohen Lawinenkegel – die ganze Nacht. Auch Rettungshubschrauber waren im Einsatz.

Polizei ermittelt

Inzwischen ermitteln die Alpinpolizei (AEG) und ein Sachverständiger der Staatsanwaltschaft. Der Abschnitt gilt als kritisch. „Wenn es viel geschneit hat, ist das immer einer der Hänge, in denen gesprengt wird“, sagt Fercher. Die Beurteilung, ob die Skipiste freigegeben wird, oder nicht, treffe die Betriebsleitung.

Nach heftigen Schneefällen waren die Temperaturen Weihnachten frühlingshaft - ideale Bedingungen für Lawinen. Daher war in der Früh gesprengt worden. Offenbar habe die Sprengung die Gefahr nicht ganz beseitigt. Möglich ist auch, dass sogenannte Variantenfahrer, die abseits der Skipisten auf unberührtem Schnee fahren, die Lawine ausgelöst haben. Hinweise darauf gibt es bisher nicht. Mit Ermittlungsergebnissen rechnet die Polizei in einigen Tagen.

Weiterhin hohes Lawinenrisiko

Das Lawinenrisiko in Österreich bleibt hoch, vor allem im Westen Tirols und darüber hinaus. „Schon einzelne Wintersportler können leicht Lawinen auslösen, vor allem an sehr steilen West-, Nord- und Osthängen oberhalb von rund 2400 Metern und an sehr steilen Südhängen im Hochgebirge“, hieß es am Sonntag im Lawinenreport des Landes.

Lawinen könnten demnach besonders in den schneereichen Gebieten gefährlich groß werden. „Vorsicht vor allem in Kammlagen sowie in Rinnen, Mulden und hinter Geländekanten. Die Gefahrenstellen sind schwer zu erkennen“, hieß es weiter. Fernauslösungen seien möglich. Zudem bestehe eine gewisse Gefahr von Gleitschneelawinen und Rutschen an steilen Grashängen unterhalb von rund 2400 Metern.

Lawinen auf abgesicherten Pisten selten

Dass Lawinen auch die als sicher geltenden Pisten erreichen, ist äußerst selten, aber nicht ausgeschlossen. So starben vor drei Jahren in Südtirol eine Frau und zwei sieben Jahre alte Mädchen, als sich im Schnalstal in 3000 Metern Höhe ein riesiges Schneebrett löste und bis auf die Piste donnerte.

Stefanitag heißt der zweite Weihnachtstag in Österreich. Märtyrer Stephanus gilt als Schutzpatron der Handwerker. Offenbar hat er nun auch die Skifahrer in seine Zuständigkeit aufgenommen.