Newport News. Ein Erstklässler hat im US-Bundesstaat Virginia in der Schule auf seine Lehrerin geschossen. Auslöser soll ein Streit gewesen sein.

Das neue Jahr ist gerade mal sechs Tage alt - schon kommt es in den USA wieder zu schrecklichen Nachrichten aus einer Grundschule. Im US-Bundesstaat Virginia hat ein sechsjähriger Erstklässler am Freitagnachmittag (Ortszeit) seine Klassenlehrerin im Klassenzimmer angeschossen. Die Frau wurde dabei nach Angaben der Polizei lebensgefährlich verletzt. Die Tat ereignete sich an der Richneck Elementary School in der Stadt Newport News. Es seien keine Schüler verletzt worden.

Die Ermittler schlossen rasch aus, dass es sich um einen versehentlichen Schuss gehandelt haben könnte. Auslöser des Vorfalls sei ein Streit im Klassenraum gewesen, berichtete die "New York Times" unter Berufung auf die Behörden. Der Junge habe mit einer Handfeuerwaffe einmal auf die Lehrerin, die zwischen 30 und 40 Jahren alt sei, geschossen, sagte Steve Drew, der Leiter des Newport News Police Department, auf einer Pressekonferenz. Nun müsse geklärt werden, woher die Waffe kam und wie sich der Vorfall ereignet habe. Die Ermittlungen dauerten an.

Bei der Lehrerin handelt es sich den Angaben zufolge um Abby Zwerner. Im Laufe des Wochenendes habe sich ihr Zustand stabilisiert, sagte der Bürgermeister der Stadt, Phillip Jones. "Das ist ein schwarzer Tag in unserer Geschichte, und ich denke, es ist eine deutliche Warnung für unser Land", sagte Jones. Steve Gonzalez, dessen Sohn sich zum Zeitpunkt des Schusses im Klassenraum befand, sagte dem US-Sender Fox News, Abby Zwerner habe selbstlos reagiert und den anderen Kindern zugerufen, sie sollten wegrennen, nachdem sie selbst getroffen worden war.

USA: Verängstigte Kinder - Dutzende Polizisten patrouillieren vor Schule

Der Vorfall mit dem ungewöhnlich jungen Verdächtigen wirft viele Fragen auf. Die Polizei machte laut US-Medien zunächst keine Angaben dazu, ob der Junge die Waffe zu Hause, in der Schule oder anderswo entwendet habe. Wegen des Alters des Verdächtigen könnten die Ermittler möglicherweise auch die Eltern oder andere Erwachsene in den Blick nehmen, schrieb die "New York Times" am Samstag. Nach dem Gesetz in Virginia sei es verboten, eine geladene Waffe so aufzubewahren, dass sie für Kindern unter 14 Jahren zugänglich ist.

Die Verletzungen der Lehrerin waren am Freitag zunächst als lebensbedrohlich eingestuft worden, es habe aber „nach dem letzten Update, das wir erhalten haben, eine gewisse Verbesserung gegeben“, sagte Drew laut CNN später. Fotos und Videos, die nach der Tat aufgenommen wurden, zeigten verängstigte Kinder, Dutzende Polizisten patrouillierten. Eltern und Schüler waren im Laufe des Nachmittags in der Sporthalle der Schule wieder zusammengeführt worden, hieß es.

Die Polizei beim Einsatz an der Richneck-Grundschule.
Die Polizei beim Einsatz an der Richneck-Grundschule. © dpa | Billy Schuerman/The Virginian-Pilot/AP

Trannisha Brown, deren Sohn die Schule besucht, sagte der "New York Times", sie habe kurz nach dem Vorfall einen Anruf von ihrem 11-jährigen Kind erhalten. Der Fünftklässler habe sich mit seinen Freunden im Klassenzimmer verschanzt, sei ängstlich gewesen. Im Hintergrund habe sie weinende und verzweifelte Kinder gehört. "Das hat mich erschüttert." Die 32-Jährige berichtete, sie habe lange mit ihrem Sohn telefoniert und versucht, ihn zu trösten. Lesen Sie hier: Texas: Mann von getöteter Lehrerin stirbt an Herzinfarkt

USA: Richneck Elementary School bleibt am Montag vorerst geschlossen

Der Leiter der öffentlichen Schulen von Newport News, George Parker, sagte, er stehe unter Schock. "Wir müssen unsere Kinder unterrichten und für ihre Sicherheit sorgen." Schulen in seinem Distrikt verfügten zwar über Metalldetektoren, die Kinder würden aber nicht täglich kontrolliert, sondern vor allem in konkreten Bedrohungslagen. Waffen dürften nicht in die Hände von Jugendlichen gelangen. Am Montag werde die Schule vorerst geschlossen bleiben.

Die Stadt Newport News hat rund 180.000 Einwohner und ist damit die fünftgrößte Stadt in dem Staat. Sie liegt gut 110 Kilometer südöstlich von Virginias Hauptstadt Richmond. Bekannt ist sie für ihre Schiffswerft. Rund 560 Schüler besuchen US-Medienberichten zufolge die Richneck-Grundschule.

Richneck Elementary School: An der Grundschule hat ein Erstklässler auf seine Lehrerin geschossen.
Richneck Elementary School: An der Grundschule hat ein Erstklässler auf seine Lehrerin geschossen. © Jay Paul / GETTY IMAGES NORTH AMERICA / Getty Images via AFP | Jay Paul / GETTY IMAGES NORTH AMERICA / Getty Images via AFP

Vorfälle an Schulen mit solch jungen Schützen sind auch in den USA selten. Laut einer von der "New York Times" zitierten Organisation hat es seit 1970 bisher 16 Fälle mit Schützen unter zehn Jahren gegeben. Bei drei von ihnen seien Sechsjährige beteiligt gewesen, von diesen drei Vorfällen wiederum seien zwei als versehentlich registriert worden.

Der Vorfall in Newport News unterstreicht die anhaltende Bedrohung durch Waffengewalt an Schulen in den USA. Im Mai waren bei einem Amoklauf an einer Grundschule in Uvalde im US-Staat Texas 19 Kinder und zwei Lehrer ums Leben gekommen. (dpa/fmg)