Washington. Der Ausschuss hat gesprochen: Donald Trump soll einen Aufstand angezettelt haben. Was nun passiert, liegt in der Hand eines Mannes.

Kommt zum ersten Mal in der Geschichte ein ehemaliger US-Präsident hinter Gitter? Der Sonderausschuss zum Aufstand im Kapitol meint, dass Trumps Verhalten strafrechtliche Folgen nach sich ziehen sollte. Die Entscheidung darüber, ob er angeklagt wird, liegt aber allein bei Justizminister Merrick Garland, und der lässt sich nicht in die Karten schauen. Sicher ist nur, dass die Empfehlung des Sonderausschusses sich zugleich als politische Zeitbombe erweisen könnte.

Nachdem die Mitglieder des Kongressausschusses über Tausend Interviews geführt hatten und noch mehr E-Mails, SMS, Gerichtsdokumente sowie Überwachungsvideos ausgewertet hatten, trat das "January 6th Committee" am Montag ein letztes Mal zusammen.

Im Mittelpunkt stand der mit großer Spannung erwartete Abschlussbericht, der am Mittwoch in voller Länge veröffentlicht wird. Das Wichtigste aber ist schon bekannt: Wegen vier verschiedener Delikte, die ihm zur Last gelegt werden, empfiehlt der Ausschuss dem zuständigen Justizministerium, zum ersten Mal in der US-Geschichte einen früheren Präsidenten vor Gericht zu stellen.

Wegen "Aufruhr", genauer gesagt der Anzettelung eines Aufstands, wegen der Behinderung eines Kongressverfahrens und wegen Verschwörungen, um den Staat zu betrügen und vorsätzliche Falschaussagen zu machen.

Trump: Aufstand aus Sorge um das Vermächtnis

Die letzte Anhörung gewährte nicht nur Einblicke in die unverfrorene Dreistigkeit, mit der Donald Trump versuchte, um jeden Preis den Ausgang der Präsidentschaftswahl zu kippen und weitere vier Jahre im Amt zu bleiben. Sie gab zugleich Aufschluss über seine Motivation. "Kein Mensch wird sich für mein Vermächtnis (als Präsident) interessieren, wenn ich verliere", hatte er seiner früheren Kommunikationschefin Hope Hicks gesagt.

Damit sah sich wiederum die Psychologin Mary Trump, die Nichte des 45. Präsidenten, in ihrer Diagnose bestätigt, dass er nämlich "ein narzisstischer Soziopath" sei.

Wie Hicks in ihrer Vernehmung sagte, hätten sowohl sie als auch einige von Trumps Anwälten schon in den Tagen vor dem Aufstand Unheil gewittert und einen eindringlichen Appell an die Adresse des Präsidenten gerichtet: Ehe es zu spät sei, solle Trump seine Anhänger, von denen er wusste, dass sie den Marsch vom Weißen Haus zum Kapitolsgebäude antreten würden, unbedingt zum Verzicht auf Gewalt auffordern. Ein Aufruf, den Trump nicht nur am 4. und 5. Januar eiskalt ignorierte.

Auch am Tag des gescheiterten Putschversuchs, als bewaffnete Randalierer im Parlamentsgebäude Fenster eingeschlagen hatten, Türen eingetreten hatten, mit dem Schlachtruf "Erhängt Mike Pence" in den Gängen des Kapitols tobten und sowohl den Vizepräsidenten als auch Oppositionschefin Nancy Pelosi aufspüren wollten, hüllte sich der Präsident mehr als drei Stunden lang in Schweigen.

Die ehemalige Präsidenten-Beraterin Hope Hicks auf einer Leinwand im Kongressausschuss.
Die ehemalige Präsidenten-Beraterin Hope Hicks auf einer Leinwand im Kongressausschuss. © Mandel NGAN / AFP

Kongress-Ausschuss lässt kein gutes Haar an Trump

Der Ausschuss zeichnete jedenfalls ein vernichtendes Bild des ehemaligen Präsidenten. Schon in den Tagen und Wochen vor dem Aufstand seien mit der Hilfe seines Anwalts John Eastman, der nach Ansicht des Ausschusses ebenfalls angeklagt werden sollte, hinter den Kulissen die Weichen für den Aufstand gestellt worden.

Trump habe jeden, der ihm nicht helfen wollte, Präsident Joe Bidens Wahlsieg zu kippen, bedroht und einzuschüchtern versucht. Er soll sogar Zeugen vor deren Kongressauftritt kontaktiert haben, um ihnen belastende Aussagen auszureden.

Zu jenen, die er kontaktierte, zählten leitende Beamte des Justizministeriums, Wahlfunktionäre in den wichtigen "Swing States" und selbst Kongressmitglieder, die er für sein Komplott gewinnen wollte, eine klare Wahlniederlage auf den Kopf zu stellen. Nicht nur, um an der Macht zu bleiben und somit sein "Vermächtnis" zu retten, sondern auch, um Anhängern um 250 Millionen Dollar an Spenden zu prellen, so die Vorwürfe.

Die Vorbereitungen gipfelten dann in Trumps Rede vor dem Weißen Haus, in der er unmittelbar vor dem gescheiterten Coup die Worte sprach: "Wenn Ihr nicht kämpft wie die Hölle, dann werdet ihr kein Land mehr haben!"

Was Trump nun drohen kann

Wie aber geht es nun weiter? Wird "The Donald" – wie schon unzählige Male in der Vergangenheit – wieder seinen Kopf aus der Schlinge ziehen können? Werden nach gründlichen, Monate langen Ermittlungen die Empfehlungen des Ermittlungsausschusses von Trump wie Wassertropfen von einer Teflon-Pfannne abperlen? Oder wird ihm der Prozess gemacht, und ist im äußersten Fall sogar eine Gefängnisstrafe denkbar?

Darüber gehen die Meinungen auseinander. Andrew McCabe, früher stellvertretender Direktor des Bundeskriminalamts FBI, zweifelt an einer Anklage. "Das Justizministerium wird einen solchen Schritt nur wagen, wenn dort die Staatsanwälte fest überzeugt sind, dass der Prozess zu einer Verurteilung führen kann", so McCabe.

Anders sieht es der Enthüllungsjournalist Carl Bernstein, der vor 50 Jahren half, den Watergate-Skandal aufzudecken. "Es gibt einen Mann, der Trump zu Fall bringen kann, und das ist Pat Cipollone", meint Bernstein. Cipollone, der im Weißen Haus der Rechtsberater des Präsidenten war, "saß in den kritischsten Stunden jede Minute dabei, hat alles gesehen und gehört und kooperiert offenbar schon mit dem Justizministerium" so der Autor.

Das wiederum könnte Garland Mut machen, Trump anzuklagen. Andere weisen darauf hin, dass der Minister auch die politische Realität in Kalkül ziehen müsse. Viele Experten fürchten nämlich, dass es Trump gelingen könnte, sich bei seinen Anhängern als Märtyrer zu verkaufen, der das unschuldige Opfer einer weiteren "Hexenjagd" sei, und seine Präsidentschaftskampagne davon letzten Endes sogar profitiert.

So reagiert Trump auf den Ausschuss

Unterdessen versuchte Trump selbst, die Abläufe in Washington demonstrativ zu ignorieren. Stattdessen postete er auf seiner sozialen Medienplattform "Truth Social" eine Tirade gegen Bidens angeblich viel zu lockere Einwanderungspolitik.

Verloren hat er eines aber allemal, nämlich den Kampf um sein Vermächtnis. Oder wie Bernstein es ausdrückt. "Er hat ein Vermächtnis als Präsident, nur nicht das was er haben wollte, er hat muss nämlich nun mit dem Vermächtnis leben, ein Verlierer zu sein."

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