Berlin. Der Schützenpanzer “Puma“ sollte bei der Nato eingesetzt werden. Nun zeigt sich offenbar: Kein einziges Gerät steht zur Verfügung.

Wieder einmal muss der Generalinspekteur Eberhard Zorn eine Krise managen. Noch am Abend, nachdem ihn die Nachricht über die neue Pannenserie beim Schützenpanzer Puma erreicht habe, führte er Gespräche: mit der Rüstungsindustrie, die er um Hilfe bat, mit den Verantwortlichen in der Truppe, wo er sich Details zu dem Vorfall holte. So schildert Zorn seine Stunden nach Bekanntwerden der Alarm-Meldung, die einer seiner Spitzen-Soldaten absetzte.

Für diesen Montagvormittag hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) ein Krisengespräch in Berlin angesetzt. Generalinspekteur Zorn wird dabei sein. Und: Generalmajor Ruprecht von Butler. Er war der ranghohe Soldat, der mit einer brisanten Meldung, einem mehrseitigen internen Schreiben, für Hektik im Ministerium sorgte. Lambrecht erfuhr auf der Dienstreise in Afrika von dem Inhalt der E-Mail.

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Pannenserie beim Puma: "Totalausfall"

Von Butler ist Kommandeur der 10. Panzerdivision und spricht von einem „Totalausfall“. Bei einer Übung auf dem Gelände der Panzertruppenschule im niedersächsischen Munster sind die Schützenpanzer vom Typ Puma ausgefallen. Nicht einer, sondern der Reihe nach alle 18 eingesetzten Fahrzeuge. Der „Spiegel“ hatte zuerst über die Pannenserie berichtet.

Schützenpanzer vom Typ Puma im Trainingseinsatz im niedersächsischen Munster. Nun kam es zu Pannen bei einer Übung.
Schützenpanzer vom Typ Puma im Trainingseinsatz im niedersächsischen Munster. Nun kam es zu Pannen bei einer Übung. © Getty Images | Sean Gallup


Es kam laut dem Schreiben des Generalmajors etwa zu Kabelbränden in den Panzern, vor allem die Elektronik aber machte Probleme. Die letzten beiden noch einsatzbereiten Pumas seien bei dem Manöver „nach anderthalb Stunden mit Turmdefekten“ ausgefallen. Es sind Meldungen über Materialschäden und Ausfall von Kriegsgerät, die seit Jahren immer wieder die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr behindern.

Doch dieser Fall bekommt eine besondere Bedeutung: In Munster trainierte die Panzergrenadierbrigade 37 mit dem Puma und dem Leopard 2. Die Einheit ist wichtige Säule eines Einsatzes, den die Bundeswehr ab Januar federführend übernimmt: die Very High Readiness Joint Task Force, kurz VJTF.

Deutschlands Bündnisfähigkeit steht infrage

Eine Einheit der Speerspitze der Nato-Eingreiftruppen.
Einsatzort – Je nach Lage etwa: Litauen. Die Ostflanke des westlichen Militärbündnisses, die seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine aufgerüstet wurde. Es ist eine Kernstelle der europäischen Verteidigungspolitik. Knapp 17.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sollen insgesamt für die schnelle Eingreiftruppe der Nato im Einsatz sein, die meisten davon in Litauen.

Dieser Hintergrund ist wichtig, um die Sorge und Aufregung im Ministerium zu verstehen. Deutschlands Bündnisfähigkeit steht infrage, wieder einmal. „Das wäre katastrophal für unsere Glaubwürdigkeit im Bündnis und unsere Fähigkeit zur Abschreckung an sich“, sagt der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, unserer Redaktion. Schnell steuert die Führung der Bundeswehr gegen die neuen Negativ-Schlagzeilen: „Die Verpflichtung gegenüber der Nato werden wir ab dem 1. Januar erfüllen“, schreibt Inspekteur Zorn.

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Nun aber steht diese Aussage den Erfahrungen im Feld gegenüber. Die Art der Mängel beim Schützenpanzer Puma sei bei der Bundeswehr bekannt gewesen, schrieb der Generalmajor in seinem Brief. „Allerdings noch nie in dieser Häufigkeit“, heißt es demnach. Und dass obwohl die Kriegsfahrzeuge bei der Übung in Niedersachsen auf dem flachen Terrain nicht stark beansprucht worden seien.

„Sie können sich vorstellen, wie die Truppe die Zuverlässigkeit des Systems ›Puma‹ nun bewertet“, zitiert der „Spiegel“ aus dem Schreiben. „Die Einsatzbereitschaft des Fahrzeugs wird trotz aller guten Vorbereitungen zum Lotteriespiel, ich muss es leider so hart ausdrücken.“

„Das Deutsche Heer wurde über Jahre vernachlässigt“

Dabei ist es noch nicht lange her, da bescheinigte die Heeresinspektion den Panzergrenadieren die Einsatzfähigkeit. Im März 2021 hatte die Führung der Bundeswehr die Truppeneinheit geprüft – und ihre „Gefechtstauglichkeit“ erklärt. Das alles nach einem Kraftakt, in dem man vor allem den Schützenpanzer Puma technisch nachgerüstet hatte. Nun aber steht diese Gefechtstauglichkeit erneut infrage. Die Bundeswehr will den Ausfall es Pumas nun offenbar zeitweise durch den Einsatz des deutlich älteren, aber vergleichsweise zuverlässigen Schützenpanzers vom Typ Marder ersetzen.

Für Fachleute kommt der Ausfall der Panzer bei der Übung in Niedersachsen nicht überraschend. „Die Probleme beim Puma unterstreichen, dass das Deutsche Heer über Jahre vernachlässigt wurde“, sagte FDP-Verteidigungsexperte Marcus Faber unserer Redaktion. „Die neuen Probleme beim Puma kommen leider wenig überraschend. Die Nachrüstung des Schützenpanzers hat seit Langem Priorität.“

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Politiker sollten wissen, dass der Schützenpanzer Puma noch nicht zu Hundertprozent einsatz- und versorgungsreif ist“, sagt Wüstner vom Bundeswehrverband. „In der Vergangenheit lag aufgrund der Unterfinanzierung des Verteidigungshaushaltes kein Schwerpunkt auf den Rüstungsprojekten des Heeres. Dies rächt sich nun“, so Wüstner. „Wir brauchen endlich wieder Landstreitkräfte für die Landes- und Bündnisverteidigung, die Ihren Namen verdienen, denn für Abschreckung und Verteidigung braucht es Kräfte, die im Streitfall siegen.“

Zuletzt hatte der Bundestag Projekte aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr genehmigt – darunter den Kauf neuer Sturmgewehre und Investitionen in 35 hochmoderne US-Kampfflugzeuge vom Typ F-35. Ein Großteil der Milliarden sollen in die Luftwaffe fließen.

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