Berlin. Kälte ist für unseren Körper eine große Herausforderung. Experten erklären, wer besonders gefährdet ist und was es zu beachten gilt.

Schnee bis ins Flachland, eiskalter Wind und frostige Nächte. Nach einem zu heißen Sommer und zwei sehr warmen Monaten Oktober und November hat uns jetzt die Kälte fest im Griff. Für uns Menschen ist sie ein gesundheitlicher Risikofaktor, denn mit niedrigen Temperaturen kommt unser Körper per se schlechter zurecht als mit hohen.

Eigentlich mag er Temperaturschwankungen grundsätzlich nicht. „Wir machen uns gar nicht bewusst, dass unser Körper seine Temperatur immer auf einen Grad genau halten muss“, so Hanns-Christian Gunga, Professor für Physiologie in Extremen Umwelten an der Charité Berlin. Dort forscht er unter anderem zu den Auswirkungen von Kälte auf den menschlichen Organismus.

Die Organe, insbesondere Herz, Lunge, Nieren und Gehirn, sind darauf angewiesen, dass unsere Körperkerntemperatur zwischen 36 und 37 Grad beträgt. „Das ist eine Herkulesaufgabe“, betont Gunga.

Schlitten fahren macht Spaß. Doch die kalten Temperaturen setzen dem Körper zu.
Schlitten fahren macht Spaß. Doch die kalten Temperaturen setzen dem Körper zu. © Matthias Bein/dpa

Krank durch Kälte: Der Körper kommt schnell an seine Grenzen

Die Natur hat sich dafür verschiedene Strategien ausgedacht – allen voran die Regulation der Hautdurchblutung. Sensoren in der Haut melden dem Hirn beispielsweise, wo diese lokal abkühlt. Da sich die Hauttemperatur je nach Körperregion jedoch stark unterscheidet, werden diese Informationen zu einem Gesamtbild zusammengeführt.

„Kommt das Gehirn zu dem Schluss, es ist tatsächlich kalt draußen, werden die Blutgefäße enger gestellt“, so der Physiologe. Zusätzlich würden bestimmte „Pforten“ in der Blutbahn, die sogenannten Anastomosen, geschlossen, damit weniger Blut in die äußeren Hautschichten gelangt. Dadurch wird das erwärmte Blut aus dem Inneren des Körpers schneller wieder zurückgeführt und kühlt weniger stark ab. Das reicht aber nicht aus.

„Genauso wichtig sind bei Kälte unsere kognitiven Fähigkeiten“, sagt Gunga. „Anders als bei anderen Lebewesen kommt unsere körperliche Regulation schnell an ihre Grenzen – und uns bleibt nichts anderes, als den Verstand einzusetzen und uns vernünftig zu verhalten.“ Soll heißen: Warme Kleidung inklusive Schal, Mütze, Handschuhen und gefütterten Schuhen tragen. Am besten nie alleine länger in der Kälte unterwegs sein. Und Warnsignale des Körpers ernst nehmen. Gunga: „Leider haben wir oft ein gesundes Gespür dafür verloren, was geht und was nicht, und überlasten uns.“

Zittern bei Kälte: Körper versucht, Wärme zu produzieren

Wird es dem Körper zu kalt, wird die Durchblutung der ihm weniger wichtigen Körperteile noch weiter zurückgefahren. „Das betrifft insbesondere Füße, Hände, Ohren und Nase – alles, was weit außen liegt, weit entfernt vom Körperkern“, so André Klußmann, Professor im Department Gesundheitswissenschaften an der HAW Hamburg. Die Erklärung ist logisch: Ohne Ohr oder Finger könnten wir durchaus überleben, ohne ein intaktes Herz-Kreislauf-System nicht.

„Der nächste Schritt ist Zittern“, so Klußmann. Dadurch versucht der Körper, Energie und somit auch Wärme zu produzieren. „Das klappt allerdings bei Weitem nicht so gut wie die Kompensation bei Hitze.“ Schwitzen sei deutlich effektiver. Das bestätigt auch Gunga. Das Aufwärmen kostet den Körper laut der Experten enorm Kraft. Die Folge: Unsere Muskelkraft verringert sich, Ausdauer, Geschicklichkeit und Konzentration nehmen deutlich ab. Gleiches gelte für die sogenannte Oberflächenwahrnehmung – lokale Erfrierungen bekämen wir deshalb teils gar nicht mit. „Sehr lange in der Kälte unterwegs zu sein, sollte man daher unbedingt vermeiden,“ so Klußmann.

Er ist Koordinator der medizinischen Leitlinie zum Arbeiten unter klimatischen Belastungen wie Kälte. Pauschal gilt laut Klußmann: Je länger man der Kälte ausgesetzt war, desto länger sollten auch die Aufwärmphasen bei Temperaturen im Wohlfühlbereich sein. Seine Faustregel: „Je Stunde draußen bei gefühlten minus zehn Grad sollte man sich mindestens eine Viertelstunde aufwärmen.“

Zudem solle man darauf achten, nicht länger in der Kälte zu bleiben als nötig, zwischendurch zum Beispiel warmen Tee trinken und insbesondere Finger, Füße und Ohren gut schützen. „Und ganz wichtig: nasse und verschwitzte Kleidung so schnell wie möglich wechseln, sonst kühlt der Körper noch mehr aus“, so der Experte. Gunga empfiehlt zudem, unbedingt Schal und Mütze zu tragen: „Über den Kopf verlieren wir am meisten Wärme und am Hals ist die Dichte an Kälterezeptoren am höchsten.“

Krank durch Kälte: Risiko für Infekte und Herz-Kreislauf-Probleme

Bei Minusgraden sollten sich gerade Menschen mit Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems oder tiefen Thrombosen besonders schützen, es langsam angehen lassen und womöglich im Warmen bleiben. Das betont auch die Deutsche Herzstiftung. Wichtig sei ebenfalls, die Wohnung nicht auskühlen zu lassen. Einzelne Studien deuteten darauf hin, dass eine kühle Wohnung den Blutdruck erhöhen und das Herz gefährden könne, heißt es.

Neben dem Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme erhöht sich durch Kälte aber auch die Infektanfälligkeit. „In dem Augenblick, in dem der Körper auskühlt, werden insbesondere die Schleimhäute nicht mehr adäquat durchblutet – und dadurch die Eintrittspforte für Erreger stärker geöffnet“, erklärt Umweltmediziner Gunga. Für Personen mit Neurodermitis sei die Kälte doppelt belastend, da die Haut nicht nur abkühle, sondern auch austrockne. Er rät, mit entsprechenden fetthaltigen Cremes gegenzusteuern.

Grundsätzlich gilt: Um die Kältebelastung im Winter besser zu verkraften, sollte man den Körper über das Jahr hinweg vorbereiten, rät Gunga. „Wer regelmäßig in die Sauna geht und danach kalt badet, trainiert damit die Muskulatur der Blutgefäße“, erklärt er. Diese müsse gut funktionieren, der Körper mit dem Zustand verengter Gefäße und dem dadurch gestiegenen Blutdruck gut umgehen. Auch Wechselduschen seien dafür geeignet. Immer vorausgesetzt, der Hausarzt gibt dafür grünes Licht. „Hauptsache, Sie machen dies regelmäßig und das über einen langen Zeitraum.“ Egal wie unangenehm, hier zähle der Trainingseffekt.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de