New Orleans. James Grimes ging bei einer Kreuzfahrt über Bord. Nun schildert er seinen Überlebenskampf – und welche Nahrung ihn vielleicht rettete.

Es gehört zu den Urängsten des Menschen: plötzlich allein auf offener See zu treiben. Um einen herum das große Nichts, das einen in seinen Sog zu schlingen droht. Horrorthriller wie „Open Water“ spielen mit dieser Angst.

Jetzt berichtet einer, der es überlebt hat: James Grimes aus dem US-Bundesstaat Alabama fiel vom Kreuzfahrtschiff und trieb bis zu 20 Stunden im Golf von Mexiko. In einem Interview mit der ABC schildert der 28-Jährige den Kampf gegen sein drohendes Ende.

Auf Kreuzfahrtschiff fließen die Drinks...

Es ist der Tag vor dem US-Feiertag Thanksgiving, als Grimes und 18 Familienmitglieder und Freunde mit der Carnival Valor in See stechen. Von New Orleans sollte das Schiff den Golf überqueren mit Mexiko als nächstem Ziel.

Die Stimmung ist ausgelassen, schon tagsüber fließen die ersten Drinks. Mit seiner Schwester besucht Grimes am Abend ein Bordlokal, gewinnt dort Freidrinks, weil er als Sieger aus einem Luftgitarrewettbewerb hervorgeht. Irgendwann sucht er die Toiletten, dann hat sein Film einen Riss. Ob er betrunken auf die Reling kletterte oder von seinem Kajütenbalkon fiel – niemand kann es sagen.

Nach Party auf Kreuzfahrtschiff: Böses Erwachen

„Das Nächste, woran ich mich erinnern kann – ich war im Wasser, und das Schiff war nicht mehr in Sicht“, schildert er sein böses Erwachen. Umgeben von völliger Dunkelheit, abgesehen von dem Licht des Mondes und der Sterne, wird ihm seine Lage bewusst. Und er fasst einen Entschluss: überleben.

„Ich spürte, dass ich eine Chance bekam… Dass wir aus einem bestimmten Grund auf der Welt sind, dass es (der Sturz) mich hätte töten können, dass ich aber aus einem Grund noch lebe.“ Von diesem Augenblick an habe er sich entschieden, optimistisch zu bleiben. „Alles, was ich nun tun konnte, war Schwimmen und Überleben. Ich hoffte, sie würden mich suchen und bestenfalls auch finden“, sagt er.

Drama auf Kreuzfahrtschiff: Erst am nächsten Mittag meldet man Grimes als vermisst

Doch erst zwölf Stunden später meldet seine Schwester ihn als vermisst. Offenbar nahm jeder an, er schlafe sich nur aus. Die Aufregung an Bord ist groß, der Reeder veröffentlicht ein Statement, dass ein „Search & Rescue“-Notfallprogramm eingeleitet werde und das Schiff dafür von seiner vorhergesehen Route abweichen würde.

Das Archivbild zeigt die Carnival Valor in der Karibik. Inzwischen erhielt das 2004 getaufte Kreuzfahrtschiff einen blauen Anstrich.
Das Archivbild zeigt die Carnival Valor in der Karibik. Inzwischen erhielt das 2004 getaufte Kreuzfahrtschiff einen blauen Anstrich. © Carnival Cruise Line | Carnival Cruise Line

Später teilen sie mit, dass die US-Küstenwache das Schiff wieder freigebe und es seinen Kurs auf die mexikanische Karibikinsel Cozumel fortsetzen werde. Für die Angehörigen des vermissten Gastes stehe ein Notfallteam bereit.

Kreuzfahrtschiff-Passagier schwimmt um sein Leben

Während die Familie da schon mit dem Schlimmsten rechnet, schwimmt Grimes um sein Leben, getrieben von dem Willen, seine Lieben wiederzusehen. „Ich akzeptierte nicht, dass es das gewesen sein sollte. Ich bin 28. Ich bin zu jung.“

Eine Seekreatur umschwimmt seine Beine; ob es ein Hai war, vermag er nicht zu sagen. „Ich sah nur die Flosse, und es machte mir Angst. Ich trat es mit dem Fuß weg.“

Bambus als einzige Nahrung

Irgendwann kaut er an einem herumtreibenden Bambusstengel. „Ich würde nicht sagen, dass es gut geschmeckt hat, aber es gab mir einen anderen Geschmack als das Salzwasser“, schildert Grimes. Das Gute: Das laut Aufzeichnungen in der Nacht etwa 21 Grad warme Wasser wärmt sich am Tag weiter auf. Das Schlechte: Der nächste Abend dämmert und es wird wieder kühler.

Grimes denkt nur: „Wie viel länger muss ich noch hier draußen sein?“ Dann jedoch erblickt er einen Tanker. Mit letzter Kraft zieht er seine Socken aus und winkt mit ihnen. Die Besatzung wird auf ihn aufmerksam und verständigt die Küstenwache. Um 20.25 Uhr Ortszeit,. 32 Kilometer südlich des Seewegs Louisiana South West Pass, vermelden die Retter die Sichtung eines Schiffbrüchigen.

Retter fischen ihn in letzter Minute aus dem Meer

„Er hatte keine Energie mehr. Er hatte nichts mehr zu geben“, sagt einer seiner Retter, Richard Hoefle der ihn in einen Helikopter zieht. Seiner Erfahrung nach hätte er kaum mehr als eine Minute überlebt. Trotzdem entschuldigte er vor den Rettern noch seine Nacktheit. „Er hatte einen unglaublichen Überlebenswillen“, so Hoefle.

Carnival Cruise Line weisen daraufhin, dass sämtliche Relings nach den Vorgaben der US-Küstenwache abgesichert seien und nur absichtsvoll überwunden werden könnten.

Zu Hause habe er in einer Hose, die er in seinem Gepäck hatte, einen bis dahin ungelesenen Glückskeks-Zettel gefunden, erzählt Grimes: „Das Leben ist ein Strand. Genieße die Wellen.“ Er wolle seinem Dasein nun eine neue Richtung geben. Und wenn er auf seine zweite Geburt anstoßen will, dann hoffentlich nicht in einer Dachterrassen-Bar.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.