Berlin. Kommt es im Winter zu Blackouts? Während die Behörden darüber streiten, fordert Städtetagspräsident Lewe eine bessere Vorbereitung.

Wegen der Energieknappheit befürchten Umfragen zufolge viele Haushalte Stromausfälle im Winter. Die Sorge teilen die Städte und Gemeinden: „Es kann im Winter passieren, dass der Strom in bestimmten Regionen vorübergehend ausfällt“, sagte Städtetagspräsident Markus Lewe unserer Redaktion. Mit längeren Blackouts rechnet der Oberbürgermeister von Münster zwar derzeit nicht. „Es wird nicht tagelang in ganz Deutschlands der Strom weg sein. Aber wir müssen auf besondere Krisensituationen vorbereitet sein, die Menschen wie die Städte.“

Regionale Stromausfälle im Winter hält auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, für denkbar. Bei Energieknappheit müsse zur Stabilisierung des Netzes vorübergehend regional und zeitlich begrenzt die Stromversorgung abgeschaltet oder begrenzt werden, sagte Landsberg dem „Handelsblatt“. Um solche Szenarien zu vermeiden, müssten Bund, Länder und Kommunen „noch intensiver zusammenarbeiten“, forderte Lewe.

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„Wir müssen davon ausgehen, dass es im Winter Blackouts geben wird“

„Es muss klar und eingeübt sein, wie auf den verschiedenen Ebenen schnell und gut koordiniert entschieden werden kann“, sagte der Städtetagspräsident. Als Beispiel nannte Lewe Notstromaggregate, die bei einem Blackout mit Benzin betrieben werden. Bei der Treibstoffversorgung endeten aber kommunale Möglichkeiten, betonte der CDU-Politiker. „Deswegen müssen Bund und Länder die Treibstoffversorgung verlässlich steuern und sich darum kümmern. Das muss zwingend miteinander abgestimmt werden.“

Ausgelöst hatte die aktuelle Diskussion über mögliche Stromausfälle der Chef des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler. „Wir müssen davon ausgehen, dass es im Winter Blackouts geben wird“, hatte der BBK-Chef in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ gewarnt.

Ursache sei dann nicht nur Energieknappheit, sondern auch das gezielte, zeitweise Abschalten der Netze durch die Betreiber, um die Netze zu schützen und die Gesamtversorgung nicht zu gefährden. „Das Risiko dafür steigt ab Januar und Februar, so dass wir davon ausgehen, dass es von da an stellenweise für eine gewisse Zeit zu Unterbrechungen der Stromversorgung kommt.“

Heizstrahler als Gefahr fürs Netz?

Einen plötzlichen und unkontrollierten Stromausfall in großen Teilen Deutschlands schließen Experten aus. Bisher wurde allenfalls das von Tiesler genannte Szenario erörtert, dass die Betreiber vorsorglich, zeitweise und mit Ankündigung gezielt einen begrenzten Verbraucherkreis vom Netz nehmen. Als sich viele Menschen aus Angst vor einem Gasmangel vor einigen Monaten mit elektrischen Heizgeräten eindeckten, war bereits über die Gefahren ihres massenhaften Einsatzes für die Stabilität der Stromversorgung diskutiert worden. Eine Rolle spielt aber etwa auch, welche Mengen Strom Deutschland etwa an Frankreich liefert, wo zahlreiche Atomkraftwerke wegen Problemen nicht am Netz sind.

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Inzwischen hat die Bundesregierung jedoch nicht nur den Betrieb der drei letzten deutschen Atomkraftwerke verlängert, sondern es wurden auch Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke aus der Reserve geholt, um die Energieversorgung im Winter zu sichern. Außerdem sind die deutschen Gasspeicher inzwischen trotz der ausbleibenden Lieferungen aus Russland nahezu komplett gefüllt. Nach Einschätzung der Gasspeicherbetreiber kann Deutschland den bevorstehenden Winter ohne Gas-Notstand überstehen. Die drastischen Aussagen Tieslers kam daher unerwartet.

„Großflächiger Stromausfall äußerst unwahrscheinlich“

Markus Lewe (CDU), Präsident des Deutschen Städtetages.
Markus Lewe (CDU), Präsident des Deutschen Städtetages. © Axel Heimken/dpa

Die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic warnte davor, „Panik zu schüren“. Ein Sprecher der Bundesnetzagentur bemühte sich in Reaktion auf die Aussagen des BBK-Chefs, Sorgen vor einem Blackout zu zerstreuen. „Die Bundesnetzagentur hält die Wahrscheinlichkeit für gering, dass erzwungene Abschaltungen im kommenden Winter erforderlich werden“, sagte der Sprecher unserer Redaktion.

Auch das BBK selbst bemühte sich am Sonntag um Klarstellung und bedauerte „die missverständliche Formulierung“ Tieslers. „Ein großflächiger Stromausfall in Deutschland ist äußerst unwahrscheinlich“, erklärte die Behörde. „Das elektrische Energieversorgungssystem ist mehrfach redundant ausgelegt und verfügt über zahlreiche Sicherungsmechanismen, um das Stromnetz bei Störungen zu stabilisieren.“ Ausdrücklich fügte das Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hinzu: „Ebenso wird die Wahrscheinlichkeit als gering angesehen, dass es regional und zeitlich begrenzt zu erzwungenen Abschaltungen kommt, um die Gesamtversorgung weiter sicherzustellen.“

Trotz des Zurückruderns der Behörde müssen nach Ansicht von Städtetagspräsident Markus Lewe jedoch auch Vorbereitungen für unwahrscheinliche Notlagen getroffen werden. „Die Krisenstäbe der Städte spielen deshalb verschiedene Szenarien durch, um im Notfall sehr schnell die richtigen Entscheidungen treffen zu können“, sagte der CDU-Politiker. „Nicht jede Vorbereitung hängen wir an die große Glocke. Aber im Hintergrund passiert viel.“ Denn es geht dabei auch darum, die kritische Infrastruktur wie zum Beispiel Krankenhäuser zu schützen. „Wichtig ist aber auch, dass Krankenhäuser, Energieversorger oder Wasserbetriebe selbst vorsorgen und für sich eigene Notfallpläne erstellen und einüben“, mahnte der Städtetagspräsident.

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Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.