Washington. US-Präsident Biden wird Sonntag 80. Wenn Ron DeSantis (44) als Präsidentschaftskandidat ins Rennen geht, sieht er noch älter aus.

Pete Buttigieg ist 40 Jahre alt und damit per Definition ein Hoffnungsträger der Demokraten in Amerika. Er könnte es also tun. Unter vier Augen natürlich und behutsam. Aber der bubenhaft dreinschauende Transport- und Infrastruktur-Minister im Kabinett des amerikanischen Präsidenten ist zu anständig, um Joe Biden auf ein Dilemma zu stoßen oder gar vom Thron.

Ein Dilemma, das größer geworden ist, seit Biden durch den sensationellen Teil-Erfolg seiner Partei bei den „midterms”, den Sieg im Senat, warme Luft unter den Flügeln verspürt. Seine Neigung, 2024 noch ein Mal für das Weiße Haus anzutreten, hört man aus seinem Umfeld, sei noch gestiegen. Motto: Ich habe Donald Trump einmal bezwungen. Ich kann es wieder tun.

Biden: Kann er mit jüngerem Kandidaten mithalten?

Aber an der Stelle tut sich ein Problem auf. Sollte die Götterdämmerung bei den Republikanern den 76 Jahren alten Polit-Pascha vor der Wahl 2024 abräumen und den Weg ebnen für den jungen Shooting-Star aus Florida, Gouverneur Ron DeSantis, dann käme Biden, der am Sonntag 80 Jahre alt wird, bei den traditionellen Fernseh-Rede-Duellen in eine beklemmende Situation: Opa meets Youngster. Biden wäre im nächsten Wahlkampf fast 82 Jahre alt, DeSantis gerade mal 46.

Weil Amerika das Alter zwar wertschätzt, aber noch mehr das Aufbruchsversprechen der Jugend, könnte Bidens über ein halbes Jahrhundert angehäufte politische Lebensweisheit zum Handicap werden. Auch darum will der Präsident Anfang nächsten Jahres mit Gattin Jill und der Familie in Ruhe über die Frage einer weiteren Kandidatur beraten. Tendenz heute: Er will. Seine Ärzte sagen: Nichts dagegen.

Verjüngen sich die Republikaner mit DeSantis, wird das bei den Demokraten zusätzlichen Handlungsdruck erzeugen. Zusätzlich, weil die Debatte um sein Alter bereits losging, bevor Joe Biden im Januar 2021 auf den Treppen des Kapitols in Washington den Amtseid sprach. In unregelmäßigen Abständen räuspern sich seither, meist anonym und im Kammer-Ton, demokratische Würdenträger in US-Leitmedien und warnen davor, die Altersfrage aus dem Blick zu verlieren.

US-Präsidenten und die Altersfrage

Seit Nancy Pelosi (82), die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, und seit 20 Jahren die wohl einflussreichste Politikerin der Vereinigten Staaten am Donnerstag ihren Rückzug bekanntgegeben hat, haben Kritiker der amerikanischen „Polit-Gerontokratie” noch mehr Blut geleckt. Ihr Credo: Wer wie Biden und Trump zu alt sei für einen Chef-Posten in einem Unternehmen, der könne auch nicht mehr an die Spitze des Staates gelassen werden. Schließlich ist man nicht mehr in den 80er Jahren...

Damals wurde der republikanische Präsident Ronald Reagan (73) in einer TV-Debatte mit seinem 57-jährigen Herausforderer Walter Mondale (Demokraten) gefragt, ob er seinen Verpflichtungen geistig und körperlich noch gewachsen sei. Reagan schnuckelte kurz und sagte dann für die Geschichtsbücher: „Natürlich. Aber ich werde Altersfragen in dieser Kampagne nicht thematisieren. Ich werde die Jugend und Unerfahrenheit meines Herausforderers nicht politisch ausschlachten.” Mondale lachte. Amerika lachte. Reagan gewann die Wahl.

2022 ist der Ton rauer. Tim Ryan, der im republikanischen Ohio für die Demokraten ein beeindruckendes Rennen um den Senat führte und am Ende dem mit 40 Millionen Dollar Spenden-Geld gepamperten Trump-Zögling J. D. Vance den Vortritt lassen musste, sagt es schnörkellos: „Ich bin dagegen, dass Joe Biden 2024 erneut antritt.” Seine Abgeordneten-Kollegin Elissa Slotkin erklärte im US-Fernsehen kategorisch: „Wir brauchen neues Blut.”

Keine Einzelmeinung. Laut Umfragen wünschen sich zwei von drei demokratischen Wählern 2024 eine Alternative zu Biden. Bei Wählern unter 30 sind es sogar 94 %. Dahinter steht keine Geringschätzung Biden gegenüber, der 14-Stunden-Arbeitstage abreißt und immer noch Akten verschlingt. Der aber altersgemäß manchmal Aussetzer hat, Orte und Länder verwechselt und die Dinge trotz Teleprompter durcheinanderbringt. Dahinter steht die Überzeugung, dass der Job im Weißen Haus die unaufhörlich schwindende physische und psychische Kraft eines über 80-Jährigen übersteigt. In Amerika sagt man „octogenarian” zu ihnen. Was so klingt wie eine jahrelang in der Sonne gegerbte Eidechse.

Nach Biden: Wer kommt für Kandidatur infrage?

Joe Biden 80 und Ron DeSantis gefühlt ante portas – da legt bei den Demokraten in den Gedanken das Personal-Karussell einen Zahn zu. Könnten der kalifornische Gouverneurs Gavin Newsom (55) oder die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer (51), die just beide eindrucksvolle Siege bei den „midterms” feierten, in die Fußstapfen treten? Kann man die scheinbar hoffnungslos in Hintertreffen geratene Vize-Präsidentin Kamala Harris wirklich schon abschreiben?

Auch die Senatorinnen Elizabeth Warren und Amy Klobuchar sowie die Gouverneure J. B. Pritzker (Illinois) und Phil Murphy (New Jersey), der bis 2013 US-Botschafter in Berlin war, kommen anstatt Biden infrage. Und natürlich auch Pete Buttigieg. Der frühere Bürgermeister der Kleinstadt South Bend in Indiana käme in punkto Frische wohl am ehesten als Äquivalent zu Ron DeSantis in Betracht. Er ist pragmatisch, mittig, vielsprachig, im Fernsehen eloquent, ohne oberlehrerhaft zu wirken, und verkörpert als schwuler Familienvater zweier Kinder das moderne Amerika, ohne als Nischen-Lobbyist für reine LGBTQ-Interessen zu erscheinen.

Buttigieg kennt die Zahlen: Ronald Reagan war 77, als er aus dem Amt schied. Das war 1989. Biden wäre am Ende der nächsten Amtszeit im Januar 2029 biblische 86 Jahre alt. Von einem Übergangspräsidenten, der Brücken bauen wollte, könnte dann keine Rede mehr sein.

Aber Joe Biden reagiert auf die „Age”-Frage beinahe altersstarrsinnig. Ob ihn beeinflusse, dass sechs von zehn Amerikanern alles andere als wohl dabei ist, dass ein Mann seines Alters erneut nach dem höchsten Staatsamt greifen könnte, wurde er neulich im Weißen Haus gefragt. Worauf ein superschnelles „Nein” zurückkam. Auf die Zusatzfrage, ob er sein Amt voll erfüllen könne, legte der älteste Präsident in der Geschichte Amerikas selbstbewusst nach: „Achtet drauf!”.

Dieser Artikel ist zuerst bei morgenpost.de erschienen.