Berlin. Baden-Württemberg und Bayern haben die Isolationspflicht für Infizierte aufgehoben, weitere Länder wollen folgen. Doch es gibt Kritik.

Zwei rote Striche auf dem Corona-Test – in einigen Bundesländern ist das kein Kriterium mehr, um von der Arbeit fern und stattdessen zuhause im Bett zu bleiben. Am vergangenen Freitag hatten Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein angekündigt, die Corona-Isolationspflicht für positiv getestete Menschen aufzuheben. In Baden-Württemberg und Bayern wurde das nun umgesetzt. Wer sich hier mit dem Virus infiziert und keine Symptome hat, kann seit Mittwoch weiter regulär am Arbeitsplatz erscheinen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie begründen die Länder ihre Entscheidung?

Die vier Bundesländer berufen sich in ihrer Entscheidung unter anderem auf die aktuell sinkenden Fallzahlen, die hohe Basisimmunität in der Bevölkerung und die Erfahrungen anderer EU-Länder wie etwa Österreich, in denen die Isolationspflicht bereits zuvor abgeschafft wurde. Zudem verursache die aktuell dominierende Omikron-Variante zwar symptomatische, aber in der Regel keine schweren Krankheitsverläufe, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Bundesländer.

Was gilt nach dem Ende der Corona-Isolationspflicht?

An die Stelle der Isolationspflicht treten für Menschen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, in den vier Bundesländern nun verpflichtende Schutzmaßnahmen, die für mindestens fünf Tage angeordnet werden. Dazu gehört etwa eine Maskenpflicht außerhalb der eigenen Wohnung, mit Ausnahme von Aufenthalten im Freien, ein Betretungsverbot für medizinische Einrichtungen sowie ein Tätigkeitsverbot für Personen, die in bestimmten Bereichen, etwa im Gesundheitswesen, arbeiten. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) erklärte dazu: „Nach wie vor gilt: Wer krank ist, bleibt zu Hause.“

Wie sind die Reaktionen auf die Entscheidung?

Der Vorstoß stieß vor allem bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf Kritik. Der SPD-Politiker bezeichnete die Entscheidung als Fehler: „Das kommt jetzt zur Unzeit und findet nicht die Billigung der Bundesregierung.“ Es gebe keinen medizinischen Grund, auf die Isolationspflicht zu verzichten. Immer noch gebe es etwa 1000 Todesfälle durch Covid-Infektionen in der Woche, das Land befinde sich außerdem vor einer neuen Winterwelle, so Lauterbach. Außerdem müssten sich die Menschen sicher sein können, dass sie sich am Arbeitsplatz nicht infizieren.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz zeigte sich hingegen offen für die Entscheidung zur Abschaffung der Isolationspflicht. „Ich teile den Alarmismus des Bundesgesundheitsministers nicht“, sagte Merz dieser Redaktion. „Beim ersten Lesen der Nachricht hatte ich ein gewisses Unbehagen. Beim längeren Nachdenken erscheint es mir aber verantwortbar zu sein, so vorzugehen wie Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein dies nun tun.“ Merz appellierte gleichzeitig an die Verantwortung der Menschen im Umgang mit dem Infektionsschutz. „Wer krank ist oder starke Symptome hat, sollte nicht zur Arbeit gehen“, warnte der CDU-Chef.

Was bedeutet das Ende der Isolationspflicht für das Infektionsgeschehen?

Auch unter Expertinnen und Experten scheiden sich die Meinungen zur Aufhebung der Isolationspflicht. „Wenn infizierte Beschäftigte weiterhin zur Arbeit gehen, kann es natürlich passieren, dass sich unwissende Arbeitskolleginnen und -kollegen anstecken und sich so das Virus stärker ausbreiten kann als in der Vergangenheit“, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Johannes Nießen, dieser Redaktion. Er kritisierte den Alleingang der Bundesländer. Das sei für die Menschen am Arbeitsplatz eine nicht einschätzbare Gefahr. Andere Experten halten die Entscheidung für vertretbar. „Wir haben einen Rückgang der Zirkulation des Virus, weniger schwere Verläufe und eine zunehmende Immunität in der Bevölkerung“, sagte etwa der Infektiologe Bernd Salzberger. Somit spreche alles dafür, dass die Isolationspflicht nicht mehr gebraucht werde. Das bedeute allerdings nicht, dass Infizierte auch arbeiten gehen sollten, mahnte der Experte.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund übte unterdessen deutliche Kritik. „Menschen mit akuten Infektionskrankheiten haben am Arbeitsplatz nichts zu suchen. Oberstes Gebot muss sein, andere vor Ansteckung zu schützen und weitere Corona-Infektionswellen zu verhindern“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel dieser Redaktion. Es sei stark zu bezweifeln, ob jetzt der richtige Zeitpunkt sei, Isolations- und Quarantänepflichten aufzugeben. „Wo ohnehin schon Personalmangel herrscht, stehen Beschäftigte noch stärker unter Druck, trotz Infektion und Krankheitssymptomen zu arbeiten“, warnte Piel.

Können die Länder die Isolationspflicht selbstständig abschaffen?

Die Entscheidung über die Isolationspflicht liegt in der Hand der einzelnen Bundesländer. Zwar existiert eine Empfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI) zu einer fünftägigen Isolation, die von den Ländern bisher geschlossen umgesetzt wurde – diese ist allerdings nicht verbindlich.

Wie ist die Situation in den anderen Bundesländern?

Hessen und Schleswig-Holstein haben angekündigt, die Isolationspflicht ebenfalls „zeitnah“ aufzuheben. In Schleswig-Holstein soll das voraussichtlich ab Donnerstag der Fall sein. Hessen ließ den genauen Zeitpunkt für diesen Schritt noch offen. Auch andere Bundesländer wollen darüber nachdenken, die Isolationspflicht aufzuheben. So zeigte sich beispielsweise Sachsen grundsätzlich offen für eine Neuregelung, forderte jedoch ein einheitliches Vorgehen aller Bundesländer, in Rheinland-Pfalz wird der weitere Umgang mit der Isolationspflicht aktuell geprüft. Länder wie etwa Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Niedersachsen, Thüringen oder Bremen wollen an der Pflicht festhalten.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.