Nusa Dua/Washington/Peking. Biden und Xi versuchen auf Bali eine atmosphärische Annäherung. Doch beim Ukraine-Krieg und in der Taiwan-Frage bleibt es schwierig.

Der Händedruck ist fest, die Begrüßung freundlich. US-Präsident Joe Biden läuft auf seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping zu. Beide Staatschefs strahlen. Immerhin gibt es Shakehands. Keine Selbstverständlichkeit bei Xi, der seit Beginn der Corona-Pandemie eine Null-Covid-Politik mit eisenharten Lockdowns durchboxte und nun zum G20-Gipfel nach Bali erst seine zweite Auslandsreise unternimmt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurde bei seinem Peking-Besuch Anfang November noch auf Distanz gehalten. Es ist das erste Treffen zwischen dem Amerikaner und dem Chinesen seit dem Amtsantritt Bidens im Januar 2021.

Am Vortag des G20-Gipfels der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer wollen die Lenker der beiden geopolitischen XXL-Akteure zumindest atmosphärisch für eine Aufhellung sorgen. Es ist dringend nötig, denn die amerikanisch-chinesischen Beziehungen sind auf einem Tiefpunkt.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

China kauft billiges Öl von Russland und ist zumindest indirekt ein Profiteur des Krieges

Die Liste der Streitthemen ist lang. An erster Stelle steht Russlands Einmarsch in der Ukraine. Obwohl Peking vor einer „Eskalation“ gewarnt hatte, gibt die Regierung dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Rückendeckung. Die Volksrepublik beteiligt sich nicht an den westlichen Sanktionen gegen Moskau. Sie kauft zudem billiges Öl vom Nachbarland und ist somit zumindest indirekt ein Profiteur des Krieges.

Weitere Belastungspunkte: der Handelskrieg und US-Sanktionen, Chinas Säbelrasseln gegenüber dem demokratischen Taiwan, seine Territorialansprüche im Südchinesischen Meer, die Menschenrechtsverletzungen und die Verfolgung von Minderheiten wie den Uiguren. Peking wiederum wirft Washington vor, seinen Aufstieg in der Welt behindern zu wollen. Die USA sehen China zunehmend als Rivalen und Bedrohung ihrer Sicherheit.

Biden: „Wir stehen nicht vor einem neuen kalten Krieg“

Bei seiner Pressekonferenz nach dem rund dreieinhalbstündigen Gespräch mit Xi am Montag bemüht sich Biden, den Dampf aus den Spannungen zu nehmen. „Wir stehen nicht vor einem neuen kalten Krieg“, sagt er. Und als Beruhigungspille für den Chinesen fügt er hinzu: „Unsere Politik gegenüber Taiwan hat sich überhaupt nicht geändert.“

Die Vereinigten Staaten verfolgten eine „Ein-China-Politik“. Das heißt, die Volksrepublik sei die einzige Vertreterin Chinas. „Alle Streitigkeiten sind friedlich beizulegen“, betont Biden. Eine klare Zurückweisung der in Peking zumindest erwogenen Option, die „abtrünnige Provinz“ notfalls durch den Einsatz von Gewalt mit China zu vereinigen.

Xi: „Die Lösung der Taiwanfrage ist Chinas interne Angelegenheit“

Für Biden gehört dieses Szenario vermutlich zu den „roten Linien“, die er vor dem Treffen mit Xi angekündigt hatte. Jede Seite sollte ihre Interessen und Grenzen klar definieren, um dann einen gemeinsamen Nenner zu finden, lautete seine Botschaft. Bei der Pressekonferenz will er jedoch jedwede konfrontative Schärfe vermeiden. „Ich glaube nicht, dass aktuell irgendein Versuch von chinesischer Seite für eine Invasion Taiwans bevorsteht.”

Xi gibt sich bei diesem Thema schmallippig und wenig kompromissbereit. „Die Lösung der Taiwanfrage ist eine Sache für die Chinesen und Chinas interne Angelegenheit“, sagt er nach chinesischen Angaben. Es sei die „erste rote Linie, die in den Beziehungen zwischen China und den USA nicht verletzt werden darf“.

Bidens Auftritt ist ein Appell zu Pragmatismus und Deeskalation

Biden spricht auch die aus US-Sicht zunehmend destabilisierenden Raketentests Nordkoreas an – mit der Gefahr, dass nach 2017 ein weiterer Atomtest anstehen könnte. Sollte es dazu kommen, hätten die USA eine „klare, unmissverständliche Botschaft gegen Nordkorea“ parat. „Das richtet sich aber nicht gegen China“, schiebt er hinterher. Gleichzeitig appelliert der Amerikaner an Xi, mäßigend auf den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un einzuwirken.

Bidens Auftritt am Montag ist ein Appell zu Pragmatismus und Deeskalation in Zeiten weltpolitischer Megakrisen. „Meine größte Sorge ist, dass es zu Missverständnissen mit Blick auf Absichten und Pläne kommen kann“, unterstreicht wer. Sein Rezept: präventives Krisenmanagement. Amerikaner und Chinesen wollten „Arbeitsgruppen“ einrichten, um sich regelmäßig auszutauschen.

Der chinesische Staatschef bemüht sich zumindest rhetorisch um Annäherung

Amerika und China wollten „globale Herausforderungen gemeinsam bewältigen“, schließt Biden. „Jede Drohung nuklearer Gewalt wird zurückgewiesen.“ Der US-Präsident stellt dies als Konsens-Plattform der beiden Staatschefs dar. Als Wink an Putin, in der Ukraine keine taktischen Atomwaffen einzusetzen, was der Kremlchef zumindest indirekt als Option angedroht hatte.

Von Peking wird dies allerdings nicht erwidert. Laut chinesischen hat Xi nur seine früheren Äußerungen wiederholt, dass Kriege keine Gewinner hervorbrächten.

Doch auch der chinesische Staatschef bemüht sich zumindest rhetorisch um Annäherung. „Der Erfolg Chinas und der USA sind Gelegenheiten, keine Herausforderungen füreinander“, sagt er nach chinesischen Angaben bei der Begegnung mit Biden. „Die Welt ist groß genug für unsere zwei Länder, um uns zu entwickeln und zusammen zu prosperieren.“

Putin hat sich beim G20-Gipfel bereits selbst ausgegrenzt

Xi warnt aber auch. „Einen Handels- und Technologiekrieg anzufangen, Mauern und Hürden aufzubauen, eine Abkopplung voranzutreiben und Lieferketten zu unterbrechen, widerspricht der Marktwirtschaft und untergräbt internationale Handelsregeln“, rügt er. Xi weist damit westliche Kritik an der Abschottung des chinesischen Marktes und an den massiven Subventionen für chinesische Staatsunternehmen zurück.

Hat das bilaterale Treffen zwischen Biden und Xi die Weichen für einen erfolgreichen G20-Gipfel gestellt? China wäre jedenfalls das wichtigste Land, um Russland auf der diplomatischen Bühne international zu isolieren.

Putin hat sich bereits selbst ausgegrenzt. Er ist weder persönlich anwesend noch schaltet er sich per Video zu. Stattdessen schickt er seinen Außenminister Sergej Lawrow. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj – ein ehemaliger Medien- und Entertainment-Profi – hat hingegen einen virtuellen Auftritt.

Auch Indien und die Türkei haben bislang keine eindeutige Position bezogen

Aber nicht nur China, auch Indien und die Türkei haben bislang keine eindeutige Position gegen die russische Invasion in der Ukraine bezogen. Zwar verurteilte der indische Ministerpräsident Narendra Modi den Überfall („Heute ist keine Ära des Krieges“). Doch sein Land ist großer Waffenkunde in Russland und importiert Öl und Gas.

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan ist bislang ein Meister der Schaukelpolitik. Er ließ zu, dass die Ukraine mit türkischen Kampfdrohnen beliefert wurde und war Wegbereiter eines Abkommens, das Kiew die Ausfuhr von Getreide ermöglichte. Gleichzeitig verschließt sich Erdogan westlichen Sanktionen.

Ob es am Ende des G20-Gipfels am Mittwoch eine gemeinsame Abschlusserklärung gibt, stand am Montag in den Sternen. Die Gretchenfrage wird sein, wie eine mögliche Verurteilung Russlands mit Blick auf den Ukraine-Krieg ausfällt und ob der Einsatz von Atomwaffen international einmütig geächtet wird. Fest steht: Je konkreter die Formulierung, desto schwieriger ist ein Konsens.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.