Rom. Italiens neue Regierung lässt Rettungsschiffe nicht landen. Salvini sieht die Flaggenländer der Boote in der Pflicht.

Kaum im Sattel und schon geht die neue italienische Premierministerin Giorgia Meloni mit der EU in Sachen Migration auf Konfrontationskurs. Seit Tagen hält die Rechtspopulistin drei Rettungsschiffe mit fast 1000 Menschen an Bord auf See.

Damit setzt sie die Linie von Ex-Innenminister Matteo Salvini fort. Dieser hatte schon 2018 und 2019 mit seiner umstrittenen „Politik der geschlossenen Häfen“ für Dauerspannung mit Brüssel gesorgt.

Die „Humanity 1“ der deutschen Hilfsorganisation „SOS Humanity“ sucht nach zehn Tagen auf See und elf unbeantworteten Landeanfragen bei den Behörden Italiens und Maltas immer noch einen sicheren Hafen für 179 im zentralen Mittelmeer gerettete Menschen. Zu ihnen zählen mehr als 100 Minderjährige. Die gesundheitliche Lage an Bord ist kritisch. Eine Grippeinfektion habe sich ausgebreitet, heißt es.

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Neben der „Humanity 1“ warten auch die „Ocean Viking“ von SOS Méditerranée und die „Geo Barents“ von Ärzte ohne Grenzen auf die Zuweisung eines Hafens, um die Bootsmigranten an Land zu bringen. Auf der „Ocean Viking“ befinden sich etwas mehr als 234 Menschen, auf der „Geo Barents“ 572.

Italien: Meloni stellt sich taub

Die Bundesregierung macht Druck auf die Regierung in Italien, damit die Bootsmigranten an Bord der „Humanity 1“ sofort an Land gehen können, doch Meloni stellt sich taub. Die Rechtspopulistin, die auch mit ihren einwanderungsfeindlichen Slogans die Parlamentswahlen am 25. September gewonnen hat, scheut den Streit mit Brüssel nicht.

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Außenminister Antonio Tajani, der seine deutsche Amtskollegin Annalena Baerbock bei einem Treffen der G7-Staaten in Münster erstmals getroffen hatte, erklärte, dass Europa das Einwanderungsthema nach dem „Subsidiaritätsprinzip“ in die Hand nehmen müsse.

„Die Frage der NGO-Schiffe ist keine deutsche Angelegenheit, sondern eine Frage des europäischen Rechts. Wir fordern, dass uns alle Rettungsschiffe, wenn sie in einem italienischen Hafen anlegen wollen, mitteilen, wie viele Menschen an Bord sind und woher sie kommen. Das ist eine Frage der nationalen Sicherheit“, sagte Tajani.

Italien Innenminister Piantedosi will „Migrationsströme“ regeln

Noch deutlicher drückte sich der zum Infrastrukturminister ernannte Lega-Chef Matteo Salvini aus, der in Sachen Migration weiterhin mitreden will. Er rief die Flaggenländer der Schiffe auf, die geretteten Menschen aufzunehmen. „Wo soll ein norwegisches Schiff hin? Ganz klar, nach Norwegen...“, schrieb der Lega-Chef in einem Tweet.

Der italienische Innenminister Matteo Piantedosi betonte bei einem Treffen der MED5-Gruppe, zu der neben Italien auch Zypern, Griechenland, Malta und Spanien gehören, die Notwendigkeit, eine gemeinsame Position für alle fünf Mittelmeerländer zu entwickeln, um die „Migrationsströme“ zu regeln.

EU-Kommission befürchtet ein Kräftemessen mit Italien

Er forderte einen „Strategiewechsel“, der durch die Stärkung der Kanäle für die reguläre Einreise in die EU auch durch die Intensivierung der Beziehungen zu den Herkunfts- und Transitländern der Migrantinnen und Migranten erreicht werden müsse.

Die EU-Kommission befürchtet ein Kräftemessen mit Italien. Eine Sprecherin warnte, dass es „eine moralische und rechtliche Verpflichtung“ der EU-Mitgliedsstaaten sei, Menschen zu retten. Meloni will auf den Appell nicht hören.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de