Berlin. Der Bundesgesundheitsminister will Cannabis für Erwachsene legalisieren. Doch es gibt Kritik – und ein mögliches Problem mit der EU.

Immerhin „probeweise“ habe er das mit dem Cannabiskonsum auch schon mal gemacht, sagt Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Zu den Details allerdings schweigt er sich aus - vielleicht auch, weil Cannabis derzeit in Deutschland noch als illegales Betäubungsmittel gilt.

Doch das soll sich ändern, wenn es nach der Ampel geht: Die Bundesregierung will den Konsum, Verkauf und Besitz von Cannabis legalisieren. Am Mittwoch verabschiedete das Bundeskabinett dazu Eckpunkte, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgelegt hat.

Karl Lauterbach: Cannabis bald kein Betäubungsmittel mehr?

Danach sollen Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden. Erwachsene dürften laut dem Vorschlag des Gesundheitsministeriums zukünftig 20 bis 30 Gramm Cannabis kaufen und besitzen – „zu Genusszwecken“, wie das entsprechende Papier festhält.

Auch der Anbau soll im kleinen Umfang erlaubt sein, mit bis zu drei weiblichen blühenden Pflanzen pro volljähriger Person. Anbau und Verkauf, sagte Lauterbach am Mittwoch, sollten staatlich kontrolliert werden, „reguliert und lizenziert“. Privatleute sollen in lizenzierten Fachgeschäften Cannabis kaufen könne, eventuell auch in Apotheken.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellt die Ampel-Pläne zur Cannabis-Legalisierung vor.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellt die Ampel-Pläne zur Cannabis-Legalisierung vor. © Britta Pedersen/dpa

THC-Grenzwerte für 18- bis 21-Jährige sollen noch geprüft werden

Gleichzeitig sollen Aufklärung, Prävention, Beratung und Behandlungsangebote ausgebaut werden. Es sei insbesondere notwendig, niedrigschwellige und flächendeckende Frühinterventionsprogramme zur Konsumreflexion für Jugendliche einzuführen, heißt es in den Eckpunkten.

Noch unentschlossen ist das Gesundheitsministerium, ob für junge Menschen zwischen 18 und 21 Obergrenzen für den THC-Gehalt eingeführt werden sollen. Er werde das „nicht als großen Durchbruch in der Drogenpolitik verkaufen“, sagte Lauterbach, der nach eigenen Angaben jahrelang gegen eine Legalisierung von Cannabis war. Trotzdem verspricht er sich von dem Vorhaben mehr Jugend- und Gesundheitsschutz.

Cannabis: „Die Tendenz geht in die falsche Richtung“

Denn die Drogenpolitik der letzten Jahre habe „keine wirklich vorzeigbaren Erfolge“ gebracht. Der Cannabis-Konsum sei gestiegen, der THC-Gehalt von Cannabis ebenfalls. Auch bei Erwachsenen gebe es inzwischen problematisches Suchtverhalten. Vier Millionen Menschen hätten im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert, unter den 18- bis 24-Jährigen hätte das jeder vierte getan. „Die Tendenz geht in die falsche Richtung“, sagte der Minister.

Dem will die Bundesregierung mit der Legalisierung entgegenwirken. Das ist auch die Argumentationslinie der Ampel-Koalition gegenüber der EU-Kommission. Denn mit europäischem Recht kollidiert der Beschluss. Dem Ziel der entsprechenden Verträge, sagte Lauterbach am Mittwoch, nämlich dem Jugend- und Gesundheitsschutz, sei mit der Legalisierung aber gedient.

Lauterbach: Gesetz könnte „Modell für Europa“ werden

Die Bundesregierung hofft deshalb auf ein positives Signal aus Brüssel. Erst wenn die EU-Kommission nach einer Vorabprüfung grünes Licht gibt, will das Ministerium einen konkreten Gesetzentwurf erarbeiten. Käme ein Gesetz auf Grundlage dieser Eckpunkte, wäre es laut Lauterbach einerseits der liberalste in Europa, aber auch verbunden mit dem am strengsten regulierten Markt. „Das könnte ein Modell für Europa sein.“

Eine „Hängepartie“ wie bei der Maut will Lauterbach jedenfalls vermeiden. Sollte die Kommission der Linie der Bundesregierung nicht folgen, werde auf der Grundlage dieser Eckpunkte deshalb kein Gesetzentwurf entstehen, sagte er.

Cannabis-Legalisierung: Reaktionen gemischt

Das Echo auf den Vorstoß am Mittwoch war gemischt. Die Bundesärztekammer lehnt die Legalisierung ab. Es sei „erschreckend, dass sich ein Gesundheitsminister, der zugleich Arzt ist, für die Legalisierung einer Droge einsetzen muss“, sagte Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, unserer Redaktion.

„Der Konsum von Cannabis ist nicht harmlos. Er kann Depressionen und Psychosen auslösen sowie zu Abhängigkeiten und Entwicklungsstörungen führen – gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.“ Reinhardt warf der Ampel-Koalition vor, Cannabis zu bagatellisieren.

Auch die Unionsfraktion hält wenig von den Plänen der Regierung. Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der größten Oppositionsfraktion, sieht eine falsche Prioritätensetzung der Ampel in der Gesundheitspolitik, solange die Unterstützung für Krankenhäuser und Rehakliniken auf sich warten lasse. Die gesundheitlichen Nebenwirkungen des Konsums würden nicht ausreichend berücksichtigt: „Irreversible Schäden werden billigend in Kauf genommen“, sagte Sorge.

Bund Deutscher Kriminalbeamter sieht offene Fragen bei Legalisierung

Beim Bund Deutscher Kriminalbeamter dagegen befürwortet man den Schritt grundsätzlich. Doch in der Umsetzung seien noch einige Fragen offen, sagte der Bundesvorsitzende Dirk Peglow unserer Redaktion. „Wenn Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel bei einer Kontrolle Cannabis finden, woher wissen sie, ob das legal gekauft wurde?“, sagte Peglow. „Was ist, wenn Eltern Cannabis-Pflanzen im Haus haben – wie wird sichergestellt, dass Kinder und Jugendliche dazu keinen Zugang haben? Wie wird generell Jugendschutz garantiert?“

Illegale Händler würden sich zunehmend auf Jugendliche als Kunden konzentrieren, wenn Erwachsene legal kaufen können. „Das sind Dinge, die geklärt werden müssen, bevor ein Gesetz verabschiedet wird.“ Mögliche Steuereinnahmen aus dem Verkauf, betonte er, müssten in jedem Fall in bundesweite Programme zu Aufklärung und Prävention fließen.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de