Peking. Chinas staatliche Reederei Cosco hat einen spektakulären Aufstieg hingelegt. Wie gefährlich wäre eine Beteiligung im Hamburger Hafen?

Wer die Macht der chinesischen Cosco-Reederei begreifen möchte, sollte einmal dessen Firmenzentrale besichtigen: Nur einen Steinwurf vom Pekinger Regierungsviertel Zhongnanhai entfernt, schmiegt sich der halbkreisförmige Glasbau an die Fuxingmen-Prachtstraße. An den obersten der insgesamt 15 Stockwerke prangt das Logo des Logistikkonzerns, direkt gegenüber der chinesischen Zentralbank.

Wer bei diesem Schifffahrtsriesen das Sagen hat, daran besteht auch architektonisch kein Zweifel: Gleich drei riesige China-Flaggen sind vorm Cosco-Firmeneingang angebracht.

Die geplante Beteiligung der Chinesen am Hamburger Hafen erhitzt nun nicht nur die Politik, sondern auch die Gemüter vieler Leute. Cosco will 35 Prozent der Anteile am Containerterminal Tollerort übernehmen. Das Terminal ist der kleinste der insgesamt vier Umschlagplätze für Container im Hamburger Hafen.

Doch eine Frage bleibt in der emotional aufgeladenen Debatte meist unbeantwortet: Wer genau ist der Pekinger Investor überhaupt, der sich in den vergangenen Jahren systematisch in europäische Hafen eingekauft hat? Und welche Strategie verfolgt die chinesische Regierung mit ihrer Expansionsstrategie?

Cosco aus China: Drittgrößte Containerschiff-Reederei der Welt

2016 ist Cosco-Shipping als Fusion zweier staatlicher Konzerne zur weltweit drittgrößten Containerschiff-Reederei aufgestiegen, man betreibt eine globale Flotte von rund 1400 Schiffen. Allein in September hat Cosco noch weitere 15 Frachter im Wert von umgerechnet fast drei Milliarden Euro in Auftrag gegeben.

Zur Hansestadt unterhält das Unternehmen bereits seit längerem gute Beziehungen. Unter anderem haben die Chinesen ihre Europa-Zentrale dort angesiedelt. In den vergangenen Jahren hat Cosco in rasantem Tempo seine Präsenz in Europas Logistiknetzwerk ausgeweitet.

Der Konzern sicherte sich 2016 Mehrheitsanteile von 51 Prozent am Athener Hafen Piräus und kontrolliert über ein Investment der spanischen Hafengesellschaft Noatum auch die Häfen in Bilbao und Valencia. Global sind sie an über 50 Containerhafen investiert. Auch in Deutschland.

In Duisburg, größter Binnenhafen Europas, ist Cosco am Bau des großen Hinterlandterminals „Duisburg Gateway“ beteiligt. Hier halten die Chinesen jeweils 30 Prozent an der Investitions- und Betreibergesellschaft und sind damit auch an der Infrastruktur beteiligt.

In Hamburg gehe es um „maximal 35 Prozent der Anteile“ an der Betriebsfirma Container Terminal Tollerort GmbH, betont der Hafenbetreiber HHLA. Der chinesische Investor erhalte damit „keinen Zugriff auf den Hamburger Hafen“, stellt das Unternehmen klar. „Die Hafeninfrastruktur verbleibt im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg.“

Cosco verfolgt an allererster Stelle die Interessen der chinesischen Regierung

Aber welchen Zweck verfolgt Cosco mit den Investitionen in Europa? Die Vision von Cosco Shipping besteht darin, die Mission der Globalisierung der chinesischen Wirtschaft zu erfüllen“, heißt es auf der Homepage des Reederei-Giganten. Dies ist wichtig zu verstehen, denn Cosco ist in staatlicher Hand.

Das bedeutet: Es verfolgt an allererster Stelle die Interessen der chinesischen Regierung, und in seinen gehobenen Positionen beschäftigt es ausschließlich Mitglieder der Kommunistischen Partei, die auch von ihr ernannt werden.

Vorstand Xu Lirong dient wenig überraschend auch als Parteisekretär des Staatsunternehmens. In internen Ideologiekursen, in denen beispielsweise die jüngsten Reden von Staatschef Xi Jinping studiert werden, trichtern die Parteizellen Mitarbeitern die nötige politische Loyalität ein.

All dies bedeutet jedoch nicht, dass Cosco auch ökonomisch sehr erfolgreich ist – im Gegenteil. Die Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2022 sind geradezu phänomenal: Sie weisen Gewinne in Höhe von umgerechnet etwas über neun Milliarden Euro aus, knapp drei Viertel der Gesamtgewinne im Vorjahr.

Wie Chinas Regierung andere Staaten unter Druck setzt

Die globale Bedeutung der Reederei lässt sich zudem anhand des „Fortune Global 500“-Ranking ablesen, das die erfolgreichsten Unternehmen listet: Cosco stieg innerhalb von sechs Jahren von Rang 465 auf 127.

Mit seiner Hafen-Expansion möchte China seine Handelsflüsse mit eigener Infrastruktur im Ausland absichern. Gleichzeitig jedoch nutzt der Staat gezielt ökonomische Abhängigkeiten, um politische Loyalitäten einzufordern. 2017 blockierte Griechenland, dessen wichtigster Hafen in chinesischer Hand ist, eine kritische EU-Stellungnahme zu Pekings Menschenrechtsverletzungen bei den Vereinten Nationen.

Die Schattenseiten des engen wirtschaftlichen Austauschs haben die deutsche Sinologin Mareike Ohlberg und der australische Journalist Clive Hamilton in ihrem Buch „die lautlose Eroberung“ erstmals umfassend recherchiert. „Peking versichert, mit der Übernahme von Häfen lediglich den Handel fördern zu wollen, aber die Volksrepublik verfolgt einen langfristigen Plan, um strategischen Druck aufzubauen“, heißt es.

Und weiter: „In Xi Jinpings „neuer Ära“ hat Peking seine wirtschaftliche Staatskunst zu einem wirkungsvollen Instrument politischer Einflussnahme weiterentwickelt. Eine häufig angewandte Taktik ist yi shang bi zheng, übersetzt bedeutet das in etwa: Unternehmen einsetzen, um die Regierung unter Druck zu setzen“.

Nicht ohne Grund behält Peking die logistische Wertschöpfungskette fest in staatlicher Hand: Sämtliche Häfen, Reedereien und einzelne Schiffe sind schlussendlich in der Hand der Kommunistischen Partei.

Dieser Text erschien zuerst auf morgenpost.de.